Zurzeit haben Fernwärmenetze einen Anteil von rund 8–9% an der schweizerischen Wärmeversorgung [1], wobei die Fernwärme aus Kehrichtverwertungsanlagen (KVA) den grössten Beitrag leistet [2]. Die Autoren einer vom Verband Fernwärme Schweiz (VFS) in Auftrag gegebenen Untersuchung [3] gehen davon aus, dass bis 2050 der jährliche Wärmebedarf von aktuell etwa 85 auf 45 TWh zurückgehen wird, und dass damit Fernwärme auf 17 TWh ausgebaut wird. Dabei spielen Infrastrukturanlagen wie Abwasserreinigungsanlagen und KVA, aber auch Wärmepumpen mit See-, Grund-, Trink- oder Flusswasser sowie Holz und Geothermie für den Ausbau der Nah- und Fernwärme eine entscheidende Rolle.
Mit 44% vom gesamten heutigen Endenergieverbrauch in der Schweiz beansprucht die Wärmeversorgung den grössten Anteil [4], wobei nach wie vor die fossilen Brennstoffe am meisten davon abdecken. Ziel der Energiestrategie in der Schweiz ist es deshalb, gestützt durch den Volksentscheid, den Wärmesektor zu dekarbonisieren, sprich Erdöl und Erdgas sollen durch erneuerbare Energien und Abwärme ersetzt werden. Das Weissbuch Fernwärme Schweiz [3] zeigt auf, dass hierfür ausreichend Energie vorhanden wäre: Rein theoretisch könnte der gesamte Wärmebedarf mit einheimischen und CO2-neutralen Energiequellen abgedeckt werden. Wärmeverbünde können dazu sogar einen Drittel beitragen.
Heutzutage wird nur ein kleiner Teil dieser riesigen Energiepotenziale genutzt. Ein Grund dafür sind die Kosten. Für einzelne Gebäude lassen sich diese kaum decken. Dazu braucht es Wärmeverbünde. Um grosse ortsgebundene Energiemengen aus KVA, Abwasser oder Seewasser zu nutzen, müssen sie zu den umliegenden Siedlungsgebieten gebracht werden. Idealerweise liegen in der näheren oder weiteren Umgebung dieser Energiequellen mehrere grosse Gebäude, die an den Wärmeverbund angeschlossen werden können. Dabei können auch weite Distanzen überwunden werden: pro 1 MW Wärmeabnahme rund 1 km, bei 3 MW gerne auch 3 km.
Schon 2013 förderte die Stiftung Klimaschutz und CO2-Kompensation KliK Klimaprojekte durch den Kauf der bescheinigten CO2-Emissionsverminderungen. Hintergrund ist die gesetzliche Pflicht der Treibstoffimporteure, einen Teil der verursachten CO2-Emissionen in der Schweiz zu kompensieren. Mit dem von InfraWatt entwickelten Förderprogramm «Wärmeverbünde» kann die Stiftung KliK seit 2016 Förderbeiträge für Wärmeverbünde über ein einfaches und unkompliziertes Verfahren anbieten. Der administrative und zeitliche Aufwand für den Antragsteller ist dabei sehr gering.
Das Programm steht Betreibern von Wärmeverbünden offen, die entweder Verbünde neu erstellen, erweitern oder auf erneuerbare Energien umstellen. Bei einem bestehenden fossilen Wärmeverbund müssen keine neuen Leitungen gebaut werden, es kann auch nur die Heizung ersetzt werden.
Gefördert werden Projekte mit Abwärme aus den folgenden Energiequellen:
– Abwasser
– See-, Grund-, Trink- und Flusswasser
– Biomasse (Holz)
– KVA
– Industrie
Eine Projekteingabe ist bereits auf Basis einer Machbarkeitsstudie möglich. Bei Bedarf erhalten Planer oder Investoren eine kostenlose Vorabklärung bei InfraWatt, auch ist eine Beratung zu den Fördermöglichkeiten und zum ganzen Bewilligungsverfahren bei Neosys möglich.
Um Anspruch auf die Fördergelder zu haben, ist die frühzeitige Anmeldung für das Programm nötig, und zwar vor der ersten finanziellen Verpflichtung gegenüber Dritten (Auftragserteilung). Die Anmeldung beinhaltet lediglich eine Interessenbekundung mit Anschrift, Angabe einer Korrespondenzperson sowie ein paar wenige Angaben zum Projekt.
