Vor allem in der Metallverarbeitung und der chemischen Industrie spielen Hochtemperatur-Prozesse eine wichtige Rolle. Mit einem Endenergieverbrauch von aktuell 22 TWh/a stellen diese gemäss den Energieperspektiven 2050+ des Bundesamtes für Energie die aktuell drittgrösste Verbrauchergruppe dar [1]; nach Raumwärme und Mobilität mit aktuell jährlich je rund 60 TWh. Diese industrielle Anwendung zu dekarbonisieren, ist das Ziel des Vereins zur Dekarbonisierung der Industrie (VzDI) mit Sitz in Zug (s. Box unten).
Anlagen zur Erzeugung von industrieller Hochtemperatur-Prozesswärme werden heute verbreitet mit Erdgas betrieben. Das Dekarbonisierungskonzept des VzDI besteht aus einem zweistufigen Ansatz: einem rasch umsetzbaren ersten Schritt mit der Dekarbonisierung von (fossilem) Erdgas und einem zweiten Schritt, bei dem das (fossile) Erdgas durch erneuerbares synthetisches Methan [2] ersetzt wird. Der Begriff der «Dekarbonisierung» von Erdgas bzw. synthetischem Methan ist in diesem Fall wörtlich gemeint, indem der Kohlenstoffanteil des Erdgases bzw. des synthetischen Methans vor der energetischen Nutzung mittels eines Pyrolyseverfahrens abgespalten wird. Dazu muss Energie aufgewendet werden (Fig. 1). Damit kann als Folge bei der energetischen Nutzung erstens die Bildung von CO2 unterbunden werden, und zweitens steht mit dem so hergestellten Kohlenstoff ein Rohstoff zur Verfügung, der – entsprechend aufbereitet – in nicht-energetischen Anwendungen einsetzbar ist.
Wird das fossile Erdgas durch erneuerbares Methan ersetzt, resultieren negative CO2-Emissionen, wie die folgenden Ausführungen zeigen. Dies deshalb, weil die Erzeugung von erneuerbarem synthetischem Methan mit der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre verbunden ist, das dann im Folgenden nicht wieder emittiert, sondern über eine lange Zeit im Boden oder in einem Material eingelagert wird. Negative CO2-Emissionen sind notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Gemäss Bundesrat [3] sind für die Erreichung der Klimaziele in der Schweiz selbst bei vollständigem Verzicht auf fossile Energieträger rund 10 Mio. t an negativen Treibhausgasemissionen erforderlich.
Das Ziel des VzDI-Vorhabens ist zwar die klimafreundliche Erzeugung von Hochtemperatur-Prozesswärme mittels Wasserstoff, die eigentliche Herausforderung ist aber die Weiterentwicklung des Kohlenstoffs in eine werthaltige Ressource. Gelingt dies, kann eine vergleichsweise kostengünstige und nachhaltige Wasserstoffversorgung für Hochtemperaturprozesse realisiert werden. Diese Werthaltigkeit des pyrolytisch erzeugten Kohlenstoffs ist heute nicht gegeben, soll aber im Rahmen von Innovationsvorhaben im VzDI und an der Empa entwickelt werden. Um die potenziell grossen Mengen an Kohlenstoff sinnvoll einsetzen zu können, stehen Märkte mit grossem Materialumsatz im Vordergrund, denn bei breiter Anwendung dieses Ansatzes könnten – alleine in der Schweiz – jährlich mehrere 100'000 t an festem Kohlenstoff produziert werden.
Wasserstoff kommt in der Natur nur in chemisch gebundener Form vor; im Wasser, in der Biomasse oder in Kohlenwasserstoffen. Um Wasserstoff herzustellen, müssen deshalb wasserstoffhaltige Moleküle aufgespalten werden, was Energie erfordert. Heute geschieht das hauptsächlich mittels Dampfreformierung von Erdgas für die Herstellung von industriellem Wasserstoff sowie mittels Wasser-Elektrolyse für die Erzeugung von Wasserstoff für Brennstoffzellen-Anwendungen (z. B. in der Mobilität).
Bei der Dampfreformierung wird Erdgas eingesetzt. Aufgrund des Kohlenstoffanteils im Methan entsteht dabei allerdings CO2. Das Erdgas wird bei Temperaturen von 450–500 °C und einem Druck von 25–30 bar mit Wasserdampf (H2O) in Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff (H2) umgewandelt (partielle Oxidation). Durch eine nachgeschaltete katalytische Stufe bei 800–900 °C wird das Kohlenmonoxid (CO) mit Wasserdampf (H2O) weiter zu Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff (H2) umgewandelt (Wassergas-Shift-Reaktion). Schlussendlich verbleibt auf der Produktseite nur noch Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2).
