Rund 20 Jahre leiteten Sie nun die Abteilung Wasser beim BAFU. Wo stand der Gewässerschutz, als Sie 2004 beim BAFU anfingen, und welche grossen Themen standen damals auf der Agenda, um die Ziele des Gewässerschutzes zu erreichen?
Die grossen und teils neuen Themen in dieser Zeit waren einerseits die Verbesserung der Wasserqualität und andererseits die Verbesserung des Lebensraumes der Gewässerlebewesen, allen voran der Fische. Eine verbesserte Wasserqualität wurde insbesondere durch die Einführung der gesetzlichen Pflicht erreicht, ausgewählte Kläranlagen mit einer Reinigungsstufe zur Reduktion von Mikroverunreinigungen auszubauen. Die Fischerei-Initiative (Volksinitiative «Lebendiges Wasser», auch «Renaturierungs-Initiative» genannt) puschte die Aufwertung der Lebensräume. Sie enthielt verschiedene Elemente: die Revitalisierung von Oberflächengewässern, die Vernetzung der revitalisierten Abschnitte und mit dem Umland (Gewässerraumsicherung zum Biodiversitäts- und Hochwasserschutz) sowie Massnahmen gegen Beeinträchtigungen durch die in der Schweiz sehr starke Nutzung der Gewässer zur Stromproduktion – als Stichworte sind hier zu nennen: Fischdurchgängigkeit, Geschiebe, Pegelschwankungen und Restwasser.
Welche «neuen» Herausforderungen für den Gewässerschutz sind in der Zwischenzeit dazugekommen respektive stehen aktuell ganz oben auf der Agenda?
Seit etwa 2010 wird der Gewässerzustand konsequent beobachtet und beurteilt – genannt seien hier die nationalen Programme NAQUA (Nationale Grundwasserbeobachtung) und NAWA (Nationale Beobachtung Oberflächengewässerqualität). Eine Erkenntnis davon ist, dass die Landwirtschaft die Gewässer und das Trinkwasser nicht nur durch die Einträge von Nährstoffen belastet, sondern auch durch Pestizide und deren Abbauprodukte. Zudem zeigten die Daten, dass diese Belastungen teilweise sehr gross sind. Daraufhin hat das Parlament das Problem erkannt und Massnahmen ausgelöst, zum einen den Aktionsplan Pflanzenschutzmittel, der seit 2017 umgesetzt wird, und zum anderen die parlamentarische Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren». Auch wenn die Umsetzung läuft, braucht es nach wie vor die Unterstützung der Politik, um die Gesetzgebung konsequent anzuwenden.
Des Weiteren beeinflusst der Klimawandel die Schweizer Gewässer deutlich: Viele Flüsse und Seen und in geringerem Ausmass auch das Grundwasser erwärmten sich in den vergangenen Jahrzehnten. Ebenso verändern sich die saisonale Verteilung der Wassermengen in den Flüssen und Seen sowie die Grundwasserstände und Quellabflüsse. Die Wasserlebewesen geraten durch die klimabedingten Auswirkungen noch mehr unter Druck – insbesondere empfindliche, kälteliebende Arten wie Forellen und Äschen. Dies beschleunigt den Biodiversitätsrückgang und verändert die Lebensräume.
«Die Wasserlebewesen geraten durch die klima-bedingten Auswirkungen noch mehr unter Druck – insbesondere empfindliche, kälteliebende Arten wie Forellen und Äschen.»
Welche Konflikte rund ums Wasser galt es bisher zu lösen und welche kommen mit diesen neuen Herausforderungen hinzu?
Was die Wasserqualität und den Lebensraum betrifft, so kommen die Auswirkungen der Klimaveränderung, vor allem die erhöhten Wassertemperaturen und das teilweise Trockenfallen der Gewässer, wie auch die Einwanderung invasiver Arten hinzu. Damit die einzigartige Biodiversität der Schweiz, die heute schon einem enormen Druck ausgesetzt und sehr stark dezimiert ist, «überleben» kann, müssen die beschlossenen Massnahmen zur Reduktion der Gewässerbelastung mit Nährstoffen und Chemikalien und zur Verbesserung der Lebensräume konsequent umgesetzt werden. Die jahreszeitlichen Änderungen des Wasserdargebots führen zu Konflikten zwischen den verschiedenen Nutzungen wie Wasserversorgung, landwirtschaftliche Bewässerung oder Wasserkraft. Wir müssen neue Verteilschlüssel finden, wobei natürlich die Gewässerökosysteme nicht ins Hintertreffen geraten dürfen. Der Schutz von Grundwasser und Oberflächengewässern sollte oberste Priorität behalten.
