Manche Innovationen entstehen durch Zufall. Die Geo-Methanisierung ist eine davon. Die RAG Austria AG entdeckte den damit verbundenen biologischen Prozess, als sie Wasserstoff in ausgeförderte Erdgas-Lagerstätten einspeicherte. Das grösste Energiespeicherunternehmen Österreichs wollte dadurch prüfen, ob die unterirdischen Lagerstätten eine Beimischung von Wasserstoff zum Speichergas erlauben. Dabei beobachteten die Fachleute beim Wasserstoff eine teilweise Methanisierung. Es gelang ihnen, den Prozess zu reproduzieren.
So entstand die Idee der Geo-Methanisierung. Dabei wird zunächst überschüssige erneuerbare Energie – beispielsweise Solarstrom – in grünen Wasserstoff umgewandelt. Dieser erste Prozessschritt läuft oberirdisch in konventionellen Anlagen ab, bei erneuerbarem Strom mittels Elektrolyse. Der zweite Schritt, die Methanisierung, erfolgt in 1000 Metern Tiefe. Dazu wird der Wasserstoff zusammen mit CO2, das etwa aus Biogasanlagen stammt, in einen natürlichen Untergrundspeicher eingebracht. In einem mikrobiologischen Prozess verbinden Mikroorganismen Wasserstoff und Kohlenstoff zu erneuerbarem Methangas. Dieses bleibt im Untergrund gespeichert. Im Winter, wenn der Bedarf an Strom und Wärme hoch ist, lässt sich das erneuerbare Gas ausspeichern und vielseitig nutzen.
Im Rahmen des binationalen Forschungsprojekts «Underground Sun Conversion – Flexible Storage» (USC-FlexStore)untersuchten die RAG Austria AG, Energie 360° und weitere Forschungspartner in den vergangenen rund drei Jahren das Potenzial dieses innovativen Verfahrens als Speicherlösung in einem erneuerbaren Energiesystem. Das Projekt diente der Grundlagenforschung. Es hatte zum Ziel, den Nachweis für die Machbarkeit der Geo-Methanisierung als saisonale Umwandlungs- und Speicherlösung mit hohem Volumen im Terrawattstunden-Bereich zu erbringen. Dazu erforschten die Fachleute technische, betriebliche, wirtschaftliche, ökologische und regulatorische Aspekte des Verfahrens. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit entstand aus dem Bewusstsein heraus, dass die Speicherung von erneuerbaren Energien auch eine europäische Gemeinschaftsaufgabe ist.
Aus Schweizer Sicht interessierte besonders, ob und unter welchen Bedingungen die Speicherung und die Umwandlung von Energie im tiefen Untergrund auch hierzulande möglich sind. Als Schweizer Forschungspartner arbeiteten die Universität Bern (Geologie), die Empa (Energiebedarfsprognose) sowie die Ostschweizer Fachhochschule (Wirtschaftlichkeit) mit. Nun liegt der Schlussbericht zum Projekt vor.
Ein erstes Forschungspaket untersuchte den Bedarf an saisonalen Speichern, um überschüssige erneuerbare Energie aus dem Sommer im Winter verfügbar zu machen. Mit der drohenden Energiemangellage im vergangenen Winter sowohl beim Strom als auch beim Gas hat dieser Aspekt zusätzliche Aktualität erhalten. Die Forschenden der Empa betrachteten in ihrem Forschungspaket mehrere Szenarien zum Ausbau der erneuerbaren Energien in der Schweiz und in Österreich. So konnten sie die saisonalen Überschussmengen an Strom und das Produktionspotenzial für Wasserstoff abschätzen. Zusätzlich prognostizierten sie den Bedarf nach erneuerbarem Gas für die Strom- und die Wärmeproduktion im Winter.
Die Resultate weisen eindeutig nach, dass ein steigender ungedeckter Bedarf an Winterstrom im Terrawattstunden-Bereich besteht – und somit ein entsprechender Bedarf an Energiespeicherung. Dies gilt sowohl für die Schweiz als auch für Österreich. Allerdings ist in Österreich das Problem der Winterstromlücke etwas geringer, da unter anderem höhere Windstromkapazitäten bestehen. Gleichzeitig zeigt die Empa in ihrem Forschungspaket auf, dass im Sommer genügend überschüssige Energie produziert wird, um saisonale Speicher zu füllen und in den Winter zu bringen. Gefragt sind sektorübergreifende und nachhaltige Speicherlösungen, um die Versorgungssicherheit auch im Winter mit erneuerbarer Energie zu erhöhen.