FĂĽr Brennstoffzellenanwendungen wird Wasserstoff elektrolytisch aus Wasser hergestellt. Elektrolyse-Stacks bestehen aus einem Stapel von Bipolarplatten mit einer Anoden- und einer Kathodenseite, die durch eine protonenleitende Membran voneinander getrennt sind. Um Wasserstoff zu erzeugen, wird flĂĽssiges Wasser an die katalytisch aktive Anode geleitet, wo dieses in Sauerstoff, freie Elektronen und Protonen aufgespalten wird. Die Protonen diffundieren dann durch die Membran an die Kathode, wo sie ĂĽber die Aufnahme von freien Elektronen zu Wasserstoff reduziert werden. Dieses Verfahren weist keine direkten CO2-Emissionen auf.
Beiden Verfahren sind etabliert und industriell verfügbar und werden im Folgenden als Referenzverfahren verwendet. Der Erdgas-zu-Wasserstoff-Wirkungsgrad der Dampfreformierung liegt bei rund 70% [4] und der Strom-zu-Wasserstoff-Wirkungsgrad der Wasser-Elektrolyse bei rund 65%; jeweils bezogen auf den Heizwert [3, 4]. Diese Wirkungsgradangaben decken lediglich die direkte Erzeugung von Wasserstoff ab, ohne die vorgelagerten Ketten zu berücksichtigen. Berücksichtigt man diese, stellt sich bei der Erdgas-Dampfreformierung (inkl. Verflüssigung und Rückvergasung) ein Primärenergie-zu-Wasserstoff-Wirkungsgrad von 57% ein (s. «Dekarbonisierung von Erdgas»). Nimmt man für die Wasser-Elektrolyse den aktuellen Wirkungsgrad der Stromproduktion in der Schweiz mit 68% an [5], resultiert für die Wasser-Elektrolyse ein Primärenergie-zur-Wasserstoff-Wirkungsgrad von 44% – dieser niedrige Wert resultiert insbesondere aufgrund des geringen Wirkungsgrads der Kernenergie. Kann diese in Zukunft wie geplant grösstenteils durch Photovoltaik und Stromspeichertechnologien ersetzt werden, erhöht sich der Primärenergie-zu-Wasserstoff-Wirkungsgrad der Wasser-Elektrolyse entsprechend auf 50–55% (Wirkungsgrade der Photovoltaik nicht berücksichtigt).
Die Methan-Pyrolyse als neue Möglichkeit zur Wasserstofferzeugung steht an der Schnittstelle zur Industrialisierung mit erster industrieller Umsetzung zur Herstellung von Carbon Black für die Reifenindustrie [5]. Bei diesem Verfahren erfolgt die Aufspaltung von Methan bei hohen Temperaturen unter Ausschluss von Luftsauerstoff, was als «Pyrolyse» bezeichnet wird (Fig. 1). Weil sich das Methan-Molekül aufgrund der geringen molekularen Bindungskräfte für eine Aufspaltung gut eignet. Diese sind mit 75 kJ/Mol wesentlich geringer als bei flüssigem Wasser mit 286 kJ/Mol. Der grosse Vorteil der Methan-Pyrolyse liegt darin, dass der Kohlenstoff nicht in Form von gasförmigem CO2, sondern als Feststoff in Form eines Kohlenstoffpulvers abgeschieden wird. Damit kann dieser für weitere nicht-energetische Anwendungen aufgearbeitet werden. Der energetische (elektrische) Aufwand für die Aufspaltung des Methans liegt heute über 20 kWhel/kgH2, soll aber durch Optimierung des Gesamtprozesses bis zur Produktebene auf 15 kWhel/kgH2 gesenkt werden. Für die nachfolgenden Berechnungen wird von einem Stromverbrauch von 15 kWhel/kgH2 ausgegangen. Das bedeutet, dass für die pyrolytische Erzeugung von Wasserstoff drei- bis viermal weniger Strom verbraucht wird, als bei der Wasser-Elektrolyse. Allerdings fällt bei der Pyrolyse zusätzlich die im festen Kohlenstoff abgeschiedene Energie weg, was ungefähr einem Drittel der im Erdgas enthaltenen Energie entspricht. Berücksichtigt man den Stromverbrauch für die Abspaltung des Kohlenstoffs und den Energiegehalt des abgespaltenen Kohlenstoffs, resultiert für die Erdgas-Pyrolyse ein Wirkungsgrad mit Berücksichtigung der vorgelagerten Prozesse von 40% (s. «Dekarbonisierung von Erdgas»).