Wie sind heute die Schweizer Gewässer hinsichtlich ihrer Qualität als Lebensraum zu beurteilen?
Dazu muss ich etwas ausholen: Die Fliessgewässer der Schweiz waren ursprünglich gut strukturiert, teilweise stark verzweigt und Auen prägten das Landschaftsbild. Wenn wir heute durch die Landschaft spazieren, prägen zwar immer noch Gewässer das Bild. Aber die Flüsse und Bäche sind grossmehrheitlich begradigt oder sogar eingedolt und die Auen weitestgehend verschwunden. Zudem sind die Flüsse durch die über 1000 Wasserkraftwerke, die es in der Schweiz gibt, stark fragmentiert und der natürliche Abfluss und Geschiebehaushalt sind gestört. Aufgrund von starken Pegelschwankungen durch die Stromproduktion sind viele Gewässerabschnitte als Lebensraum für Wasserlebewesen heute nicht mehr nutzbar: Bei tiefem Abfluss stranden die Fische, bei hohem Abfluss wird ihr Laich weggeschwemmt. Im Rahmen der Energiewende wird ein weiterer Zubau an Wasserkraft gefördert. Dadurch dürften weitere Gewässerräume unter Nutzungsdruck geraten. Wenn man sich das vor Augen führt, dann muss ich die Frage nach der Qualität des Schweizer Gewässer klar mit «sehr stark beeinflusst» beantworten.
Wo muss angesetzt werden, um Verbesserungen zu erreichen?
Wie bereits gesagt: Wir müssen die erwähnten Massnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität und der Gewässerlebensräume konsequent umsetzen und zusätzlich die wenigen bisher unverbauten Gewässerlebensräume bestmöglich schützen. Darüber hinaus sollte die Vorsorge gestärkt werden, damit nicht immer wieder «hinterhersaniert» werden muss. Ein wichtiger Ansatzpunkt der Vorsorge ist die Zulassung von Chemikalien und Pflanzenschutzmitteln. Es muss darauf hingearbeitet werden, dass bei der Entwicklung und Zulassung neuer Chemikalien mögliche Umweltauswirkungen schon mitberücksichtigt werden. Nur so lässt sich vorsorglicher Umweltschutz betreiben.
«Wir müssen die Massnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität und der Gewässerlebensräume konsequent umsetzen.»
Was bedeutet der Klimawandel für die Lebensräume See und Fluss? Welche Anpassungsmassnahmen sind in Ihren Augen erforderlich?
Wir können die Gewässer nicht kühlen oder, wenn zu wenig Wasser vorhanden ist, künstlich bewässern. Wir können höchstens versuchen, die kleineren Gewässer zu beschatten. Das funktioniert bei grösseren Gewässern oder Seen natürlich nicht. Wir haben also nur sehr begrenzt Einflussmöglichkeiten auf die unmittelbaren Auswirkungen des Klimawandels auf die Gewässer. Daher ist es umso wichtiger, durch naturnahe Lebensräume und eine gute Wasserqualität den Druck auf die Gewässerlebewesen wo immer möglich zu reduzieren. Besonders wichtig ist es, neben der Beschattung die Längs- und Quervernetzung der Gewässer wiederherzustellen und auszubauen und Rückzugsorte für die Wasserlebewesen zu schaffen.
Und lassen Sie uns noch zur Problematik der Ausbreitung invasiver gebietsfremder Organismen in Oberflächengewässern kommen: Welche Arten stehen momentan im Fokus? Wie bringt sich das BAFU bei dieser Thematik ein?
Die heute wohl bekanntesten Neozoen sind die Schwarzmeergrundel und die Quaggamuschel. Schwarzmeergrundeln bedrohen vor allem die Ökosysteme und die heimische Fischfauna. Die Quaggamuschel hat sich bereits in zahlreichen Mittelland-Seen ausgebreitet und verändert dort die Ökosysteme stark. Daneben schränkt sie auch die von Menschen gemachte Infrastruktur ein, indem sie sich an und in technischen Anlagen wie Entnahmeleitungen von Trinkwasserversorgungen oder Kühlsystemen festsetzt. Der wirtschaftliche Schaden ist immens und wird bereits auf mehrere hundert Millionen Schweizer Franken geschätzt.
