80% des Schweizer Trinkwassers wird aus Quell- und Grundwasser gewonnen. Der grösste Teil davon kann ohne Aufbereitung direkt als Trinkwasser genutzt werden. Dieses Privileg ist in Gefahr. Die Ressource «Grundwasser» gerät zunehmend unter Druck – insbesondere wegen Fremdstoffen aus der Landwirtschaft, aber auch aus belasteten Industrie- und Gewerbestandorten oder aus Infrastrukturanlagen (Verkehrsflächen, Siedlungsentwässerung). Nitrat beispielsweise überschreitet in überwiegend ackerbaulich genutzten Gebieten an knapp 40% der Messstellen den Grenzwert von 25 mg/l (BAFU 2019). Synthetische Pestizide und deren Abbauprodukte (Metaboliten) treten landesweit an rund 20% der Messstellen in Konzentrationen von mehr als 0.1 µg/l im Grundwasser auf (BAFU 2019).
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Besonders im Fokus der Ă–ffentlichkeit ist aktuell der Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff «Chlorothalonil», der seit den 1970er-Jahren in der Schweizer Landwirtschaft eingesetzt wird. Eine erste Einschätzung (BAFU 2020) zeigt, dass die Konzentration mehrerer Abbauprodukte von Chlorothalonil den seit Dezember 2019 geltenden Grenzwert von 0.1 µg/l im Grundwasser des Mittellandes grossflächig ĂĽberschreitet. Chlorothalonil-Metaboliten lassen sich, wenn ĂĽberhaupt, nur durch aufwändige Aufbereitungsverfahren eliminieren und sind teilweise auch im Trinkwasser nachweisbar. Obwohl es sich beim Trinkwasserhöchstwert (ebenfalls 0.1 µg/l) um einen vorsorglich tiefen Wert und nicht um einen toxikologisch hergeleiteten Grenzwert handelt, ist die Verunsicherung bei vielen Konsumentinnen und Konsumenten und Wasserversorgern gross. Selbst Aussagen von offizieller Stelle, dass Wasser auch bei HöchstwertĂĽberschreitungen bedenkenlos getrunken werden kann, mögen nicht wirklich beruhigen. Â
Vor allem aber sind die Wasserversorger gefordert. Sie sind verpflichtet, die lebensmittelrechtlichen Vorgaben einzuhalten und müssen Lösungen finden für Probleme, die nicht von ihnen verursacht wurden bzw. deren Bewältigung andere zu finanzieren hätten. Artikel 6 des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) untersagt nämlich, Stoffe, die Wasser verunreinigen können, in Gewässer einzubringen oder versickern zu lassen. Zudem müsste derjenige, welcher Massnahmen verursacht, die Kosten dafür tragen (GSchG Art. 3). Kurzfristige Massnahmen (z.B. Mischen von Wasser) sind oft nicht möglich. Die Aufbereitung als teure, energieintensive und aufwändige End-of-Pipe – Lösung widerspricht dem Vorsorge- und Verursacherprinzip und entspricht nicht dem Wunsch der Bevölkerung nach möglichst natürlichem Trinkwasser.
Am 2. Juli 2020 startet die Wirtschaftskommission des Ständerates (WAK-S) die Anhörung zur Agrarpolitik 22+. Ebenfalls auf der Traktandenliste stehen die Beratung der Trinkwasser- sowie der Pestizidverbotsinitiative und die Behandlung der eigenen Parlamentarischen Initiative zur Reduktion des Risikos beim Pestizideinsatz (Pa.Iv. 19.475). Zahlreiche weitere parlamentarische Geschäfte adressieren die Trinkwasserthematik. Zu nennen sind beispielsweise Vorstösse zur Stärkung des vorsorglichen Ressourcenschutzes durch Massnahmen im Zuströmbereich (also in denjenigen Gebieten, aus denen der grösste Teil des genutzten Grundwassers stammt), zur Finanzierung von Massnahmen zur Sicherstellung der Trinkwasserqualität oder zur Zulassung von Pestiziden. Â
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Noch fehlt ein Gesamtkonzept für eine langfristige und ganzheitliche Stärkung des Trinkwasserressourcenschutzes. Zentrale und sich sinnvoll ergänzende Elemente liegen auf dem Tisch. Dazu gehören
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Falls es gelingt, diese Elemente geschickt zu kombinieren und gesetzlich verbindlich zu verankern ist die Chance gross, dass wir auch künftig auf unser Wasser stolz sein können.
Die Eawag stellt FAQ-Katalog zu Pestiziden im Trinkwasser, in Gewässern zur Verfügung.
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