Für die Aufspaltung des Methans können verschiedene Verfahren eingesetzt werden. Das können rein thermische Verfahren sein, bei denen das Methan auf über 1500 °C aufgeheizt wird; beispielsweise in einem entsprechend aufgeheizten Rohr oder in Flüssigmetallreaktoren. Die Pyrolysetemperatur kann dabei durch Katalysatoren um einige 100 °C gesenkt werden. Ein weiteres Verfahren stellt die Plasmafackel dar, bei der das Methan durch einen elektrischen Lichtbogen geleitet und auf sehr hohe Temperaturen aufgeheizt wird. Das im Folgenden beschriebene und im VzDI voraussichtlich zum Einsatz kommende Verfahren basiert auf der Spaltung des Methans in einem nicht-thermischen Plasma. In einem nicht-thermisches Plasma unterscheiden sich die Temperaturen der Gasteilchen (Elektronen, Ionen, Neutronen) voneinander, bzw. befinden sich nicht in einem Gleichgewicht. Konkret heisst dies, dass die Gastemperatur niedrig sein kann, während die Elektronentemperatur hoch ist [7, 8]. In diesem Temperaturunterschied liegen denn auch wichtige Wirkungsgradpotenziale. Gelingt es, nur die Elektronentemperatur zu erhöhen, um die Methanmoleküle zu spalten, ohne gleichzeitig die Temperatur der anderen Gasteilchen zu erhöhen, könnten Effizienzgewinne erschlossen werden.
Technisch wird die Plasma-Pyrolyse so ausgeführt, indem mittels eines Mikrowellengenerators (Fachbegriff: Magnetron) ein elektromagnetisches Feld erzeugt wird, das in einem als «Waveguide» bezeichneten Resonanzkanal verdichtet und in die sogenannte Plasmaquelle geleitet wird. Die Plasmaquelle ist der Raum, in den das Erdgas bzw. Methan eingedüst wird und wo sich dann das Plasma wie folgt ausbildet: Das verdichtete elektromagnetische Feld setzt die Elektronen der Kohlenstoff- und Wasserstoffatome der Methanmoleküle in Schwingung und führt als Folge zu Kollisionen zwischen Gasatomen und Molekülen, was zuerst die am schwächsten gebundenen Elektronen abspaltet. Ist die Energiezufuhr im elektromagnetischen Feld ausreichend hoch, kann das zugeführte Methan in einen Gaszustand aus negativ geladenen Elektronen und positiv geladenen Ionen überführt werden [9], was als Plasma bezeichnet wird.
Die mikrowellenbasierte Plasma-Pyrolyse kann vergleichsweise schnell ein- und ausgeschaltet werden, weshalb sie sich auch für die dezentrale oder Onsite-Produktion von Wasserstoff eignet, beispielsweise direkt beim Hochtemperaturprozess. Sie kommt ohne Katalysatoren oder kritische Materialien aus, was die Ökobilanz entlastet und was aufgrund der Neigung von Kohlenstoff zur Ablagerung auf Oberflächen sowie der Gefahr von Vergiftungen der Katalysatoren durch schwefelhaltige Verbindungen im Erdgas von Vorteil ist. Sie erfordert zudem nur eine vergleichsweise einfache Produktgasaufbereitung. Die plasma-pyrolytische Aufspaltung von Methan wird bereits seit langem erforscht [10]. Der Wasserstoffertrag wird in Laborstudien [11,12] mit 90–170 gH2/kWhel angegeben, was einem Stromverbrauch von 5,9–13,5 kWhel/kgH2 entspricht.
Die direkte Nutzung von Erdgas für die Erzeugung von 1 MWhth Hochtemperatur-Prozesswärme verursacht einen Primärenergiebedarf von 1,2 MWhLHV und erzeugt CO2e-Emissionen von 288 kg (Fig. 2). 80% dieser Emissionen entstehen am Ort der energetischen Nutzung und 20% bei der Energiebereitstellung. Angenommen wurde eine Gasförderung im Mittleren Osten mit Verflüssigung, Transport auf dem Wasserweg und Rückvergasung in Europa. Die zu Grunde liegenden Annahmen sind in der Legende zu Figur 2 aufgeführt. Dieses Szenario dient als Referenz für die nachfolgenden Vergleiche. Die CO2e-Emissionsfaktoren basieren auf der Well-to-Wheel-Studie des JRC, Eucar und Concawe (JEC) [13]. Dabei wurde ein Methanschlupf von insgesamt 1,9% angenommen sowie ein energetischer Aufwand für die Bereitstellung von Erdgas in der Schweiz von 1,10 MWhLHV/MWhth, davon 20% beim Transport und 80% bei der Förderung und Verflüssigung bzw. 1,12 MWhLHV/MWhth inklusive Berücksichtigung der Methanverluste.
