In den Schweizer Städten ist zurzeit eine flächendeckende Elektrifizierung des Busverkehrs zu beobachten – sei es durch Einrichtung neuer Trolleybus- und Tramlinien, sei es durch Einsatz von Batteriebussen mit Ladestationen im Depot oder an den Haltestellen. Auch die nordschwedische Stadt Uppsala setzt auf einen öffentlichen Verkehr ohne Kohlenstoffemissionen. Doch die Agglomeration mit ihren 250 000 Einwohnerinnen und Einwohnern hat eine Ausgangslage, die sich von Schweizer Städten unterschiedet: Die 400 Stadt- und Regionalbusse von Uppsala fahren überwiegend mit Biodiesel aus Pflanzenöl (rund 240) oder mit Biomethan (rund 160). Hinzu kommt eine Handvoll batterieelektrischer Busse. Die Betreibergesellschaft arbeitet darauf hin, den (importierten) Biodiesel durch (lokal produziertes) Biogas zu ersetzen.
Zusätzliches Biomethan lässt sich gewinnen, indem man neue Biogasanlagen baut, oder aber bestehende Anlagen optimiert: Biogas aus herkömmlichen Anlagen besteht zu rund 60% aus dem energetisch nutzbaren Methan (CH₄), der Rest ist hauptsächlich CO₂, das bislang aus dem Rohbiogas abgetrennt wird. Dieses CO₂ lässt sich allerdings energetisch nutzen, indem man es unter Beimischung von erneuerbarem Wasserstoff in Methan verwandelt (methanisiert; s. Box 1). So lässt sich die Methanproduktion einer Biogasanlage um ca. 60% erhöhen. Da man zur Herstellung des Wasserstoffs Strom einsetzt, spricht man von einer Power-to-Gas-Anlage.
Ein schweizerisch-schwedisches Forscherteam hat in den letzten vier Jahren die technischen und wirtschaftlichen Aspekte einer solchen Power-to-Gas-Anlage für den Standort Uppsala untersucht. Beteiligt waren die Schwedische Fachhochschule für Agrarwissenschaften (SLU) in Uppsala und – als Junior-Partner – das IET-Institut für Energietechnik (Rapperswil) der Ostschweizer Fachhochschule (OST) (Fig. 1). Finanzielle Unterstützung leisteten die Schwedische Energieagentur (Stockholm) und das Bundesamt für Energie BFE im Rahmen des länderübergreifenden Forschungsprogramms ERA-Net Smart Energy Systems. Das Projekt wird im November 2024 abgeschlossen.*
Das schwedische Entsorgungsunternehmen Uppsala Vatten betreibt eine grosse Biogasanlage, in der vor allem Lebensmittelabfälle aus der Region Uppsala vergärt werden. Die Jahresproduktion von rund 9,3 Mio. Normkubikmetern (Nm³) Rohbiogas bzw. das daraus gewonnene Methan deckt rund 70% des Treibstoffbedarfs der gasbetriebenen Busflotte in Stadt und Region Uppsala (Fig. 2–5). «Die schwedische Biogasanlage ist deutlich grösser als die Anlagen in der Schweiz. Die technische und wirtschaftliche Erforschung einer Power-to-Gas-Anlage ist vor diesem Hintergrund besonders interessant, weil durch Skaleneffekte tiefere Gestehungskosten für das Biomethan zu erwarten sind», sagt Matthias Frommelt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energietechnitk IET.
Zur grossindustriellen Herstellung von Wasserstoff wird bisher die alkalische Elektrolyse eingesetzt. Für den Bau einer Power-to-Gas-Anlage empfiehlt das schwedisch-schweizerische Wissenschaftlerteam nun aber einen Elektrolyseur mit PEM-Technologie (Box 2). Diese sei zwar heute noch teurer, verspreche aber einen höheren Wirkungsgrad, argumentieren die Forscher. Eine weitere technische Frage betrifft das Verfahren, mit dem man aus dem Rohbiogas das CO₂ extrahiert, so dass es anschliessend mit Wasserstoff methanisieren kann. Hierfür wird in Uppsala bisher die sogenannte Wasserwäsche eingesetzt. Dieses Verfahren hat den Nachteil, dass das CO₂ nicht in so reiner Form abgetrennt wird, wie es für die Methanisierung benötigt wird. Soll in Uppsala die Methanisierung genutzt werden, müsste somit das CO₂ mit einem anderen Verfahren aus dem Rohbiogas abgeschieden werden. In Diskussion ist die sogenannte Aminwäsche, bei der das CO₂ durch eine Waschlösung aus Amin (einem Ammoniak-Derivat) chemisch gebunden und aus dem Rohbiogas abgetrennt wird.