Der effektive Antrag zum geplanten Wärmeverbund kann später erfolgen. Auch dort braucht es nur wenige Angaben. Weder Aussagen zu den Kosten noch zur Wirtschaftlichkeit sind nötig. Für den Antrag braucht es einzig eine Prognose der gelieferten Kilowattstunden sowie die voraussichtliche Trassenlänge des Verbunds. Der eingereichte Antrag wird innerhalb von zwei bis drei Wochen geprüft, danach erhält der Antragsteller eine definitive Rückmeldung. Ist er in das Programm «Wärmeverbünde» aufgenommen, wird ihm auch die Höhe des Förderbeitrages mitgeteilt, der auf Basis seiner Angaben errechnet wurde. Es lohnt sich, einen Antrag frühzeitig einzureichen, denn mit der bewilligten Förderhöhe kann der Eigner die Wirtschaftlichkeit neu bewerten und so den Grundsatzentscheid über eine mögliche Realisierung besser beurteilen.
Die Stiftung KliK versendet bei positiver Beurteilung des Antrags einen Vertrag. Erst mit dessen Unterzeichnung verpflichtet sich der Eigner des Wärmeverbundes, die CO2-Bescheinigungen der Stiftung KliK zu verkaufen. Für den Projekteigner fallen während der ganzen Projektlaufzeit keine Transaktionskosten an.
Nach wie vor besteht die Möglichkeit, einen Wärmeverbund als Einzelprojekt prüfen und fördern zu lassen, insbesondere nach einem negativen Entscheid zur Förderung des Verbundes. Anders als bei einer Aufnahme in das Programm «Wärmeverbünde» ist dies ein aufwändigeres und mit Kosten verbundenes Unterfangen. Die Verträge von der Stiftung KliK laufen – sowohl für die Teilnahme am Programm «Wärmeverbünde» als auch für Einzelprojekte – bis und mit 2030, wobei 100 Franken pro substituierte Tonne CO2 bezahlt werden.
Die Kosten und die Wirtschaftlichkeit eines Wärmeverbundes hängen stark vom Aufwand für die Wärmegewinnung der verfügbaren Energiequelle, der Struktur der Wärmeabnehmer und den Distanzen zwischen Wärmequelle und Wärmeabnehmer ab [5]. Zur Wirtschaftlichkeit von Verbünden lassen sich also keine allgemeinen Aussagen machen, da kein Projekt wie das andere ist [6]. Bei idealer Ausgangslage sind Wärmeverbünde rentabel, bei schlechter Ausgangslage nicht. Viele Projekte liegen dazwischen bzw. knapp an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit.
Bei solchen Projekten können die Fördergelder der Stiftung KliK die Wirtschaftlichkeit und damit den Entscheid für eine Realisierung stark beeinflussen. Die Aussage eines Contractors, der zahlreiche Wärmeverbünde realisiert hat, bringt es auf den Punkt: «Ohne die Fördermittel der Stiftung KliK hätten wir die meisten Wärmeverbünde, die wir in den letzten Jahren umsetzen konnten, wegen der fehlenden Wirtschaftlichkeit nicht realisieren können.»
Tatsächlich sind die Förderbeiträge beachtlich: Die 100 Franken pro Tonne CO2 ergeben auf die Nutzungsdauer von 15 Jahren knapp zwei Rappen pro Kilowattstunde. Das kann 10 bis 20% der gesamten Gestehungskosten (Kapital- und Betriebskosten) oder bis zu 30% der Investitionen ausmachen. Das ist für einen Investor durchaus für die Realisation eines Wärmeverbundprojektes entscheidend.
Den Tatbeweis, dass Wärmeverbünde – u. a. auch dank den Beiträgen vom Förderprogramm Wärmeverbünde – wirtschaftlich sind, erbringen zahlreiche realisierte Anlagen, denn sonst würden Firmen von Contractoren nicht in diese Projekte investieren.
Die Fördergelder werden nicht in Form von Investitionsbeiträgen, sondern nach effektiver Wärmelieferung ausbezahlt. Aufgrund von Vorgaben des BAFU können die CO2-Kompensationen von Neubauten nicht berücksichtigt werden. Unternehmen mit Zielvereinbarungen müssen separat ausgewiesen werden. Auch beim Ersatz von bereits bestehenden erneuerbaren Energielösungen resultieren natürlich keine CO2-Verminderungen.
Neu besteht die Möglichkeit, ein einfaches, pauschales Monitoring durchzuführen: Dabei wird die CO2-Einsparung vereinfacht mit der gesamten Wärmemenge an die Bezüger und dem Faktor 0,22 t CO2/MWh berechnet.
Eine Förderung von der Stiftung KliK und den Kantonen an einen Wärmeverbund ist möglich, die CO2-Kompensationen werden dann entsprechend der Höhe der finanziellen Beiträge aufgeteilt.
Aktuell hat die Stiftung KliK im Programm «Wärmeverbünde» 50 Projekte unter Vertrag, weitere 60 sind bereits angemeldet. Bei den aufgenommenen Projekten handelt es sich sowohl um Kleinprojekte wie auch um grössere Verbünde, die 10 000 Tonnen CO2 und mehr substituieren. Rund zwei Drittel dieser Projekte sind Holzwärmeverbünde, die mehrheitlich von Gemeinden oder Güterkorporationen/Genossenschaften realisiert werden. Die meisten Projekte liegen in der Deutschschweiz, drei angemeldete Vorhaben kommen aus dem Tessin und zwei aus der Romandie.
