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31. Januar 2025

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Die Salamitaktik der Pestizidlobby

Vor dem Hintergrund der Trinkwasserinitiative beschloss das Parlament 2021 die Risiken beim Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. Nachdem die entsprechenden Gesetzesänderungen in Bezug auf die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sowie deren Einsatz im Zuströmbereich von Trinkwasserfassungen eine Verbesserung des vorsorglichen Ressourcenschutzes erhoffen liessen, senken nun Mitte, FDP und SVP die Hürden wieder mit erheblichen Risiken für die Trinkwasserversorgung in der Schweiz.

Die Titel der Motionen und parlamentarischen Initiativen bürgerlicher Politikerinnen und Politiker klingen vernünftig. So möchte Matthias Bregy von der Mitte einen «modernen Pflanzenschutz in der Schweiz» ermöglichen oder Leo Müller von der Mitte fordert ein «realistisches Monitoring für den Gewässerschutz». Und Johanna Gapany von der FDP hat mit ihrer Motion «Ziel zur Verringerung von Nährstoffverlusten senken» erreicht, dass wir im landwirtschaftlich intensiv genutzten Mittelland weiterhin zu hohe Nitratwerte im Grundwasser hinnehmen müssen. Es erstaunt nicht, dass die Titel dieser Motionen und parlamentarischen Initiativen schon fast euphemistischen Charakter haben. Würde man die Anliegen beim Namen nennen, müsste nämlich erwähnt werden, dass alle diese Geschäfte zum Ziel haben, den Schutz unserer wichtigsten Trinkwasserressource «Grundwasser» zugunsten der landwirtschaftlichen Produktion zu schwächen. So verstehen die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der parlamentarischen Initiative unter einem «modernen Pflanzenschutz», dass die Schweiz in Zukunft Pestizide ungeprüft zulassen muss, wenn sie bereits in einem EU-Land zugelassen wurden. Es bleibt dabei offen, was genau «modern» an diesem Vorschlag ist. Auch die Motionärinnen und Motionäre, die sich für ein «realistisches Monitoring» einsetzen, möchten damit lediglich die Hürden für den Bundesrat erhöhen, bevor er die Zulassung für ein Pestizid überprüfen kann, das unsere Gewässer nachweislich verunreinigt.

Das Parlament hat 2021 vor dem Hintergrund der Trinkwasserinitiative und den Medienberichten zu den Verunreinigungen des Grundwassers mit den Abbauprodukten von Chlorothalonil den Gewässerschutz gestärkt. Es beschloss zum einen einen Absenkpfad für Nährstoffverluste und zum anderen eine Reduktion der Risiken beim Einsatz von Pestiziden. Mit einer Salamitaktik werden nun vom mitte-rechts dominierten Parlament Stück für Stück die Verbesserungen beim Schutz des Grundwassers wieder rückgängig gemacht. Als erstes wurde der ohnehin bereits wenig ambitionierte Absenkpfad für Stickstoffverluste von 20 auf 15 Prozent reduziert, obwohl insbesondere im Mittelland das Grundwasser seit 40 Jahren nachweislich mit Nitrat verunreinigt ist. Nun soll die Schweiz nach dem Willen des Parlaments Zulassungsentscheide für Pflanzenschutzmittel aus EU-Ländern ungeprüft übernehmen. Das erhöht die Risiken beim Pestizideinsatz deutlich, da die Behörden in der Schweiz keine Möglichkeit mehr haben, Anwendungsbeschränkungen zu erlassen, um den spezifischen Bedingungen in der Schweiz gerecht werden.

Statt der schrittweisen Aushöhlung des vorsorglichen Gewässerschutzes sollte eine Grundsatzdiskussion darüber stattfinden, wie die Schweiz in Zukunft den Konsumentinnen und Konsumenten qualitativ einwandfreies Trinkwasser in ausreichender Menge bereitstellt. Wenn die Verunreinigung des Grundwassers mit chemischen Stoffen wie Nitrat oder den Abbauprodukten von Pestiziden wie bisher weitergeht, werden wir in einigen Jahren nicht mehr um eine mehrstufige Aufbereitung von Grundwasser herumkommen. In der Konsequenz werden im Mittelland dann nur noch wenige grosse Wasserversorgungen ganze Regionen mit komplett aufbereitetem Trinkwasser versorgen – eine Situation, wie sie beispielsweise Holland kennt. Denn für kleine Wasserversorgungen kommt eine aufwendige Aufbereitung finanziell nicht in Frage. Es braucht daher eine Grundsatzentscheid darüber, ob die Schweiz diesen Weg gehen will oder ob weiterhin über 2500 teils kleine und kleinste Wasserversorgungen lokal Wasser für ihre Gemeinde gewinnen, das sie ohne oder nach lediglich schonender Aufbereitung als naturnahes Trinkwasser abgeben können oder ob die Gemeinden ihre Autonomie bei der Trinkwasserversorgung zugunsten einer Zentralisierung aufgeben sollen.

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