Keine klare Präferenz in technologischer Hinsicht hat das Forscherteam bei der Frage, ob Kohlendioxid und Wasserstoff katalytisch oder biologisch methanisiert werden sollen. «Bisher wird das katalytische Verfahren breiter angewendet, allerdings hat die biologische Methanisierung Vorteile im Handling und dürfte auch etwas günstiger sein», sagt Frommelt. Ein Schwerpunkt des Forschungsprojekts lag auf der ökonomischen Bewertung einer möglichen Power-to-Gas-Anlage für Uppsala. «Ob das durch Methanisierung zusätzlich gewonnene Biomethan wettbewerbsfähig ist mit herkömmlichem Biomethan, hängt laut den Berechnungen hauptsächlich vom Preis des Stromes ab, der für die Herstellung von Wasserstoff eingesetzt wird», sagt IET-Wissenschaftler Boris Kunz. «Wenn man den mittleren Strompreis vor den Preissteigerungen der Energiekrise zugrunde legt, ist unser Biomethan zumindest annährend konkurrenzfähig.» Ausgedrückt in Zahlen: Nur bei einem Strompreis unter 7,5 Euro-Cent pro Kilowattstunde ist das Biomethan konkurrenzfähig (Fig. 6). Die Wirtschaftlichkeit lässt sich übrigens nicht verbessern, indem man Strom, Wasserstoff oder CO₂ bei günstigen Marktbedingungen beschafft und zwischenspeichert; das konnte das Forscherteam mit einem selbst entwickelten Simulationstool (Box 3) nachweisen.
Uppsala Vatten betreibt eine mittlere und eine grosse Photovoltaik-Anlage. Deren Gesamtleistung beträgt knapp5000 kWp. Dieser Solarstrom könnte nach Berechnungen des Forscherteams knapp 10% des Strombedarfs des Elektrolyseurs decken. Allerdings kann der Solarstrom nicht direkt genutzt werden, sondern er muss ins Netz eingespeist werden, wodurch ein Netznutzungsentgelt fällig wird, was den Strom verteuert. Ein Dilemma: Nutzt man für die Power-to-Gas-Anlage mehr Solarstrom, nutzt man zwar «grünen» Strom, aber das produzierte Biomethan wird teurer. Energetisch sinnvoller wäre es ohnehin, den Solarstrom direkt in Batteriebussen zu nutzen: In der Well-to-Wheel-Betrachtung setzt ein Elektrobus rund 80% der Solarenergie in Fahrleistung um. Beim Gasbus sind es wegen der Umwandlungsverluste der Elektrolyse und der Methanisierung nur rund 15%. Bislang stehen in Uppsala Gasbusse im Vordergrund, denn das Busnetz ist historisch gewachsen. Kommt hinzu, dass Regionalbusse mit grosser Reichweite aktuell noch nicht ohne Weiteres elektrifiziert werden können.
Ob die schwedische Stadt tatsächlich eine Power-to-Gas-Anlage verwirklicht, ist noch nicht entschieden. Zwar wäre das zusätzliche Biomethan willkommen, aber die höheren Kosten und das in der EU diskutierte Verbot für Verbrennungsmotoren stehen dieser Lösung entgegen. Als Alternativen sind Batterie- und Wasserstoffbusse im Gespräch.