Es wird versucht, die weitere Ausbreitung der Schwarzmeergrundel zu verhindern, indem eine Art Barriere – die sogenannte Grundelsperre – an Fischwanderhilfen installiert wird; die einheimischen Fische können diese zwar passieren, Schwarzmeergrundeln jedoch nicht. Im Falle der Quaggamuschel liegt der Fokus darauf, noch nicht betroffene Gewässer bestmöglich vor einer Einschleppung zu schützen – denn ist die Muschel erstmal in einen See gelangt, ist sie nach heutigem Wissensstand nicht wieder wegzukriegen. Dazu dienen zum Beispiel Sensibilisierungskampagnen oder eine Reinigungspflicht respektive ein Einwasserungsverbot für Boote und Ausrüstung, die von einem Gewässer in ein anderes transferiert werden. Es wurde erkannt, dass die rechtlichen Regelungen hinsichtlich der Bekämpfung invasiver Arten lückenhaft sind. Das BAFU prüft daher zurzeit, welche Lücken das im Einzelnen sind und wie sich diese am besten schliessen lassen.
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Aufbau und Weiterentwicklung der kommunalen Abwasserreinigung in der Schweiz sind eine Erfolgsgeschichte, doch es gibt weiterhin Verbesserungsbedarf. Welche Optimierungen stehen zurzeit an?
Je nach Blickwinkel ist es tatsächlich eine Erfolgsgeschichte. Besser wäre zwar gewesen, wenn wir in den 1950er und 60er Jahren gleichzeitig zur boomenden Wirtschaft auch die ARA gebaut hätten und nicht erst, als wir realisieren mussten, dass wir in unseren Gewässern nicht mehr baden können. Aber das ist nun passé. Jetzt sollte allerdings unbedingt der nächste Schritt bei der Abwasserreinigung erfolgen: einen Grossteil der Kläranlagen zu ertüchtigen und auf den neusten Stand der Technik zu bringen. Insbesondere geht es darum, die Stickstoffelimination auf das gleiche Niveau wie in unseren Nachbarländern Deutschland und Österreich zu erhöhen und damit einhergehend die Reduktion der Emissionen von Lachgas, einem starken Treibhausgas. Auch müssten zusätzliche ARA mit einer Stufe zur Elimination von Mikroverunreinigungen erweitert werden. Daneben sollte der Blick aber über die ARA hinausgehen. Ansätze wie die integrale Bewirtschaftung des Gesamtsystems Kanalnetz-ARA-Gewässer weisen in die richtige Richtung. Auch bei Mischwasserentlastungen lassen sich sicher Verbesserungen erzielen. Die schweizerische Abwasserbranche ist stark und engagiert sich sehr für die Weiterentwicklung der Abwasserentsorgung und -reinigung. Gerade auf dem Gebiet der Entfernung von Mikroverunreinigungen wurde und wird in der Schweiz Pionierarbeit geleistet.
Der Klimawandel macht neue Ansätze im Bereich der Siedlungsentwässerung und beim Umgang mit Regenwasser nötig. Was kann das BAFU hier beitragen?
Urbane Siedlungen spüren die unangenehmen Folgen des Klimawandels besonders stark. Extremereignisse wie Starkniederschläge, längere Hitze- und Trockenperioden häufen sich. Um hier entgegenzuwirken sind neue Ansätze wie jener der Schwammstadt interessant. Dieser beruht auf Verdunstung, Versickerung, Retention, temporären Flutungen und Notwasserwegen: Statt das Regenwasser möglichst schnell aus dem Siedlungsraum abzuleiten, soll es zurückgehalten und gespeichert werden, um es dann in trockeneren Perioden wieder langsam abzugeben. Es ist ein integraler Lösungsansatz, um Schäden durch Oberflächenabfluss zu vermeiden sowie Hitzebelastung und Schadstoffeinträge durch Mischwasserentlastungen zu vermindern. Daher unterstützt der Bund das Projekt Schwammstadt des VSA. Zudem hat das BAFU die Broschüre «Regenwasser im Siedlungsraum – Starkniederschlag und Regenwasserbewirtschaftung in der klimaangepassten Siedlungsentwicklung» herausgegeben.
