Fernwärme stellt einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für eine effiziente und nachhaltige Energienutzung dar. Nicht nur kann dadurch ohnehin vorhandene Prozesswärme für Heizzwecke und Warmwasseraufbereitung genutzt werden, durch eine zentrale Wärmeerzeugung ergeben sich auch bessere Möglichkeiten, um Schadstoffemissionen zu reduzieren.
Korrosionsschutz ist entscheidend für die Betriebs- und auch Investitionssicherheit von Fernwärmenetzen, entsprechend gross ist seine Bedeutung. Wie in [1] dargelegt, werden 97% der Schäden an älteren Rohrleitungen durch Aussenkorrosion und nur 3% der Schäden durch Innenkorrosion verursacht. Als häufigste Schadensursachen werden bei Kunststoffmantelverbundrohren das Eindringen von Wasser in den Ringraum infolge undichter Muffenverbindungen an den Mantelrohren, gefolgt von qualitativ ungenügenden Baustellenschweissnähten am Mediumrohr, angegeben. Die Probleme mit undichten und defekten Mantelrohren und fehlerhaften Schweissverbindungen der Produkterohre werden durch die Isolationsüberwachung und Ortung erfasst. Da es sich dabei üblicherweise um punktuelle Probleme handelt, können diese Beeinträchtigungen mit lokalen Interventionen korrigiert werden. Bei modernen Fernwärmesystemen ist somit bei korrekter Verlegung mit einem hochwertigen Korrosionsschutz auf der Aussenseite zu rechnen, dessen dauerhafte Wirkung durch die Isolationsüberwachung sichergestellt ist. Im Gegensatz zu den Fernwärmeleitungen ist bei Anergieleitungen der Aussenkorrosionsschutz nicht sichergestellt. Bei gasdicht geschweissten Stahlrohren kann dieser nur durch einen kathodischen Korrosionsschutz dauerhaft gewährleistet werden. Auf jeden Fall sind aber die Vorgaben des SVGW-Merkblatts W10 015 [2] einzuhalten.
Im Vergleich machen die durch Innenkorrosion verursachten Schäden an Fernwärmeleitungen nur einen geringen Teil aus. Gleichwohl kann eine ungeeignete Wasserqualität Schäden durch Innenkorrosion auf dem gesamten Leitungsnetz bewirken. In ungünstigen Fällen kann dies erhöhte Kosten und Instandsetzungsarbeiten nach sich ziehen, zumal die potenziell schadhaften Stellen messtechnisch nicht identifiziert werden können. Aus diesem Grund kommt der korrekten Einstellung und Aufrechterhaltung einer geeigneten Wasserqualität eine entscheidende Bedeutung zu. Andernfalls kann es zu erheblichen Korrosionsangriffen und Leckagen innerhalb weniger Jahre kommen.
Für Fernwärme- und Anergieleitungen muss entweder ein ausreichender Innenkorrosionsschutz aufgebracht werden oder eine geeignete Wasserqualität vorliegen. Meist wird auf einen Innenkorrosionsschutz verzichtet. Für diesen Fall macht die SWKI-Richtlinie zur Wasserbeschaffenheit [3] konkrete Vorgaben in Bezug auf die einzuhaltenden Wasserparameter für das Umlaufwasser von geschlossenen Kreisläufen. Die wesentlichen Parameter sind in der Tabelle unten für geschlossene Kühlkreisläufe wie auch für Warmwasserkreisläufe bis 110 °C, beide diffusionsdicht, aufgeführt. Zu beachten ist, dass in der SWKI-Richtlinie [3] die Grenzwerte für weitere Parameter der Wasserzusammensetzung definiert sind. Zudem werden auch Vorgaben für das Füll- und Ergänzungswasser gemacht.
Die Thematik der Innenkorrosion in Rohrleitungen und die zugehörigen Mechanismen wurden eingehend in [4] behandelt. Die zugehörigen thermodynamischen und kinetischen Aspekte werden hier nicht weiter diskutiert. Die wesentlichen Aspekte können wie folgt zusammengefasst werden:
Die Effekte 1 bis 7 sind verantwortlich für den Korrosionsschutz basierend auf einer festhaftenden schwarzen Magnetitschicht auf der Stahloberfläche. Deren Korrosionsschutzwirkung basiert auf dem behinderten Ionentransport, was zu sehr geringen Korrosionsgeschwindigkeiten führt.