Wird das Erdgas vor der energetischen Nutzung dekarbonisiert, indem der Kohlenstoff mittels Pyrolyse abgespalten und nur der dabei entstandene Wasserstoff für die Erzeugung von Hochtemperatur-Prozesswärme genutzt wird, können die CO2e-Emissionen insgesamt um 40% auf 178 kg gesenkt werden (Fig. 3). Der Primärenergiebedarf an Erdgas steigt dabei um 60% auf 1,9 MWhLHV an. Wird der für die Pyrolyse benötigte Strom (Annahme: 15 kWhel/kgH2) in der heutigen Stromerzeugungskette mit einem Gesamtwirkungsgrad von 68% berücksichtigt, so erhöht sich der Primärenergiebedarf gegenüber der direkten Erdgasnutzung um 110% auf 2,6 kWhLHV.
Bei der Erdgas-Dampfreformierung resultiert ein Primärenergiebedarf von 1,8 MWhLHV/MWhth und Treibhausgasemissionen von 411 kgCO2e/MWhth (Fig. 4). Damit resultiert für die Dekarbonisierung eines Hochtemperaturprozesses ein um 40% erhöhter energetischer Aufwand und eine um 40% erhöhte Treibhausgasemission.
Bei der Wasser-Elektrolyse mit aktuellem Verbraucher-Strommix resultiert ein Primärenergiebedarf von 2,3 MWh und Treibhausgasemissionen von 200 kg (Fig. 5). Der Emissionsfaktor für die Stromerzeugung wurde mit 0,13 kgCO2/kWhel angenommen [14]. Im Vergleich zur direkten Erdgasnutzung resultiert ein um 70% höherer Primärenergiebedarf und eine um 30% geringere Treibhausgasemission.
Die pyrolytische Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas führt im Vergleich zu den anderen hier vorgestellten Verfahren zu den niedrigsten Treibhausgasemissionen, trotz höchstem Primärenergiebedarf. Die Treibhausgasemissionen sind sogar noch etwas niedriger als bei der Wasser-Elektrolyse mit aktuellem schweizerischem Verbraucherstrommix.
Wird anstelle von fossilem Erdgas erneuerbares synthetisches Methan eingesetzt, können die CO2e-Emissionen weiter reduziert werden. Allerdings steigt damit der Primärenergiebedarf weiter an; die folgenden Berechnungen basieren für auf einem Strom-zu-Methan-Wirkungsgrad von 48% (heizwertbasiert). Dazu kommt, dass die Bereitstellung von Wasser für die Elektrolyse und von CO2 für die Methanisierung mit einem energetischen Aufwand verbunden ist. Hier wurde angenommen, dass sowohl das Wasser wie auch das CO2 mittels Direct Air Capturing (DAC) aus der Atmosphäre bezogen werden kann; mit einerseits einem elektrischen Aufwand von 1 MWhel/tCO2 sowie von Abwärme der Elektrolyse- und Methanisierungsanlage von 1,5 MWhth/tCO2.
Aufgrund des hohen elektrischen Aufwands ist es deshalb wichtig, dass synthetische Energieträger abseits einer direkten Stromnutzungsmöglichkeit erzeugt werden. Für die folgenden Berechnungen wurde angenommen, dass das synthetische Methan im Sonnengürtel der Erde produziert wird, wo im Vergleich zur Schweiz pro Quadratmeter eine rund doppelt so hohe Sonneneinstrahlung erfolgt. Der energetische Aufwand für die Verflüssigung und Rückvergasung wurde mit 10% des verflüssigten Methans angenommen.
