Ăśber welche Grundwasservorkommen verfĂĽgt der Kanton Solothurn?
An erster Stelle sind sehr ergiebige Schottergrundwasservorkommen zu nennen. Diese liegen im Mittelland entlang der Flüsse Aare, Emme und Dünnern. Diese mächtigen, trägen Systeme stellen ein grosses Reservoir dar und reagieren in der Regel stark verzögert auf klimatische Einflüsse. Einzelne, meist wenig ergiebige, aber für die lokalen Wasserversorgungen dennoch wichtige Schottergrundwasservorkommen finden sich auch in den Tälern im Solothurner Jura. Hier dominieren ansonsten Karstgrundwasservorkommen. Es gibt einerseits die oberflächennahen Karstsysteme, die rasch auf Niederschlagsereignisse reagieren und die karsttypische Vulnerabilität aufweisen. Andererseits gibt es auch tiefere Karstgrundwasservokommen, die nicht direkt Oberflächeneinflüssen, wie der Witterung oder Schadstoffeinträgen ausgesetzt sind.
Eine Spezialität ist schliesslich die Region Bucheggberg im Südwesten des Kantons. In dieser Hügelzone im Mittelland zirkuliert das Grundwasser in porösen und geklüfteten Sandsteinen.
«Zentral ist, dass Wasserversorgungen und Landwirtschaft am selben Strick ziehen.»
Zur Trinkwasserversorgung im Kanton: Welche Ressourcen werden genutzt? Wie viele Versorger gibt es im Kanton?
Rund 70% des Trinkwasserbedarfs im Kanton wird aus den Schottergrundwasservorkommen gedeckt, wovon die grossen Vorkommen zu über 95% beitragen. Die restlichen 30% sind Quellwasser. Oberflächenwasser wird heute nicht genutzt. Gewonnen wird das Wasser in 32 Grundwasserpumpwerken und ca. 320 Quellfassungen. Davon haben 44 Fassungen eine regionale Bedeutung: 17 Pumpwerke und 27 Quellen. Die Wasserversorgung ist nach wie vor sehr dezentral organisiert: Es gibt mehr Trägerschaften als Gemeinden, nämlich rund 160 Wasserversorgungen bei 107 Gemeinden.
Das Nitratprojekt Niederbipp-Gäu-Olten ist das schweizweit grösste Projekt dieser Art und wurde 2000 gestartet. Wo steht es heute nach über 20 Jahren?
Auch nach 20 Jahren ist das Qualitätsziel im Dünnern-Grundwasservorkommen, dem zweitwichtigsten im Kanton, noch nicht erreicht. Das mittlere Grundwasseralter im Gäu beträgt rund 20 Jahre, d. h. ein auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche versickernder Regentropfen benötigt rund 20 Jahre, bis er in einer Fassung als Trinkwasser gefördert wird. Zudem ist der Stickstoffvorrat in den Böden gross, u. a. aufgrund der jahrzehntelangen Überdüngung mit organischen Düngern. Dieser Überschuss muss zuerst abgebaut werden. Es dauert also lange, bis sich eine angepasste Landbewirtschaftung auch positiv auf die Grundwasserqualität auswirkt.
Dennoch kann das Projekt bereits verschiedenen Erfolge ausweisen: Die Stickstoffauswaschung ins Grundwasser konnte um mindestens 20% reduziert werden, wodurch in allen Fassungen die Nitratwerte zumindest stabilisiert und Überschreitungen des TBDV-Höchstwerts (40 mg/l) verhindert wurden. Zudem sind die umgesetzten Massnahmen akzeptiert, und nahezu alle Landwirtschaftsbetriebe im Projektperimeter beteiligen sich heute auf freiwilliger Basis am Projekt. Eine angemessene Entschädigungslösung für den Mehraufwand bzw. die Einschränkungen wurde gefunden. Zentral ist, dass Wasserversorgungen und Landwirtschaft am selben Strick ziehen. Mit der Nitratkommission wurde eine Steuergruppe geschaffen, in der Wasserversorgungen, Landwirtschaft und Kanton gemeinsam nach Lösungen suchen.
Was ist neu in der laufenden 4. Projektperiode?
Die 4. Periode von 2021 bis 2026 basiert auf vier Pfeilern:
Was genau ist unter den neuen DĂĽngepraktiken zu verstehen?
Die heutigen Massnahmen im Bereich Fruchtfolge, Winterbegrünung und reduzierter Bodenbearbeitung sind trotz bereits stillgelegter Ackerflächen nicht genügend wirksam, um das gesteckte Qualitätsziel erreichen und halten zu können. Deshalb soll ab 2024 ein neues Massnahmenpaket eingeführt werden. Bis anhin wurden keine zusätzlichen Massnahmen im Bereich der Düngung umgesetzt. Es galten einfach die Anforderungen gemäss ökologischem Leistungsnachweis (ÖLN) und zusätzlich ein Düngeverbotsfenster im Winter. Untersuchungen zeigten aber, dass die Düngung in den Vordergrund rücken muss, um die Nitratauswaschung weiter zu reduzieren. Da der N-Pool der Böden im Gäu jedes Jahr viel Stickstoff nachliefert, kann die Düngung entsprechend reduziert werden, ohne dass produktionsseitig Mengen- und Qualitätseinbussen auftreten. Dazu muss der im Boden vorhandene mineralische (pflanzenverfügbare) Stickstoff jeweils bekannt sein und diese Menge von der üblichen Düngemenge abgezogen werden. Ebenso sollen vollständige Düngebilanzen auf Parzellenebene eingeführt werden. Die heute zugrundeliegende Bilanzierung (Suisse Bilanz gemäss ÖLN) fokussiert auf den Stickstoffanteil des Düngers, der im Ausbringungsjahr für die Pflanzen verfügbar ist. Der restliche Stickstoff verschwindet aus der Bilanz. Natürlich ist er aber weiterhin im Boden vorhanden und kann in den Folgejahren wirken.