Dass eine solche Speicherlösung die Geo-Methanisierung sein kann, belegen die Ergebnisse des Forschungspakets der RAG Austria AG und der Universität für Bodenkultur Wien. Die Forschenden führten umfangreiche Labor- und Feldversuche in einem Geo-Methanisierungs-Speicher im österreichischen Pilsbach durch. Sie kamen zum Schluss: Die natürliche Methanisierung im Untergrund funktioniert.
Drei Punkte fallen dabei auf. Erstens läuft die Methanisierung relativ schnell ab, nämlich in weniger als einem Monat. Zweitens besteht eine beachtliche Flexibilität der gespeicherten Menge und der Gaszusammensetzung. Wie erhofft ist also kein genaues stöchiometrisches Verhältnis von Wasserstoff und CO2 einzuhalten – im Gegensatz zu einer oberirdischen Reaktor-Methanisierung. Allerdings haben die Forschenden auch limitierende und kritische Faktoren für die Geo-Methanisierung erkannt, insbesondere die Druckverhältnisse. Während sich diese im Labor optimieren lassen, beeinträchtigen die lokal sehr unterschiedlichen Druck- und Gasverteilungen in natürlichen Speichern den Methanisierungsprozess. Drittens wurde die Integrität des Speichers durch keine Gasbestandteile beeinträchtigt, auch nicht durch den Wasserstoff.
Ob die unterirdische Methanisierung auch in der Schweiz möglich ist, untersuchten die Forschenden des geologischen Instituts der Universität Bern. Sie analysierten bestehende Daten von Tiefenbohrungen im Schweizer Mittelland und konnten so verschiedene geologische Formationen im Untergrund bezüglich ihrer Eignung als natürliche Gasspeicher bewerten. Ihr Fazit lautet: Das geologische Potenzial ist auch vielversprechend.
Die Forschenden haben mehrere interessante Standorte zwischen Bern und dem Zürcher Weinland identifiziert. Um verlässliche Aussagen zu ihrer Eignung zu machen, sind allerdings weitere Abklärungen und Explorationen nötig. Denn der tiefe Schweizer Untergrund ist erst wenig erforscht. Die mutmasslichen Kosten einer Feldexploration bewegen sich in einer Grössenordnung von 40 Mio. Franken pro Standort – ohne Garantie, dass sich die untersuchte Geologie tatsächlich für einen Speicher eignet. Anhand der Erkenntnisse des Projekts lassen sich Gebiete mit mehreren übereinanderliegenden geologischen Schichten mit hohem Potenzial priorisieren.
Eines der Hauptziele des Forschungsprojekts war es, die Wirtschaftlichkeit der unterirdischen Methanisierung und der Speicherung von erneuerbarem Gas zu beurteilen. Die Forschenden der Fachhochschule OST analysierten dazu einerseits den Einfluss verschiedener Kosten- und Preisfaktoren wie Energiepreise, Netzgebühren, Anlagengrösse und jährlicher Betriebsstunden. Andererseits untersuchten sie, welche Skaleneffekte das grosse Volumen unterirdischer Speicher auf die Gestehungs- und Speicherkosten des Methans hat.
Dabei fanden sie heraus: Gegenüber der konventionellen Obertagemethanisierung, wie sie etwa in Power-to-Gas-Anlagen betrieben wird, bringt die Geo-Methanisierung keine wirtschaftlichen Vorteile. Zwar entfallen bei der unterirdischen Methanisierung im Gegensatz zur oberirdischen die Stromkosten. Ein Speicher in der Schweiz benötigt aber höhere Speicherdrücke als die bereits vorhandenen Speicher in Österreich. Die Erzeugung dieses höheren Drucks macht die Geo-Methanisierung so viel aufwendiger, dass die Obertagemethanisierung unter dem Strich günstiger ist.
