Rund 14% der Energie, die in der Schweiz im Jahr 2017 verbraucht wurden, stammten aus Gas. Der überwiegende Teil des verbrauchten Gases war Erdgas und damit fossilen Ursprungs. Hinzu kommt Biogas (einschliesslich Klärgas) aus biogenen Ressourcen wie Klärschlamm und anderen Abfällen von Industrie, Haushalten und Landwirtschaft einschliesslich Gülle und Mist. Der Anteil des Biogases am Schweizer Gaskonsum ist mit 1,5% noch relativ gering, nimmt aber seit Jahren stetig zu. Dabei hat sich die Verwendung des inländischen Biogases in den letzten zehn Jahren verschoben. Immer mehr Biogas wird zu Biomethan aufbereitet und dann ins Erdgas-Netz eingespeist oder auch direkt genutzt (z.B. zur Betankung von Gasautos). Gut 1000 Terajoule (TJ) Biomethan werden heute (2017) auf diesem Weg genutzt. Zum Vergleich: Aus der Verstromung von Biogas und der Umwandlung in Wärme werden pro Jahr jeweils knapp 1200 TJ gewonnen.
Die Gründe für diesen Trend der letzten Jahre erläutert Sandra Hermle, im Bundesamt für Energie für das Forschungsprogramm Bioenergie zuständig: «Die verstärkte Einspeisung von Biomethan erklärt sich zum einen dadurch, dass mit dem Wegfall der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) die Verstromung von Biogas an Attraktivität verliert. Hinzu kommt das von der Schweizer Gasindustrie postulierte Ziel, im Wärmemarkt bis 2030 einen Anteil von 30 Prozent an erneuerbarem Gas zu haben.»
Während Erdgas fast vollständig aus dem Energieträger Methan (CH4) besteht, liegt der Methan-Anteil in Biogas bei rund 60%. Aufgrund des substantiellen Kohlendioxid (CO2)-Anteils kann Biogas aus Klär- oder Biogasanlagen nicht ohne weiteres ins Netz eingespeist oder in Gasautos getankt werden, sondern muss zuerst zu reinerem Biomethan «veredelt» werden. Dabei wird das im Biogas enthaltene CO2 mit einem Reinigungsverfahren wie z.B. Druckwechseladsorption, physikalische oder chemische Wäschen soweit abgeschieden, dass praktisch reines Methan (Methangehalt > 96%) übrig bleibt. Die Herstellung von einspeisefähigem bzw. für die Betankung von Biogas-Autos geeignetem Biomethan geschieht in der Schweiz bisher hauptsächlich in über 24 Kläranlagen und neun Vergärwerken. Mit entsprechenden Aufbereitungsanlagen stellen sie Methan her, das chemisch mit Erdgas identisch ist, aber nicht fossilen, sondern biogenen Ursprungs ist und damit als «erneuerbares Methan» bzw. als «Biomethan» bezeichnet werden kann (vgl. BFE-Fachartikel «Alles nutzen, was im Klärgas steckt», abrufbar unter www.bfe.admin.ch/CT/biomasse).
Für die Aufbereitung von Biogas zu Biomethan in grossen Mengen (300 bis 3000 Nm3/h) stehen etablierte Verfahren bereit. Ueli Oester, ein an der ETH Zürich ausgebildeter Maschinenbauingenieur, hat sich vor Jahren zum Ziel gesetzt, hierzu eine Alternative zu entwickeln. «Da in der Schweiz örtlich vergleichsweise kleine Biogas-Mengen anfallen, brauchen wir hier kleine, dezentral einsetzbare Aufbereitungsanlagen mit Produktionskapazitäten von 20 bis 100 Nm3/h», sagt Oester, der sich früher als Abteilungsleiter und Ingenieur bei der Sulzer-Burckhardt AG und als Geschäftsführer der Nachfolgefirma GreenField AG mit dem Bau von Erdgas-Tankstellen befasste. Seit 2003 erbringt er mit der Firma Apex AG Serviceleistungen für rund die Hälfte der 150 Schweizer Erdgas-Tankstellen.