In der Schweiz dürfte Biomethan im Transportsektor auch in Zukunft eine untergeordnete Rolle spielen. Gleichwohl sind zusätzliche Mengen des Energieträgers willkommen, um fossiles Methan (Erdgas) in Gebäudeheizungen und in der Industrie zu ersetzen. Bereits 2022 hat das Limmattaler Regiowerk Limeco in Dietikon (ZH) gemeinsam mit acht Schweizer Energieversorgern die erste industrielle Power-to-Gas-Anlage der Schweiz in Betrieb genommen (Fig. 7). Die Anlagenkapazität ist dimensioniert für jährlich rund 1,8 Mio. Nm³ Biomethan, das die beteiligten Energieversorger über Zertifikate an ihre Kundschaft weiterverkaufen. Dadurch lassen sich jährlich rund 5000 t CO₂-Emissionen vermeiden, was den Emissionen der Erdgas-Heizungen von rund 2000 Haushalten entspricht.
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* Kontakt und weitere Informationen zum Projekt:Â M. Frommelt, matthias.frommelt@ost.ch und B. Kunz, boris.kunz@ost.ch
Weitere Informationen zum Projekt «Energy storage for sustainable regional development: Optimized integration of renewables in smart transport systems» (Power-to-Transport) sind hier verfügbar.
Ein wichtiges Element des im Haupttext vorgestellten Forschungsprojekts ist das am IET entwickelte Simulationstool für Power-to-X-Anlagen, also für Anlagen, die erneuerbaren Strom in Methan oder andere chemische Energieträger umwandeln. Das Tool wurde im Projekt dafür eingesetzt, die technische Auslegung und Wirtschaftlichkeit einer möglichen Methanisierungsanlage in Uppsala zu berechnen. Zugleich diente das schweizerisch-schwedische Projekt dazu, das Simulationstool, das in den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit der Firma AlphaSYNT entstanden war, weiterzuentwickeln.
Mit dem Software-Werkzeug wird typischerweise ein Betriebsjahr einer Power-to-X-Anlage in Stundenauflösung simuliert. Dabei werden alle Massenströme nachgebildet. Das Tool ist bisher anwendbar auf Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff, Methan und Methanol. Power-to-X-Anlagen werden zurzeit auf industriellen Massstab hochskaliert. Da mit ihnen noch wenig Erfahrungen gesammelt wurden, leisten Simulationen wichtige Unterstützung bei der Auslegung und ermöglichen Wirtschaftlichkeitsberechnungen.
Das Simulationstool des IET hat bislang nicht nur bei Projekten in Schweden und Äthiopien gute Dienste geleistet, sondern auch in der Schweiz: Im Auftrag der Elektrizitätswerk Jona-Rapperswil AG und der Energie Zürichsee-Linth AG konnte eine Potenzialstudie für eine Wasserstofftankstelle im Raum Rapperswil-Jona erstellt werden. Die Anlage würde Solarstrom in Wasserstoff umwandeln, mit dem anschliessend Brennstoffzellen-Fahrzeuge betankt werden können.
Die Elektrolyse zerlegt Wasser unter Zuführung von Strom in die chemischen Elemente Wasserstoff und Sauerstoff. Eines von zahlreichen Elektrolyseverfahren ist die PEM-Elektrolyse. Sie nutzt zur Aufspaltung des Wassers eine protonendurchlässige Polymermembran (engl. Proton Exchange Membrane, PEM). Bei dem Verfahren wird das Wasser zuerst in Sauerstoff, freie Elektronen und positiv geladene Wasserstoff-Ionen aufgespalten. Die Wasserstoff-Ionen diffundieren durch die Membran und kombinieren sich auf der anderen Seite mit freien Elektronen zu Wasserstoff.
Für die Methanisierung von Kohlendioxid (CO₂) und Wasserstoff (H₂) zu Methan (CH₄) stehen verschiedene, teilweise schon lange bekannte Verfahren zur Verfügung. Bei der katalytischen Methanisierung reagieren die Ausgangsstoffe CO₂ und H₂ mit Unterstützung eines Katalysators (z. B. Nickel) zu Methan. Die biologische Methanisierung kommt ohne Katalysator aus. Hier sorgen Mikroorganismen für die Umwandlung von CO₂ und H₂ in Methan (und Wasser).
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