Werden die prognostizierten Einsparungen der 50 genehmigten Projekte (Stand 2019) von über 260 000 Tonnen CO2 bis 2030 in Bezug auf die einzelnen Energiequellen betrachtet, ergibt sich ein gesamthaftes Bild: Die rund 33 der 50 Wärmeverbünde mit Holz liefern voraussichtlich knapp 50% an den CO2-Einsparungen. Etwa 40% werden durch neun grössere Anlagen mit Seewasser- und KVA-Abwärme erbracht. Die restlichen Projekte verteilen sich auf die Energiequellen Grundwasser, Abwasser und Industrie.
Im Durchschnitt ergeben sich Beiträge von der Stiftung KliK an die Eigner von 520'000 Franken. Bei grösseren Projekten sind es mehrere Millionen Franken, wobei sich bei den kleineren Projekten immer noch Beiträge von rund 100'000 Franken ergeben. In allen Programmkategorien nach Energiequellen wurden Projekte eingereicht [7].Â
Bei Projekten, die nicht ins Förderprogramm aufgenommen wurden, handelt es sich meistens um sehr komplexe Verbünde, die zum Teil verschiedene Energiequellen kombinieren oder aber die geforderten Kriterien an die Hauptkennzahlen des Programmes nicht erfüllen. Eine rechtzeitige Eingabe für das Programm «Wärmeverbünde» lohnt sich auf jeden Fall, zumal der Aufwand gering ist. Ausserdem zeigen die Aussagen zur Förderhöhe den Planern und vor allem den Entscheidungsgremien die verbesserte Wirtschaftlichkeit auf, womit sie den Grundsatzentscheid für oder gegen eine Realisierung auf besserer Basis treffen können.
[1] Hurni, A. (2018): Fernwärme in der Schweiz. Aqua & Gas Nr. 2/18, S. 14
[2] Bolliger, R. (2017): Für die Zukunft gerüstet und dynamisch unterwegs. Gebäudetechnik Nr. 3/17, S. 60
[3] Sres, A.; Nussbaumer, B. (2014): Weissbuch Fernwärme Schweiz – VFS Strategie. Schlussbericht. Phase 2: GIS-Analyse und Potenzialstudie. Dr. Eicher + Pauli AG, Bern. Bericht im Auftrag Verband Fernwärme Schweiz (VFS)
[4] Kemmler, A. et al. (2019): Analyse des schweizerischen Energieverbrauchs 2000–2018 nach Verwendungszweck. Im Auftrag des Bundesamtes für Energie BFE, Bern. https://www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/versorgung/statistik-und-geodaten/energiestatistiken/energieverbrauch-nach-verwendungszweck.html
[5] Thalmann, S. et al. (2013): Analyse und Optimierung von Fernwärmenetzen. IST-Analyse von Fernwärmenetzen und Bewertungs-Tool zur Netzoptimierung. Im Auftrag des Bundesamtes für Energie BFE, Zürich
[6] Trecco, S.; Da Silva, R.; Gemperle, S. (2019): Thermische Netze – Entscheidungskriterien für die Systemwahl Phase 2. Im Auftrag von Energie Schweiz, Zürich. https://www.energieschweiz.ch/home.aspx?p=22949,22963,22985
[7] Müller, E.A.; Vogelsanger, M. (2018): Abwasserwärme für eine ganze Region, Aqua & Gas Nr. 9/18, S. 115
Die Teilnahme am Programm Wärmeverbünde zeichnet sich durch einen schnellen und unkomplizierten Einreichprozess aus. An dem Förderprogramm können sowohl grössere als auch kleinere Projekte teilnehmen.
Eigner von Wärmeverbünden, welche fossile Heizungen ersetzen. Der Wärmeverbund wird dabei neu gebaut, erweitert oder auf erneuerbare Wärme/Abwärme umgestellt.
– Abwasser
– See-, Grund-, Trink- oder Flusswasser
– Biomasse (Holz)
– KVA
– Industrie
– Einfach: Antragsverfahren mit Online-Eingabe
– Schnell: Prüfung des Antrags 2–3 Wochen
– Kostenlos: Validierung und Verifizierung
– Berechenbar: Fördergelder ermitteln mit Beitragsrechner
Die Förderbeiträge belaufen sich auf 100 Franken pro anrechenbare Tonne CO2 bis und mit 2030 aufgrund jährlich gelieferter Wärmemenge. Das ergibt rund 2 Rp./kWh. Neu ist ein einfaches, pauschales Monitoring möglich. Anmeldung unbedingt vor dem Investitionsentscheid.
Das Antragsverfahren ist einfach und verläuft unbürokratisch über die KliK-Website:
«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.
Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.
Kommentare (0)