In den letzten zehn Jahren ist Ueli Oester seinem Ziel Schritt für Schritt nähergekommen: Nach einer Vorbereitungsphase nahm er im Herbst 2013 mit BFE-Unterstützung auf einem Bauernhof in Reiden (LU) und bei einer Vergärungsanlage in Bachenbülach (ZH) zwei keine Pilotanlagen in Betrieb, die Biogas in einem Membran-Verfahren (vgl. Box 1) zu Biomethan veredeln: Die Luzerner Membran-Aufbereitungsanlage (1,5 Nm3/h Biomethan) liefert bis heute Biomethan zur Betankung von Gasfahrzeugen, die Züricher Anlage (15 Nm3/h Biomethan) speist Biomethan in ein Gasnetz von Energie 360° (vgl. BFE-Fachartikel «Beim Bauern Biomethan tanken», abrufbar unter www.bfe.admin.ch/CT/biomasse).
Beide Anlagenkonzepte – Betankung von Gasautos und Netzeinspeisung – hat Oester seither weiterentwickelt. Seit Mai 2016 ist in Schönenwerd (SO) eine Anlage mit einer Produktionskapazität von 12 Nm3/h Biomethan praktisch störungsfrei in Betrieb, die das Biogas der Abwasserreinigungsanlage (ARA) aufbereitet und zugleich als Biomethan-Tankstelle dient. Das Biomethan kann aus 300 bar-Speicherflaschen zur Betankung von Personenwagen genutzt werden. Die Tankstelle ist halb-öffentlich: Tankkunden müssen sich bei der Apex AG registrieren und enthalten dann einen Badge, mit dem sie tanken können. Da die Tankstelle nur für registrierte Personen zugänglich ist, konnte sie in Absprache mit den zuständigen Behörden vereinfacht und damit günstiger gebaut werden: Die Tankmengen werden mit einem geeichten Coriolis-Massendurchfluss-Messer erfasst, das Biomethan nicht odoriert.
Die Anlage würde für die Betankung von täglich rund zehn Autos mit einer Reichweite von jeweils 300 bis 400 km reichen, was einer kleineren Schweizer Erdgas-Tankstelle entspricht. Allerdings ist die Anlage nicht voll ausgelastet, wohl auch deswegen nicht, weil das Biomethan mit 2.60 bis 2.80 Fr./kg rund 70% mehr kostet als Erdgas. «Dieses Problem lässt sich umgehen, indem wir das Biomethan zum Erdgas-Preis verkaufen und die Mehrkosten über ein System zur CO2-Kompensation decken. Wenn wir eine Anlage von der Grösse von Schönenwerd voll auslasten können, erreicht sie nach zwölf Jahren die Wirtschaftlichkeitsschwelle», rechnet Oester vor.
Weniger zuversichtlich ist Oester bei Kleinstanlagen zur Biomethan-Aufbereitung, wie sie seit 2013 auf einem Bauernhof in Reiden betrieben wird. Das Problem: Wegen raumplanerischen Vorgaben ist der Betrieb einer Tankstelle in der Landwirtschaftszone in der Regel nicht zulässig. Die Zukunft der Biomethan-Tankstelle aus Schönenwerd scheint dagegen gesichert: Zwar muss die Anlage am Standort Schönenwerd im Frühjahr 2019 abgebaut werden, weil die nahegelegene Papierfabrik ihre Abwässer neu in einer eigenen Biogasanlage verwertet und für die ARA somit kein überschüssiger Energieschlamm mehr vorhanden ist. Doch voraussichtlich im Herbst 2019 zieht die Anlage nach Frutigen (BE) um, wo das Biogas aus der bestehenden Kläranlage bezogen werden soll.
