Mit 25 Teilnehmern war die Gruppe mit Vertretern von Versorgern, Lieferanten, Ingenieurbüros und dem SVGW gut aufgestellt, sich dem Kernthema des Tages, der Optimierung von Fernwärmenetzen, zu stellen. Bestehende Netze haben oft grosses Optimierungspotenzial – wie dieses sichtbar gemacht wird und wo «niedrig hängende Früchte» zu holen sind, wurde in der Fachgruppe eingehend diskutiert.
Als Vorbereitung auf die Sitzung hatten die Vertreter von Versorgern einen Abschnitt in ihrem Netz ausgewählt und in diesem für die jeweils zehn grössten (oder auch mehr) Kundenstationen Kennwerte ermittelt. Anhand der gemeinsamen Auswertungen konnten schnell aussagekräftige Rückschlüsse gezogen werden, welche Verbraucher das grösste Optimierungspotenzial aufweisen. Dafür ist moderne Leittechnik mit Fernauslesung hilfreich, aber keinesfalls notwendig. Für eine entsprechende Netzuntersuchung reichen bereits Messwerte üblicher Wärmemengenzähler, die auch in alten Netzen verbaut wurden und manuell ausgelesen werden – so auch im alten Bestandsnetz der SWL in Lenzburg aus den 1970er Jahren. Projektleiter Josef Wiederkehr konnte hier bei vielen Anschlüssen sehr geringe Temperaturspreizungen zwischen Vor- und Rücklauf feststellen.
Komfortabler geht die Auslesung mit einem modernen Leitsystem, wie Peter Burkhard von der Sysbo AG per Fernzugriff auf eine Anlage aufzeigte. «Häufig liegen die notwendigen Daten bereits in den Unternehmen vor, nur werden sie nicht analysiert» stellte Martin Jutzeler von der EWB fest. Genau hier setzt ein Projekt in Genf an, das von David Crochet, Asset Manager bei SIG, vorgestellt wurde. Eine automatisierte Auswertung von Messdaten hilft seinem Team, Optimierungsmassnahmen effizient und zielgerichtet durchzuführen.
Angelehnt an die Methodik von Professor Sven Werner aus Schweden, der bei der Fernwärme Fachtagung des SVGW im Oktober 2019 referiert hatte, wurden Ursachen für «Temperaturfehler» im Netz, in Übergabestationen und in den Kundenanlagen identifiziert. Die häufigsten Fehler mit den grössten Auswirkungen sind dabei meist auf der Sekundärseite – der Kundenanlage zu finden. Diese zu identifizieren und zu beheben kann nur gemeinsam mit dem Kunden vor Ort stattfinden, was aber zeit- und kostenintensiv ist.
Das kann auch Andreas Peter, Technischer Berater für Gas und Fernwärme beim SVGW, bestätigen. «Als gelernter Heizungsbauer und Ingenieur für Gebäudetechnik bin ich rund 20 Jahre in der Heizungsbranche unterwegs. Eines hat sich in der Zeit nie geändert: Wir planen, bauen und nehmen in Betrieb – und das meist mit sehr komfortabel eingestellten Werten, denn es soll sich ja niemand beschweren, dass es zu kalt ist. Für Optimierungen und ein Herantasten an ideale Einstellungen hat niemand die Zeit und das Geld».
Genau hier müssen jedoch die Versorger ansetzen, wenn sie ihre Netze fit für die Zukunft machen möchten. Optimierungen helfen zusätzliche Kapazitäten für Nachverdichtungen freizugeben ohne bauliche Anpassungen am Netz durchführen zu müssen, oder steigern durch tiefere Rücklauftemperaturen die Effizienz in der Wärmeerzeugung. Anhand verschiedener aktueller Beispiele aus der Region Bern, konnte Daniel Zaugg, Teamleiter bei Amstein + Walthert aufzeigen, wie bestehende Nahwärmeverbünde durch gezielte Massnahmen für die Einbindung ins Fernwärmenetz der EWB fit gemacht werden. Während die Kosten der einzelnen Massnahmen noch relativ leicht beziffert werden können, ist der Nutzen oftmals vielschichtiger und verschiedenen Bereichen des Fernwärmesystems zuzuschreiben.
Gesamthaft betrachtet konnten sich die Teilnehmer am halbtägigen Anlass einen guten Überblick über das grosse Thema der Netzoptimierung verschaffen. In den kommenden Sitzungen gilt es nun, sich einzelne Themengebiete herauszusuchen und bis ins Detail zu analysieren - so der Tenor der Teilnehmer.
«Mit den Technischen Fachgruppen und dem Thema der Optimierung von Fernwärmenetzen haben wir einen Nerv der Branche getroffen und für Werke, Lieferanten und Ingenieurbüros eine spannende Plattform für einen technischen Austausch geschaffen», erklärte Stefan Güpfert vom SVGW, der die Fachgruppe moderiert hatte.
Und Diego Modolell, Leiter des Bereichs Gas und Fernwärme beim SVGW, ergänzte: «Die Technische Fachgruppe ist ein neues Format, das sich dynamisch, nach den Bedürfnissen der Mitglieder entwickeln wird. Neben dem technischen Austausch wird auch gemeinsam Wissen erarbeitet, das zu gegebener Zeit zu Papier gebracht und publiziert wird. Dies entspricht dem Kerngedanken des SVGW und seinem Milizsystem: von der Branche - für die Branche.»
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Die nächste Sitzung der Technischen Fachgruppe ist bereits in Planung.
Sie soll am Donnerstag, 14. Mai 2020, in Bern stattfinden.
Für Rückfragen/Anmeldung: Stefan Güpfert, Technischer Berater Fernwärme, Telefon 044 288 33 66
s.guepfert@svgw.ch
«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.
Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.
Kommentare (0)