Bei der direkten energetischen Nutzung von synthetischem Methan wird zwar auch CO2 emittiert, allerdings nur so viel, wie der Atmosphäre vorgängig für die Herstellung entzogen wurde. Dieser (innere) Kreis ist somit geschlossen und CO2-neutral. Allerdings verbleiben nach wie vor Methanverluste, die bei dieser Berechnung als gleich hoch wie bei der Erdgasversorgung angenommen wurden. Zudem ist die Herstellung von PV- und Windkraftanalgen zur Stromproduktion in Wüstenregionen mit CO2-Emissionen verbunden. Als CO2-Footprint für die Stromerzeugung im Sonnengürtel (je 50% mittels Photovoltaik und Windenergie) ein Wert von 0,025 kg/kWhel angenommen. Berücksichtigt man diese beiden Emissionsquellen, resultiert bei der direkten Nutzung von synthetischem Methan für die Erzeugung von 1 MWhth an Hochtemperatur-Prozesswärme ein Primärenergiebedarf von 3,5 MWhel und eine Treibhausgas-Emissionen von 126 kgCO2e (Fig. 6). Im Vergleich zur direkten Nutzung von Erdgas werden die Treibhausgasemissionen dabei nur um knapp 60% reduziert.
Die Pyrolyse von synthetischem Methan erhöht den Primärenergiebedarf zwar weiter auf 6,2 MWhel, führt aber unter den genannten Annahmen zu negativen Treibhausgasemissionen von –77 kgCO2e, was einer Treibhausgas-Minderung von –127% entspricht (Fig. 7). Der energetische Aufwand für diese Variante der Dekarbonisierung industrieller Hochtemperatur-Prozesse ist ohne Zweifel sehr hoch, da in Wüstenregionen jedoch keine energetischen Engpässe drohen, der Treibhausgas-Minderungsdruck aufgrund der Klimaproblematik jedoch sehr hoch ist, sollte diesem die höchste Priorität eingeräumt werden.
Die Dampfreformierung von synthetischem Methan führt mit 5,0 MWhel im Vergleich zur Methan-Pyrolyse zwar zu einem knapp 20% geringeren Primärenergiebedarf, allerdings zu 60% höheren Treibhausgasemissionen als die direkte Nutzung von synthetischem Methan
(Fig. 8). Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass solche Anlagen auch mit einer CO2-Abscheideanlage versehen werden können, mit denen die direkten CO2-Emissionen um bis über 80% gesenkt werden können. Dabei muss allerdings mit einem um 10% erhöhten energetischen Verbrauch gerechnet werden, auch muss ein Transportsystem verfügbar sein, mit dem die abgeschiedenen CO2-Emissionen ins Ausland für eine Mineralisierung verschoben werden können, was mit zusätzlichen Energieaufwand und Emissionen verbunden ist. Wird diese CO2-Abscheidung berücksichtigt, können auch hier negative CO2-Emissionen resultieren, allerdings in geringerem Masse als bei der Pyrolyse von synthetischem Methan.
Die Bereitstellung von elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff für Hochtemperatur-Prozesse basierend auf erneuerbarer Elektrizität führt dank steigendem Wirkungsgrad im Vergleich zur aktuellen Verbraucher-Strommix zu einem sinkenden Primärenergiebedarf (Wirkungsgrad von PV- und Windkraftanlagen nicht berücksichtigt) von 1,9 MWhPrimärenergie und Treibhausgasemissionen von 62 kgCO2e. Dabei wurde angenommen, dass der aktuelle Emissionsfaktor für Verbrauchs-Strommix von 0,13 kgCO2e/MWhel auf 0,04 kgCO2/kWhel gesenkt werden kann. Im Bereich der erneuerbaren (chemischen) Energie stellt dies zwar den effizientesten Pfad dar, aber nicht derjenige mit den niedrigsten Treibhausgasemissionen (Fig. 9).
Die Zusammenfassung der hier vorgestellten Verfahren zur Dekarbonisierung industrieller Hochtemperaturprozesse zeigt, dass der Primärenergiebedarf bei sinkenden Treibhausgasemissionen ansteigt (Fig. 10). Die Analyse zeigt, dass die Dampfreformierung ohne CO2-Abscheidung, -Transport und -Speicherung selbst bei Verwendung von erneuerbarem synthetischen Methan gegenüber der direkten Nutzung von fossilem Erdgas keine wesentliche Treibhausgas-Reduktion ermöglicht. Wie hoch diese mit CO2-Abscheidung-, -Transport und -Speicherung ausfällt, ist von mehreren Faktoren abhängig, die hier nicht dargestellt werden können.