Mit der Einhaltung dieser Bedingungen können aus korrosionstechnischer Sicht dauerhafte Systeme erreicht werden. Der Wirkungsnachweis erfolgt durch Messen der relevanten Wasserparameter gemäss SWKI-Richtlinie:
Sauerstoff | < 0,1 mg/l |
Leitfähigkeit | < 200 µS/cm |
pH-Wert | 8,2…10 |
Chloridgehalt | < 30 mg/l |
Sulfatgehalt | < 50 mg/l |
Eisen gelöst | < 0,5 mg/l |
TOC | < 30 mg/l |
Korrosionstechnisch relevante Parameter und Grenzwerte für den Betrieb von diffusionsdichten Kühl- und Warmwasserkreisläufen bis 110 °C.
Bei ungünstiger Wasserzusammensetzung kommt es zu Lochkorrosion. Dabei wird die schützende Magnetitschicht lokal zerstört, und ein beschleunigter lokaler Korrosionsangriff ist die Folge. Die Lochkorrosion wird durch folgende Faktoren begünstigt:
Im Zusammenspiel dieser schädigenden Effekte kommt es zu Lochkorrosion. Die räumliche Auftrennung der Reduktionsreaktion und der Korrosionsreaktion führt zu einem stark erhöhten lokalen Korrosionsangriff. Die Korrosionsschäden sind somit die Folge der Wechselwirkung dieser negativen Einflussfaktoren. Deren Einfluss und Wirkungsweise werden im Folgenden diskutiert.
Die SWKI-Richtlinie [3] wie auch die Richtlinie für Fernwärmenetze F1 des SVGW [6], in der auf die SWKI-Richtlinie verwiesen wird, machen gemäss Tabelle oben relevante Vorgaben in Bezug auf die erforderliche Wasserzusammensetzung. Der wichtigste Einflussfaktor auf die Innenkorrosion ist der Sauerstoffgehalt, gefolgt vom pH-Wert, dem Chloridgehalt und der Leitfähigkeit. Zudem hat der Gehalt an organischen Verbindungen (TOC) einen Einfluss auf Korrosionsprozesse. Die Wirkung dieser Parameter des Umlaufwassers auf den Lochkorrosionsprozess ist wie folgt:
Der Eintrag von Sauerstoff führt zu einer Verschiebung des Potenzials in positive Richtung. Bei Überschreitung des Lochkorrosionspotenzials wird Lochkorrosion initiiert. In der Folge entsteht galvanische Korrosion zwischen den oxidfilmbedeckten Oberflächen und der Korrosionsstelle. Ein hoher Sauerstoffgehalt führt zu hohen Korrosionsströmen. Die Begrenzung des Sauerstoffgehalts ist daher unerlässlich. Ein reduzierter Sauerstoffgehalt alleine ist aber für den Korrosionsschutz nicht ausreichend.
Für die Bildung einer schützenden Magnetitschicht ist ein erhöhter pH-Wert unerlässlich. Nur in Kombination von pH-Wert-Erhöhung und Sauerstoffausschluss kann ein wirksamer Korrosionsschutz erreicht werden. Die Erhöhung des pH-Werts wirkt sich zudem günstig auf das Lochkorrosionspotenzial aus. Ein hohes Lochkorrosionspotenzial verringert die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Lochkorrosion. Mit steigendem pH-Wert steigt der Widerstand gegen lokale Korrosion. Die Erhöhung des pH-Werts durch Selbstalkalisierung und Sauerstoffausschluss sind somit die wichtigsten Faktoren für einen dauerhaften Korrosionsschutz.
Chloride und auch Sulfate erhöhen das Risiko von Lochkorrosion stark. Daher ist deren Gehalt zu begrenzen, um eine möglichst grosse Erhöhung des Lochkorrosionspotenzials zu erreichen. Zudem wirkt sich deren Begrenzung günstig auf die Leitfähigkeit aus (vgl. folgender Absatz).
Bei Lochkorrosion bildet sich ein galvanisches Element zwischen den oxidbedeckten und den korrodierenden Metalloberflächen. Dieser Strom ist in erheblichem Masse durch den elektrischen Widerstand im System bestimmt. Daher bewirkt eine verringerte Leitfähigkeit des Wassers eine Verringerung der Korrosionsgeschwindigkeit bei Lochkorrosion und begünstigt die Neubildung der Magnetitschicht.
Organische Verbindungen können die Bindung von gelöstem Fe2+ bewirken, was sich ungünstig auf die Bildung der Magnetitschicht auswirkt. Zudem begünstigen organische Verbindungen die bakterielle Aktivität. Durch die Begrenzung des Sauerstoffgehalts in Kombination mit einem erhöhten Sulfatgehalt kann es zu Korrosion unter Einwirkung von sulfatreduzierenden Bakterien kommen. Dieses Risiko nimmt mit erhöhtem Gehalt an organischen Verbindungen zu.
