In der Schweiz entfallen über 50 Prozent des gesamten Energieverbrauchs auf die Wärmeerzeugung und sie ist für 60 Prozent des CO2-Ausstosses verantwortlich. Dies, weil rund 60 Prozent der Raum- und Prozesswäre nach wie vor aus fossilen Energieträgern gewonnen wird, wie Nicole Lupi vom Bundesamt für Energie (BFE) in ihrem Vortrag am Geothermieforum in Bern ausführte. Um die Dekarbonisierung des Wärmesektors zu erreichen, seien daher klimaneutrale Lösungen wie Geothermie zentral.
Während die Bedeutung der Geothermie am Forum unbestritten war, wurde in mehreren Vorträgen auch auf verschiedene Herausforderungen hingewiesen: So benötigen Wärmepumpen Strom im Betrieb. Damit die untiefe Geothermie nachhaltig ist, muss diese Energie aus erneuerbaren Energiequellen wie Solarenergie oder Windkraft kommen. Mitteltiefe Geothermie wiederum benötigt zwar weniger Wärmepumpen, muss aber in der Nähe der Abnehmerinnen realisiert werden, da sich Wärme nicht effizient über weite Distanzen transportiert lässt. Geothermische Kraftwerke werden daher oft in urbanen Gegenden gebaut und mit Fernwärmenetzen gekoppelt. Dazu sind Bohrungen notwendig, die in der Stadt besonders anspruchsvoll sind. Dafür verursachen die Anlagen danach keine Umweltbelastungen, brauchen kaum Platz und liefern 365 Tage pro Jahr bei jeder Witterung Wärme mit geringen variablen Kosten. Tiefe Geothermie ist in der Bevölkerung wegen möglicher Erdbeben umstritten. Hier sei Aufklärungsarbeit notwendig, denn mitteltiefe Geothermie verwende nicht dieselbe Technologie. Anlagen wie z.B. die 1994 erbaute Geothermieanlage in Riehen zeigten, dass der Betrieb solcher Anlagen ohne Beeinträchtigung der Bevölkerung möglich ist.
Die Podiumsdiskussion, an der unter anderem Nationalrätin Katja Christ und Nationalrat Bastien Girod teilnahmen, drehte sich um die Frage, wie die Politik geeignete Rahmenbedingungen für den Ausbau der Geothermie schaffen kann. Neben der Beschleunigung und Vereinfachung der Genehmigungsverfahren wurde insbesondere eine finanzielle Risikoabsicherung für Explorationsbohrungen gefordert. Solche Bohrungen sind notwendig, um geeignete Standorte für geothermische Kraftwerke zu finden. Die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Bohrung ist dabei vergleichbar mit Öl- und Gasbohrungen. Im Schnitt sind vier bis fünf Probebohrungen notwendig, bis ein produktives Reservoir gefunden wird. In der Schweiz sind die Kenntnisse über den Untergrund im Vergleich zu Nachbarländern mit einer Tradition im Bergbau und der Exploration von Öl und Gas zudem gering. Hinzu kommt wie bei allen Energie- und Infrastrukturprojekten das Risiko von Einsprachen. Das macht es anspruchsvoll, Investoren zu finden, die bereit sind, das finanzielle Risiko zu tragen. Der Geothermieverband fordert daher eine Risikodeckung und Subventionen vom Bund, um einen adäquaten Anreiz in einem noch nicht ausreichend etablierten Markt zu schaffen. Konkret sollen 90 Prozent der Kosten für Probebohrungen über Risikogarantieren abgedeckt werden. Andere Länder kennen solche Garantiemechanismen und diese hätten sich bewährt.
Neben den Plenarsessions wurden am Geothermieforum mehrere, themenspezifische Parallelsessions zum Schutz und Nutzen der Ressourcen im Untergrund, zur Gewinnung und Verteilung von Wärme sowie zur Produktion von Strom und der Speicherung von Energie durchgeführt. Auch der SVGW hat eine Parallelsession am Anlass bestritten und ist darin in mehreren Referaten auf Nutzungskonflikte eingegangen. Bereits heute wird der Untergrund von verschiedenen Akteuren genutzt, sei es, um die Infrastruktur für den Transport von Gas, Fernwärme, Telekommunikation oder Elektrizität zu verlegen oder für die Förderung von Grundwasser für die Trinkwassergewinnung, wie Rolf Meier, Leiter des Bereichs Wasser beim SVGW, ausführte. Insbesondere bei der gleichzeitigen Nutzung des Untergrunds für die Trinkwasser- und die Wärmegewinnung könnten Nutzungskonflikte entstehen. Im Rahmen der Raumplanung ist daher sicherzustellen, dass die energetische Nutzung von Grundwasser nicht die sichere Versorgung mit wertvollem Trinkwasser aufs Spiel setzt. Dabei bietet die Geothermie auch Chancen für Synergien. So wurde anhand eines konkreten Beispiels aufgezeigt, wie ein Trinkwassernetz auch für die Wärmenutzung eingesetzt werden kann. Das zeigt, dass ein Neben- und Miteinander bei der Nutzung des Untergrundes möglich ist.
Alle Präsentationen des Geothermie-Forums sind auf www.connect4geothermal.ch zu finden.
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