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Fachartikel
28. Juli 2021

Wasserstoff

H₂-Einspeicherung mit bestehenden Erdgasverdichtern

Bei einem steigenden Anteil von Wasserstoff in Erdgasnetzen verändert sich durch die unterschiedlichen Schallgeschwindigkeiten das Pulsations- und Schwingungsverhalten in den Rohrleitungen. Pulsationsstudien können bereits im Vorfeld mögliche Probleme aufdecken. Parallel kann eine kontinuierliche Überwachung der Anlage die schwingungstechnische Sicherheit signifikant erhöhen. Zur Speicherung und Verdichtung von Wasserstoff entwickelt sich damit eine neue Ära der Kolbenverdichter: Während Turboverdichter starken technischen Einschränkungen unterliegen, weisen Kolbenverdichter klare Vorteile auf.
Johann Lenz, Patrick Tetenborg, 

Im Zuge der Umstellung auf nachhaltige Energieträger wird Wasserstoff zunehmend als Lösung favorisiert. Wasserstoff ist das chemische Element mit der geringsten Atommasse. Unter Bedingungen, die normalerweise auf der Erde herrschen, kommt nicht der atomare Wasserstoff H vor, sondern der molekulare Wasserstoff H2 als geruchloses Gas.
Mit der nationalen Wasserstoffstrategie bekennt sich die deutsche Bundesregierung zu einer vielfältigeren Anwendung von Wasserstoff [1]. Der Einsatz eröffnet ein hohes Potenzial zur Minderung von Treibhausgasemissionen und soll in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Das über 500'000 Kilometer lange Erdgasnetz Deutschlands und die existierenden Erdgasspeicher bieten hierbei günstige Transport- und gewaltige Speichermöglichkeiten [2]. Doch zur Umsetzung dieses Ansatzes müssen zuvor zahlreiche technische Fragen geklärt werden. Im nachfolgenden Beitrag geht es im Speziellen um die Verdichtung des Wasserstoffes mit bestehenden Verdichterstationen.

Verdichtung von Wasserstoff mit Turboverdichtern

Grundsätzlich wird im Bereich bestehender Erdgasverdichter zwischen Turbo- (Strömungsmaschinen) und Kolbenverdichtern (Verdrängermaschinen) unterschieden. Allerdings ist der Einsatz von Turboverdichtern für Wasserstoff aus strömungstechnischer Sicht nicht ohne Weiteres möglich. Vergleicht man die Grundeigenschaften von Erdgas und Wasserstoff, fallen neben der unterschiedlichen Dichte insbesondere die Unterschiede bei den Schallgeschwindigkeiten auf.
Eine Verdichtung von Wasserstoff mit einem Turboverdichter ist nur dann möglich, wenn die Schallgeschwindigkeitsdreiecke am Laufradeintritt und -austritt gleichbleiben (Mach’sche Ähnlichkeit). Für reinen Wasserstoff wären demnach ein viermal grösserer Durchsatz sowie eine viermal höhere Drehzahl (Umfangsgeschwindigkeit) erforderlich. Dieses ist für bestehende Turboverdichter-Anlagen kaum zu realisieren. Aus diesem Grund werden bei einer Druckerhöhung von Wasserstoff Kolbenverdichter favorisiert.

Verdichtung von Wasserstoff mit Kolbenverdichtern

Im Vergleich zu Turboverdichtern ermöglicht das Verdichtungsprinzip von Kolbenverdichtern eine vom Fördermedium näherungsweise unabhängige Einsatzmöglichkeit. Dennoch werden beim Umstieg auf ein anderes Fördermedium der Verdichter die Pulsationsdämpfer sowie das Rohrleitungs- beziehungsweise Speichersystem mit gänzlich anderen Stoffeigenschaften konfrontiert. Diese haben einen wesentlichen Einfluss auf das Pulsationsverhalten der gesamten Anlage und können dadurch zu einem veränderten Schwingungsverhalten führen. Es stellt sich die Frage, inwiefern ein Erdgasverdichter aus dynamischer Sicht für Wasserstoff genutzt werden kann. Nachfolgend wird ein empfohlener Weg skizziert.

Pulsationstechnische Aspekte an Kolbenverdichteranlagen

Der Kolbenverdichter kann aufgrund seiner oszillierenden Arbeitsweise in verschiedenen Betriebsbereichen bei nahezu beliebigen Druckverhältnissen eingesetzt werden. Er überzeugt dabei insbesondere durch seine Robustheit und den ausgezeichneten Wirkungsgrad. Nachteilig zeigen sich hingegen der hohe Instandhaltungsaufwand sowie die dynamischen Kräfte, die zu erhöhten Schwingungen führen können.
Um Schwingungen bereits in der Planungsphase zu vermeiden, werden im Vorfeld Berechnungen in Form von Pulsationsstu­dien durchgeführt, die unter anderem Aufschluss über die Auslegung und Dimensionierung von Pulsationsdämpfern geben. Diese werden möglichst nahe an die Zylinderflansche installiert und ermöglichen eine erste signifikante Reduktion der Druckpulsationen.

Einflüsse von Wasserstoff auf das Pulsationsverhalten von Kolbenverdichtern

Die Nutzung von Wasserstoff hat zahlreiche physikalische Einflüsse auf das Pulsationsverhalten von Kolbenverdichtern (Fig. 1). Der Verdichtungsvorgang sowie das Ansaugen in und Ausschieben aus der Arbeitskammer lassen sich dem eigentlichen Arbeitsprinzip des Verdichters zuordnen. Die Veränderung der Akustik des Pulsationsdämpfers sowie der Einfluss auf die Rohrleitungsakustik beschreiben wiederum die resultierende Interaktion des Verdichters mit der Anlage.