Ein alternativer Ansatz könnte deshalb darin bestehen, die Untergrundspeicher zwar für die saisonale Speicherung von Wasserstoff zu nutzen, die Methanisierung jedoch konventionell oberirdisch durchzuführen – mit dem Vorteil einer höheren Flexibilität der produzierten Gasmengen. Diese Lösung erweist sich als die kostengünstigste aller untersuchten Varianten und zeigt die Richtung für weitere Untersuchungen auf.
In der Schweiz wird die Wirtschaftlichkeit der unterirdischen Methanisierung und Speicherung noch durch einen weiteren Faktor beeinflusst: Anders als etwa in Österreich bestehen hierzulande keine ausgeförderten Erdgas-Lagerstätten, die als Speicher infrage kommen. Stattdessen müssten in einer Tiefe von 800 bis 1200 Meter sogenannte Aquiferspeicher gefunden und mithilfe von erneuerbarem Gas erst nutzbar gemacht werden. Dieses Kissengas schafft den Speicher, indem es das Wasser im Porenspeicher verdrängt. Das Forschungsteam hat die Kosten dafür berechnet und festgestellt: Sie fallen höher aus als erwartet. Die Schaffung eines neuen Aquiferspeichers in der Schweiz bedingt somit eine substanzielle Investition. Auf den ersten Blick erscheint daher die Umsetzung eines Speichers für erneuerbare Gase im Ausland naheliegender. Zu den Vorteilen dieser Lösung gehören neben den wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch das tiefere Erkundungs- und Betriebsrisiko durch die bestehenden Lagerfelder. Bei passenden regulatorischen Rahmenbedingungen und einem verlässlichen ausländischen Partner spricht also vieles für eine internationale Kooperation.
Dennoch empfiehlt es sich, auch eine Realisierung in der Schweiz weiterhin in Betracht zu ziehen – zumal der Bundesrat derzeit die Einrichtung von einheimischen Speichern für Erdgas, erneuerbare Gase und Wasserstoff prüfen lässt. Der wichtigste Vorteil einer Schweizer Lösung liegt auf der Hand: die hohe Versorgungssicherheit. Allen zwischenstaatlichen Vereinbarungen zum Trotz besteht bei ausländischen Speichern nicht die gleiche Gewissheit, dass das eingespeicherte erneuerbare Gas bei Bedarf auch wirklich zur Verfügung steht und in die Schweiz gelangt – gerade im Fall einer europäischen Mangellage.
Die Gasbranche hat darum bereits in der Vergangenheit auf den Nutzen von Schweizer Gasspeichern hingewiesen und auch geologische Abklärungen dafür gemacht. Konkret wurden jedoch noch keine Projekte realisiert. Bei den Aquiferspeichern für erneuerbare Gase zeigt sich die grösste Herausforderung in der Wirtschaftlichkeit: Solange die Preise fossiler Brennstoffe deren Risiken und externe Kosten nicht oder nur teilweise abbilden und der Versorgungssicherheit kein finanzieller Wert zugeordnet ist, wird es schwierig, Investoren für erneuerbare Speicherprojekte in dieser Grössenordnung zu finden.
Aus wirtschaftlicher Sicht braucht es den politischen Willen, solche Speicher als unentbehrliche Komponente für den künftigen Versorgungsauftrag des Bundes gemäss der Energiestrategie 2050 zu bezeichnen und entsprechend finanziell abzusichern. Als Gegenwert fällt die verlässlich vorhandene, jederzeit ausspeicherbare Energiemenge besonders gross aus. Denn sowohl gegenüber konventionellen Röhrenspeichern für Erdgas als auch gegenüber Pumpspeicherkraftwerken oder Batteriespeichern weisen Aquiferspeicher eine wesentlich höhere Speicherkapazität auf. Die im Projekt betrachtete Maximalvariante wurde auf ein Investitionsbedarf von rund 4,5 Mia. Franken und Produktionskosten von knapp 24 Rappen pro Kilowattstunde berechnet.
Die zentrale Frage lautet also, was der Schweiz die flexible Speicherung erneuerbarer Energien wert ist. Im optimistischsten Fall könnte die Erstbefüllung eines Aquiferspeichers im Jahr 2030 anlaufen. Ob nächste Schritte in diese Richtung unternommen werden sollen, muss also auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene entschieden werden. Wichtige Entscheidungsgrundlagen sind durch das Forschungsprojekt «Underground Sun Conversion – Flexible Storage» nun geschaffen.
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