Die Dekarbonisierung mittels elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff führt nur unter Verwendung von erneuerbarer Elektrizität zu einer signifikanten Minderung der Treibhausgasemissionen. Wird der aktuelle schweizerische Verbraucher-Strommix eingesetzt, resultiert gegenüber der direkten Nutzung von fossilem Erdgas ebenfalls nur eine mässige Minderung der Treibhausgasemissionen. Erst in Verbindung mit erneuerbarer Elektrizität, die in der Schweiz im Winterhalbjahr auf absehbare Zeit noch nicht ausreichend verfügbar ist, resultiert eine vergleichsweise hohe Minderung der Treibhausgasemissionen. Mit der Wasserelektrolyse sind ohne weitere Massnahmen allerdings keine negativen Emissionen darstellbar. Zudem stellt die Elektrolyse aufgrund der hohen Investitionskosten typischerweise das teuerste Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff dar.
Negative Treibhausgasemissionen über der gesamten Kette werden nur mit der Pyrolyse von synthetischem Methan erreicht. Die Kosten bleiben auch bei diesem Ansatz die grosse Herausforderung. Deshalb fokussiert sich der Verein zur Dekarbonisierung der Industrie (VzDI) und die Empa auf die Weiterentwicklung des abgetrennten Kohlenstoffs in werthaltige Rohstoffe mit einem hohen Marktbedarf. Können auf der Erlösseite neben dem Wasserstoff auch der Kohlenstoff und die negativen Emissionen verbucht werden, könnte nach einer Einführungsphase mit höheren Kosten eine vergleichsweise kostengünstige und schnell umsetzbare Lösung für die Dekarbonisierung industrieller Hochtemperaturprozesse vorliegen.
[1] Bundesamtes fĂĽr Energie (2021): Energieperspektiven 2050+, Technischer Bericht des BFE
[2] Bach C. et al. (2021): Sorptionsverstärkte Methanisierung – neue Anlage im Mobilitätsdemonstrator «move» der Empa; Aqua & Gas 3
[3] Bundesamt fĂĽr Energie (2022): Energieperspektiven 2050+, Exkurs Wasserstoff: Hintergrund zum Einsatz in den Szenarien der Energieperspektiven 2050+
[4] Öko-Institut e.V. (2020): Wasserstoff sowie wasserstoffbasierte Energieträger und Rohstoffe;
[5] Schweizerische Gesamtenergiestatistik 2021
[6] https://monolithmaterials.com/news/monolith-materials-to-build-large-scale-carbon-free-ammonia-plant
[7] Meschede, D. (2015): Gerthsen Physik; Springer Verlag Berlin Heidelberg
[8] Lee, D.H. (2015): Hydrogen production via the Kværner process and plasma reforming; Compendium of Hydrogen Energy
[9] https://www.scinexx.de/dossierartikel/vom-gas-zum-plasma/
[10] Vurzel, F.B.; Polak, L. S. (1970): Plasma Chemical Technology – The Future of the Chemical Industry; Applied Plasma Chemistry
[11] Jasinski, M. et al. (2008): Production of hydrogen via methane reforming using atmospheric pressure microwave plasma; Journal of Power Sources
[12] Fulchieri, L.; Schwob, Y. (1995): From methane to hydrogen, carbon black and water; International Journal of Hydrogen Energy
[13] JEC WtW 5.0
[14] https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fragen-antworten.html#1369861967
Der VzDI besteht aus Tech Cluster Zug und Empa als den Initiatoren sowie Accelleron, AMAG, AVAG, Kanton Zug, Holcim, Metall Zug, Partners Group, SHL Medical, Siemens, Sika, Sulzer, Swiss Safety Center, V-ZUG, VZ Depotbank und WWZ. Der Verein beabsichtigt, in den kommenden Jahren eine industrielle Demonstrationsanlage im Tech Cluster Zug aufzubauen, in der Methan mittels Pyrolyse in die Bestandteile Wasserstoff und festen Kohlenstoff aufgespaltet wird. Der so erzeugte Wasserstoff soll das bisherige fossile Erdgas in den Emaillierungsöfen der V-ZUG ersetzen. Für den festen bzw. pulverförmigen Kohlenstoff werden Anwendungen in der Bau- und Landwirtschaft entwickelt und validiert – beispielsweise als Beimischung in Baustoffen oder Anreicherung von Humus. Das Besondere an diesem neuen Ansatz: Verwendet man für die Pyrolyse anstelle von fossilem Erdgas erneuerbares Biogas oder synthetisches Methan, resultieren insgesamt negative CO2-Emissionen. Der VzDI verfolgt deshalb auch die Verfügbarkeit von Biogas und die Anstrengungen zur Produktion von synthetischem Methan sehr genau.
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