Durch Einhalten der Vorgaben der SWKI-Richtlinie [3] kann der wirksame Korrosionsschutz dauerhaft sichergestellt werden.
Leider gibt es Fälle, in denen relevante Abweichungen auftreten. Die wichtigsten Effekte sind:
Dieser ist der eindeutige Nachweis, dass das System nicht gasdicht ist. Lochkorrosion ist dabei zu erwarten.
Auch bei geringem Sauerstoffgehalt ist bei tiefen pH-Werten mit Korrosion zu rechnen. Oft ist dieser die Folge eines nicht gasdichten Systems, wobei der Zutritt von CO2 und dessen Reaktion zu Kohlensäure zu einem Absinken des pH-Werts führt.
Dieser stellt auch bei optimalem Sauerstoffgehalt und erhöhtem pH-Wert ein erhöhtes Risiko für Lochkorrosion dar.
Diese zeigt das Vorliegen von erhöhten Salzkonzentrationen an. Die Leitfähigkeit ist direkt mit der Korrosionsgeschwindigkeit verknüpft und soll daher möglichst tief sein. Die SWKI-Richtlinie [3] empfiehlt daher die Verwendung von vollentsalztem Wasser, das erfahrungsgemäss zu einem deutlich besseren Korrosionsverhalten führt.
Ein erhöhter Eisengehalt wirkt sich zwar positiv auf die Bildung der schützenden Magnetitschicht aus. Beim Überschreiten der Vorgaben der SWKI-Richtlinie muss aber mit lokalen Korrosionsstellen gerechnet werden. Diese Korrosion kann die Folge eines unzureichend erhöhten pH-Werts, eines erhöhten Sauerstoffzutritts oder von bakterieller Korrosion sein.
Werden die Grenzwerte der SWKI-Richtlinie [3] eingehalten, ist ein wirksamer Korrosionsschutz sichergestellt. Bei Abweichung von den Grenzwerten sind die Gründe dafür zu analysieren. Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse können allenfalls Anpassungen an den Betriebsbedingungen oder am Wasser angezeigt sein.
Innenkorrosion in Fernwärmeleitungen tritt in insgesamt wenigen Fällen auf. Der gute Korrosionsschutz auf der Innenseite ist die direkte Konsequenz der folgenden Massnahmen:
Es ist wesentlich, bei der Erstbefüllung und beim Ergänzungswasser die Vorgaben einzuhalten. Betrieblich hat sich – im Einklang mit den Empfehlungen der SWKI-Richtlinie [3] – der Einsatz von vollentsalztem Wasser bewährt.
Bei der Bewertung der Korrosionsschutzwirkung des Umlaufwassers ist es wesentlich, das Gesamtsystem zu bewerten. Andernfalls kann es zu fehlerhaften Schlussfolgerungen kommen. So werden in gewissen Fällen zwar die Vorgaben in Bezug auf den Sauerstoffgehalt eingehalten, gleichzeitig aber eine starke Rostverfärbung des Umlaufwassers beobachtet. Dieser Effekt ist meist auf eine nicht gasdicht ausgeführte Installation zurückzuführen, die lokal einen Sauerstoffeintritt ermöglicht und in der Folge zu verstärkter Korrosion führt. Der Korrosionsprozess wiederum führt zu einem Absenken des Sauerstoffgehalts, sodass bei ungeeigneter Lage der Entnahmestellen der Sauerstoffgehalt die Vorgaben der SWKI-Richtlinie erfüllt [3].
Es ist daher unerlässlich, das Gesamtsystem zu bewerten. Nur so können kritische Zustände identifiziert und geeignete Instandsetzungsmassnahmen geplant werden.
[1] Bindschedler, D.; Büchler, M. (2015): Korrosionsschutz bei Fernwärmeleitungen, Aqua & Gas 6/15, 18
[2] SVGW (2011): Merkblatt W10 015: Elektrische Trennung von Wasserleitungen und Erdungsanlagen
[3] Schweizerischer Verein von Gebäudetechnik-Ingenieuren SWKI (2012): Richtlinie BT102-01, Ausgabe 2012-08, Wasserbeschaffenheit für Gebäudetechnik-Anlagen
[4] BĂĽchler, M. (2021): Innenkorrosion von Stahlrohren, Aqua & Gas 2/21, 34
[5] V. Baeckmann, W.; Schwenk, W. (1999): Handbuch des kathodischen Korrosionsschutzes. Wiley-VCH, Weinheim
[6] SVGW (2017): Richtlinie für Fernwärmenetze F1 d, Ausgabe April 2017
«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.
Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.
Kommentare (0)