Schneller scheint die Umsetzung kleiner Aufbereitungsanlagen bei der Einspeisung von Biomethan ins Gasnetz voranzukommen. Im Mai 2015 nahm die Eniwa AG (der regionale Energieversorger, dessen Wärme-Sparte damals noch unter dem Namen IBAarau Wärme AG firmierte) bei der ARA in Reinach (AG) eine Membran-Aufbereitungsanlage in Betrieb, die seither zuverlässig ca. 25 Nm3/h Biomethan ins lokale Erdgasnetz einspeist. «Wir haben uns damals bei der Ausschreibung der Aufbereitungsanlage für das Apex-Angebot entschieden, weil hier ein Schweizer Anbieter eine sehr konkurrenzfähige Offerte für die gewünschte Kleinanlage vorgelegt hat und wir diesem Pilotprojekt eine Chance geben wollten», sagt Christian Müller, der das Projekt im Auftrag der Eniwa betreut hat.
Das in der Anlage produzierte Biomethan reicht für die Versorgung von etwa 130 Haushalten. Dank der Beteiligung an der Swiss Farmer Power Biogas-Anlage in Inwil und dem Zukauf von Biogas-Zertifikaten kann der Aargauer Energieversorger seinen 5500 Gasprivatkunden im Standardprodukt Gas mit einem Anteil von 10% erneuerbarem Gas anbieten. Die Mehrkosten für das Biomethan sind im Gaspreis eingerechnet. Zurzeit wird ein Ausbau der Aufbereitungs-Kapazität vorbereitet, um das zusätzlich anfallende Klärgas nutzen zu können. Ein weiteres Projekt für Biomethan-Einspeisung möchte Eniwa mittelfristig bei der Kläranlage Aarau realisieren, wobei in dieser frühen Planungsphase noch kein Entscheid über die Technologie getroffen ist.
Aufbauend auf der ersten kommerziellen Aufbereitungsanlage zur Biomethan-Einspeisung in Reinach hat Apex eine neue Anlage konstruiert, die mit 35 Nm3/h eine etwas grössere Produktionskapazität hat, aber kompakter gebaut ist und jetzt alle Komponenten in einem einzigen 20-Fuss-Container unterbringt (in Reinach waren drei nötig). Diese Anlage ist seit November 2018 bei der Kläranlage in Colombier (NE) in Betrieb. Das Biomethan wird in das Erdgasnetz eingespeist, das der Energieversorger Viteos SA in der Region Neuenburg betreibt. «Die Anlage ist nicht nur kompakter gebaut, sie verfügt über eine neuartige Gasanalytik und eine einfache, günstige Odorierungsanlage», sagt Ueli Oester. «Der besondere Vorteil ist aber das Plug-and-Play-Konzept: Nach der Anlieferung des Containers wurde bereits nach drei Tagen Gas produziert.»
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Biogas, das in Biogasanlagen durch Fermentation organischer Abfälle hergestellt wird, ist ein Gemisch aus 50 bis 60 Vol% Methan (CH4) und 40 bis 50 Vol% Kohlendioxid (CO2). Durch Abtrennung des CO2 lässt sich fast reines Methan aus erneuerbarer Quelle (Biomethan) aufbereiten. Für die Abtrennung gibt es verschiedene Verfahren; die Apex AG nutzt dafür eine ein- oder dreistufige Membran aus Polyimid-Hohlfasern. Das bei der Aufbereitung entstehende Offgas wird mit einem Methanschlupf von ca. 1 Vol% in die Atmosphäre geleitet.
Kleine Anlagen zur Aufbereitung von Biogas zu Biomethan sind technisch realisierbar; die grosse Herausforderung liegt im wirtschaftlichen Betrieb. Denn für Biomethan-Tankstellen und für die Einspeisung von Biomethan ins Erdgas-Netz bestehen hohe Anforderungen unter anderem bezüglich Sicherheit, Gasqualität und deren Dokumentation. So müssen beispielsweise öffentliche Tankstellen mit einer eichfähigen Zapfsäule und einem EC-fähigen Tankautomaten ausgestattet sein. Zudem muss das (an sich geruchlose) Methan aus Sicherheitsgründen odoriert werden, damit ein allfälliger Gasaustritt über den Geruch wahrnehmbar ist.