Verdichtungsvorgang

Die wesentliche Änderung während der Verdichtung in der Arbeitskammer eines jeden Kompressors ist der deutlich steilere Druckanstieg in Abhängigkeit vom Kammervolumen. Dieser resultiert aus dem stoffspezifischen Isentropenexponenten. Aufgrund der sehr schnellen Verdichtung in der Arbeitskammer kann hier von einem isentropen Vorgang ausgegangen werden. Bei gleichem Kammervolumen zu Beginn der Verdichtung wird der Enddruck deutlich schneller erreicht, welches formal über die Isentropenbeziehung betrachtet werden kann:

Anhand der Gleichung wird deutlich, dass bei grösseren Isentropenexponenten und gleichem Druckverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt der Enddruck im Kammervolumen erreicht wird. Dieser Effekt tritt gleichermassen auch bei der Expansion nach Beendigung des Ausschiebens auf. Der Umstieg auf Wasserstoff führt somit zu einem grösseren Volumenstrom gegenüber dem Betrieb mit Erdgas. Dieser Effekt ist jedoch nebensächlich, wenn man die Relation der beiden Stoffdichten berücksichtigt, die sich je nach Zustand etwa um den Faktor 9 unterscheiden. Daraus resultiert ein deutlich niedrigerer Fördermassenstrom.

 

Ansaugen /Ausschieben

Die Änderungen während der eigentlichen Verdichtung in der Arbeitskammer haben auch Auswirkungen auf den Ansaug- und Ausschiebevorgang. In Figur 1 (oben rechts) ist der druckseitige Ausschiebevorgang anhand der Strömungsgeschwindigkeit in Abhängigkeit des Kurbelwinkels dargestellt. Dabei wird deutlich, dass die Verdichterventile bei dem Betrieb mit Wasserstoff etwas früher öffnen, da der Enddruck eher erreicht wird. Auf der Saugseite gelten dieselben Zusammenhänge, wodurch sich die akustische Anregung durch den Ansaug- oder Ausschiebeprozess verändert. Diese wiederum beeinflussen einzelne höherharmonische Komponenten deutlich.
Dieser Effekt hat einen positiven Einfluss auf das Pulsationsniveau. Die deutlich niedrigere Schallimpedanz (Produkt aus Schallgeschwindigkeit und Dichte des Mediums) führt zu niedrigeren Druckschwankungen bei gleichbleibenden Geschwindigkeitsschwankungen. Während die induzierten Geschwindigkeitsschwankungen also aufgrund des ähnlichen Volumenstroms auf einem gleichartigen Niveau bleiben, sind die induzierten Druckschwankungen hier niedriger.

Pulsationsdämpfer

Die Auslegung der Pulsationsdämpfer entscheidet massgeblich über das schwingungstechnische Betriebsverhalten einer Kolbenverdichteranlage. Daher werden diese in der Regel individuell für den jeweiligen Prozess ausgelegt und gefertigt. Eine wichtige Einflussgrösse ist dabei die Schallgeschwindigkeit des Fördermediums. Daher ist es unabdingbar zu prüfen, welches Pulsationsverhalten sich beim Betrieb mit Wasserstoff einstellt.
In Figur 1 (unten links) ist exemplarisch die Dämpferwirkung für einen hochwertigen Pulsationsdämpfer in Zwei-Kammer-Bauweise mit dazwischen liegendem «Choke-Tube» dargestellt. Diese Bauform wird häufig für Erdgasverdichter gewählt. Wird derselbe Verdichter nun jedoch mit Wasserstoff betrieben, verschiebt sich die akustische Einfügungsdämpfung aufgrund der höheren Schallgeschwindigkeit. Infolgedessen wird die Ausstossfrequenz nun deutlich weniger stark gedämpft, was unmittelbar zu erhöhten Schwingungen führt.

Rohrleitungsakustik

Die aus dem Pulsationsdämpfer austretenden Pulsationen treffen anschliessend auf das Rohrleitungssystem, in dem sogenannte «akustische Resonanzen» auftreten können. Eine akustische Resonanz tritt immer dann ein, wenn die Länge eines akustischen Rohrleitungsabschnitts und die Anregungsfrequenz einer Erregerquelle unter Berücksichtigung der Schallgeschwindigkeit in einem konkreten Verhältnis zueinander stehen. Ein geschlossener Rohrleitungsabzweig wird in diesem Kontext als «akustisch geschlossen» bezeichnet, während ein Rohrleitungsanschluss an einem Behälter einem «akustisch offenen» Ende entspricht.
In Figur 1 (unten rechts) wird deutlich, dass in Rohrleitungsabschnitten üblicherweise eine Vielzahl von akustischen Resonanzen auftreten kann. Der wesentliche Unterschied zwischen der Lage der Resonanzfrequenz bei Erdgas und Wasserstoff resultiert erneut aus den stark unterschiedlichen Schallgeschwindigkeiten. Zusätzlich zeigt sich, dass die bei der Planung von Bestandsanlagen zur Dämpfung akustischer Resonanzen installierten Drosselelemente (in der Regel einfache Blenden oder Pulsationsdämpferplatten) einen deutlich niedrigeren Dämpfungseinfluss besitzen. Dadurch treten Resonanzeffekte beim Förderfluid Wasserstoff stärker hervor als beim Betrieb mit Erdgas.

Bibliographie

[1] Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung zu einer vielfältigeren Anwendung von Wasserstoff (https://www. bmu.de/download/nationale-wasserstoffstrategie/)
[2] Bick, D. S.; Schmüker, A. (2020): H2-Tauglichkeit des Ferngasnetzes der Open Grid Europe – Status, erforderliche Anpassungen und Fahrplan zur Umsetzung. Tagungsband zum 34. Oldenburger Rohrleitungsforum

 

 

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