Grundwasser ist die wichtigste Trinkwasserressource der Schweiz. Der Ressourcenschutz mit dem planerischen Grundwasserschutz als einem wichtigen Element ist daher zentral. Wie soll es mit dem planerischen Grundwasserschutz weitergehen, insbesondere auch was die unterschiedlichen NutzungsansprĂĽche gerade im dicht besiedelten Mittelland angeht?
Mit dem planerischer Grundwasserschutz haben wir in der Schweiz ein mehrstufiges Sicherungssystem, um die Grundwasserressourcen und gezielt auch das Grundwasser für die Trinkwasserversorgung zu schützen. In den Grundwasserschutzzonen, in unmittelbarer Nähe einer Trinkwasserfassung, gelten die strengsten Schutzvorschriften, mit zunehmender Entfernung nehmen die Einschränkungen ab.
Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Hier stehen wir meines Erachtens an einem Scheideweg. Wir haben es jetzt noch in der Hand, für unsere Nachfahren sauberes und kostengünstiges Trinkwasser zu sichern, ohne dass eine aufwändige Aufbereitung nötig ist. Braucht es nämlich vermehrt eine Wasseraufbereitung, weil die Grundwasserqualität vermindert ist, geht das mit rund 25 Prozent höheren Kosten einher. Nebst anderen Nachteilen, die mit der Aufbereitung einhergehen (Ressourcen- und Energieverbrauch etc.), bedeutet eine verstärkte Aufbereitung langfristig gesehen einen enormen finanziellen Aufwand.
«Wir sollten in der Umgebung und im Zuströmbereich, dem wichtigsten Teil des Einzugsgebiets von Trink-wasserfassungen, gewisse Nutzungen reduzieren.»
Wer hat es in der Hand, dies zu verhindern? Ich denke, wir alle. Wir müssen dieser Ressource den richtigen Stellenwert beimessen. Das heisst, wir müssen die Politik in den Kantonen und Gemeinden so fordern und gleichzeitig unterstützen, dass die gesetzlichen Vorgaben umgesetzt und damit die Umgebung der Trinkwasserfassungen konsequent geschützt sind vor Überbauungen und Eingriffen. Das klingt zwar simpel, aber mit dem hohen Nutzungsdruck im Mittelland ist es keineswegs selbstverständlich, dass die unverbauten Flächen der Grundwasserschutzzonen auch frei bleiben. Zudem sollten wir in der Umgebung und im Zuströmbereich, dem wichtigsten Teil des Einzugsgebiets von Trinkwasserfassungen, gewisse Nutzungen reduzieren. Das betrifft insbesondere die Düngung und den Pestizideinsatz. Für die einzelnen Betroffenen mögen die Einschränkungen unangenehm sein, aber die Vorteile für die Allgemeinheit, die so Zugang zu kostengünstigem, sauberem Trinkwasser hat, wiegen das auf.
Es zeigt sich immer deutlicher, dass der Schutzzonenansatz im Falle von Verunreinigungen mit persistenten, mobilen Verunreinigungen, wie langlebigen Pestizid-Metaboliten, nicht ausreichend ist. Die Gewässerschutzgesetzgebung kennt daher zusätzlich zu den Schutzzonen den Zuströmbereich, ein Instrument, das es schon lange gibt, aber jetzt aufgrund von Motionen bzw. Anpassungen in der Gesetzgebung neuen Schub erhält. Was ist in Bezug auf Zuströmbereiche und Massnahmen in diesen in den nächsten Jahren zu erwarten?
Ich bin froh, dass das Parlament den Handlungsbedarf erkannt hat, das Trinkwasser besser vor Verunreinigungen zu schĂĽtzen. Es ist wichtig, dass die vom frĂĽheren Ständerat Roberto Zanetti mit seiner Motion «Wirksamer Trinkwasserschutz durch Bestimmung der Zuströmbereiche» geforderten Gesetzesänderungen rasch in Kraft treten. Momentan ist das BAFU daran, die VernehmÂlassungsvorlage fĂĽr die Ă„nderungen des Gewässerschutzgesetzes auszuarbeiten. Die Vernehmlassung der Gesetzesänderung ist fĂĽr die zweite Jahreshälfte vorgesehen. Wenn die Forderungen des Parlamentes in die Gesetzgebung eingeflossen sind und – ich komme auf die Bevölkerung zurĂĽck – die Kantone, Gemeinden und Einwohnerinnen und Einwohner sich fĂĽr deren Umsetzung engagieren, dann sichern wir das Trinkwasser wirklich!Auch an der Gewässerschutzverordnung wird gearbeitet. Artikel 29 fordert beispielsweise, dass bei Grundwasserfassungen Zuströmbereiche zu bezeichnen sind, «wenn das Wasser durch Stoffe verunreinigt ist, die nicht genĂĽgend abgebaut oder zurĂĽckgehalten werden, oder wenn die konkrete Gefahr einer Verunreinigung durch solche Stoffe besteht». Was unter einer konkreten Gefahr einer Verunreinigung zu verstehen ist, wurde bis anhin noch nicht genauer definiert, weswegen dieser Teil des Artikels 29 nie angewendet wurde. Momentan sind wir dabei, hierzu klarere Vorgaben zu formulieren, damit kĂĽnftig das Instrument des Zuströmbereichs nicht nur reaktiv, sondern auch proaktiv eingesetzt wird.