Um Kleinanlagen wirtschaftlich betreiben zu können, müssen sie einfacher gebaut werden können, fordert Apex-Geschäftsführer Ueli Oester. In Gesprächen mit der Oberzolldirektion und dem Technischen Inspektorat der Gasindustrie (TISG) hat er deshalb Ausnahmen ausgehandelt: Demnach reicht bei landwirtschaftlichen Anlagen, die für den Eigenverbrauch ausgelegt sind, eine einfache (und damit nicht eichfähige) Zapfsäule und das Gas muss nicht odoriert werden. Reduzierte Anforderungen sieht die Regelung auch für Betriebshoftankstellen mit begrenztem Kundenkreis vor. Damit Bauern eigenes Biogas z.B. für den Betrieb ihrer Traktoren nutzen, arbeitet Oester zurzeit an einer stark vereinfachten Aufbereitungsanlage (6 Nm3/h Biomethan) für landwirtschaftliche Betriebe. Traktorenhersteller wie New Holland arbeiten an entsprechenden Biogas-Traktoren.
Auch bei den Membran-Aufbereitungsanlagen fĂĽr die Einspeisung von Biomethan arbeitet Oester daran, die Herstellungs- und Betriebskosten weiter zu drĂĽcken. Ansatzpunkte bestehen beim Kompressor, bei den Gassensoren (vereinfachte Messung von CH4), bei der Odorierung (Einsatz einer kostengĂĽnstigen Bypass-Odorierungsanlage) und bei der Messung des Methanschlupfs im Offgas. Angestrebt werden eine konsequente Standardisierung sowie die Vereinfachung der Modulintegration.
«Einen Grossteil dieser Neuerungen haben wir bei der neuen Anlage in Colombier bereits umgesetzt. Wir wollen jetzt zeigen, dass wir die Einspeiserichtlinien des SVGW (Schweizerischer Verein des Gas- und Wasserfaches) mit unseren Anlagen erfüllen», sagt Ueli Oster.
Den Schlussbericht zum BFE-Pilot- und Demonstrationsprojekt «Blue BONSAI – Klein-Biogasaufbereitungsanlage mit Biogas-Tankstelle» (Anlage Schönenwerd) finden Sie unter: https://www.aramis.admin.ch/Texte/?ProjectID=35892.
Der Schlussbericht zum BFE-Pilot- und Demonstrationsprojekt «Biogasaufbereitungsanlage – Aufbereitung von 40 Nm3/h Klärgas zu Biomethan und Einspeisung ins 5bar-Erdgasnetz» (Anlage Reinach) ist abrufbar unter: https://www.aramis.admin.ch/Texte/?ProjectID=36209
Auch im Aqua & Gas wurden bereits mehrere Artikel zu den Projekten veröffentlicht, und zwar:
AuskĂĽnfte zu den Projekten erteilt Yasmine Calisesi (yasmine.calisesi@bfe.admin.ch), Leiterin des Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprogramms des BFE.
Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Bioenergie finden Sie unter www.bfe.admin.ch/CT/biogas.
Die Projekte «BlueBONSAI» (Apex AG) und «Biogasaufbereitungsanlage» (Eniwa AG) gehören zu den Pilot- und Demonstrationsprojekten, mit denen das Bundesamt für Energie (BFE) die Entwicklung von sparsamen und rationellen Energietechnologien fördert und die Nutzung erneuerbarer Energien vorantreibt. Das BFE fördert Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte mit 40% der nicht amortisierbaren, anrechenbaren Kosten. Gesuche können jederzeit eingereicht werden.
www.bfe.admin.ch/pilotdemonstration, www.bfe.admin.ch/leuchtturmprogramm
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Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.
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