«Es gilt also, die Gewässer wieder naturnäher zu gestalten, um die Natur als Speicher zu nutzen und das Wasser länger im System zurückzuhalten.»
Eine verstärkte Speicherung von Wasser – ob in technischen Speichern oder in Grundwasserkörpern – wird künftig bei der Bewältigung von Trockenperioden, die aufgrund der Klimaänderungen häufiger werden, wohl eine zentrale Rolle spielen. Wie sollte diese Thematik angegangen werden?
Wie eingangs erwähnt, haben wir unsere Gewässer drastisch verändert. Dadurch hat sich der Abfluss stark beschleunigt. Es gilt also, die Gewässer wieder naturnäher zu gestalten, um die Natur als Speicher zu nutzen und das Wasser länger im System zurückzuhalten. So wie im Siedlungsraum der Schwammstadtansatz verfolgt wird, sollte für den ländlichen Raum ein Schwammlandansatz entwickelt und umgesetzt werden. Dazu müssten Landschaftsformen wie Moore, Auen und Feuchtgebiete, die wie ein Schwamm funktionieren, gefördert werden. Aber auch Änderungen in der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung, insbesondere ein Umdenken hinsichtlich der Drainierung, gehören wahrscheinlich dazu.
Die Schweiz wird gerne als Wasserschloss Europas bezeichnet. Welche Hebel mĂĽssen in Bewegung gesetzt werden, damit die Schweiz ein Wasserschloss bleibt?
Ein Wasserschloss im Sinne der Menge werden wir auch mit dem Klimawandel grossmehrheitlich bleiben – regional und saisonal kann es allerdings anders aussehen. Um Engpässe in der Wasserversorgung zu vermeiden, wird sicher eine stärkere Vernetzung von Wasserversorgungen wichtig sein. Das Wasserschloss wurde in der Vergangenheit durch Landgewinnung und Wasserkraftnutzung sehr stark umgebaut und degradiert. Wenn wir die Vielfalt der Bewohner dieses Schlosses, der aquatischen Lebewesen, in den Blick nehmen, dann wird schnell klar, dass wir uns stark engagieren müssen, damit nicht die Bestände wie auch die Biodiversität in den Gewässern drastisch zurückgeht. Also die Wasserqualität verbessern durch eine Reduktion der Stoffeinträge von Siedlung, Industrie und Landwirtschaft, naturnahe vernetzte Lebensräume bestmöglich erhalten respektive wiederherstellen, und die Trinkwasserressourcen konsequent schützen.
Seitens Gesetzgebung wurden vom Bund viele Hebel geschaffen respektive sind zurzeit am Entstehen, um das Wasserschloss Schweiz zu erhalten beziehungsweise «bewohnbarer» zu machen. Jetzt gilt es, diese Hebel auch anzuwenden. Es gibt technisch machbare Lösungen, um die Beeinträchtigungen und den Nutzungsdruck zu mindern. Dabei ist wichtig, dass die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Die Kantone haben hierbei eine grosse Verantwortung, selbstverständlich mit Unterstützung des BAFU, die gesetzlichen Regelungen umzusetzen und zu vollziehen.
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Nach einem Chemiestudium und anschliessendem Doktorat in analytischer Chemie an der ETH arbeitete Stephan Müller an der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, zunächst als Spezialist auf dem Gebiet der analytischen Chemie, dann als Leiter der Chemieabteilung und schliesslich als Leiter der Abteilung «Wasser und Landwirtschaft». Seit 2004 ist er Abteilungsleiter Wasser beim BAFU. Ende März dieses Jahres geht Stephan Müller in Pension. |
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