Welche Ideen gibt es, um den langfristigen Erfolg des Projekts zu sichern?
Im Vordergrund steht ein kantonales Nutzungsplanverfahren, das den Perimeter eigentümerverbindlich festlegt und ein Reglement mit Massnahmen umfasst, die eingehalten werden müssen. Wir favorisieren aktuell eine Lösung aus Basismassnahmen,
die für alle Betriebsausrichtungen und Produktionssysteme gelten, sowie freiwilligen betriebsspezifischen Massnahmen, damit die Betriebe eine gewisse betriebliche Flexibilität behalten. Wo die Grenze zwischen verpflichtend und freiwillig angesetzt wird, muss noch diskutiert und austariert werden. Auch eine Branchenlösung, analog zu Lösungen in verschiedenen Industrie- und Gewerbebranchen im Umweltbereich, wäre möglich. Dabei würde sich die Landwirtschaft selbst regulieren und sicherstellen, dass die notwendige Beteiligung erreicht und die Massnahmen umgesetzt werden.
«Mit neuen Düngepraktiken wollen wir Grundlagen für eine neue Praxis in der ganzen Schweiz schaffen, auch im Hinblick auf den Stickstoff-Absenkpfad auf nationaler Ebene.»
Neben Nitrat gehören Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in landwirtschaftlichen Gebieten zu den häufig gefundenen Belastungen im Grundwasser. Wie sieht die Situation im Kanton Solothurn aus?
In den Schottergrundwasservorkommen ist die Situation bezüglich der Belastung mit Abbauprodukten von Chlorothalonil bedenklich. Im Solothurnischen Mittelland gibt es lediglich ein Grundwasserpumpwerk, wo der Höchst- bzw. Zielwert von 0,1 µg/l unterschritten wird. Bei allen anderen Fassungen liegt die Belastung im Bereich von 0,1 µg/l oder sogar deutlich höher. Betroffen ist vor allem das Dünnerngrundwasservorkommen, da hier die Verdünnung mit Flusswasser geringer ist als in den beiden anderen grossen Vorkommen. Zudem erfolgt die Grundwasserneubildung hauptsächlich auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Da quasi die ganze Schottergrundwasserressource des Kantons flächig verunreinigt ist, fehlt unbelastetes Wasser, um zu verdünnen. Weniger problematisch ist die Lage bei den Quellen im Solothurner Jura. Nur einzelne Quellen im Tafeljura mit Ackerbau im Einzugsgebiet sind belastet.
Karstquellen können aber nur in wenigen Fällen zur Verdünnung des Schottergrundwassers dienen. Einerseits ist die Quellschüttung mengenmässig viel zu klein, anderseits fehlt die notwendige Infrastruktur.
Unter dem Motto «Gutes Wasser für morgen» begann der Kanton Solothurn in den 2010er Jahren, die öffentliche Wasserversorgung auf die heutigen Anforderungen an Qualität und Versorgungssicherheit auszurichten. Welche Strategie wurde und wird verfolgt?
Das neue kantonale Gesetz über Wasser, Boden und Abfall aus dem Jahr 2010 ermöglicht es dem Kanton, Regionalplanungen durchzuführen und neue regionale Infrastrukturanlagen mitzufinanzieren. Der Grundsatz dieser Regionalplanungen ist: Jede Wasserversorgung bezieht ihr Wasser aus gut geschützten Fassungen und aus hydrogeologisch unabhängigen Bezugsorten und kann damit die Lastfälle Spitzentag und Versorgungssicherheit abdecken. Anstatt neue Fassungen zu bauen, wurde die Vernetzung vorangetrieben. So konnten viele Investitionskosten eingespart werden. Gleichzeitig wurde mit weniger Fassungen eine bessere und robustere Versorgungsstruktur geschaffen, in der die Primäranlagen optimal genutzt werden.
Was waren ursprünglich die grössten Herausforderungen, die bei der regionalen Wasserversorgungsplanung auftraten?
Mancherorts gab es Widerstand seitens der Gemeinden, die darauf beharrten, dass sie für die Wasserversorgung zuständig sind und der Kanton nicht mitbestimmen soll. Auch die Angst, dass Fassungen oder eigene Wasserversorgungen aufgeben werden müssen, war hie und da zu spüren. Überdies waren viele Wasserversorgungen überzeugt, dass sie keine Defizite aufwiesen, sei es beim Grundwasserschutz, bei der Qualität oder bei der Versorgungssicherheit. Es war ja bis anhin alles gut, warum sollte es jetzt einen Handlungsbedarf geben. Es brauchte viel Zeit, um Verständnis dafür zu schaffen, dass tatsächlich Defizite bestanden, eine überkommunale Zusammenarbeit einen Mehrwert bietet und die Einzelversorgungen dadurch entlastet werden.
«Wir müssen sicherstellen, dass die Regionen Zugang zu Wasserressourcen mit unterschiedlichen Risikoprofilen, also unterschiedlichen Nutzungen im Einzugsgebiet haben.»
Nun hat sich mit der Chlorothalonil-Problematik die Situation dramatisch geändert. Viele wichtige Grundwasservorkommen des Kantons sind flächig belastet. Was bedeutet das für die bis anhin entwickelten regionalen Wasserversorgungspläne?
Aufgrund der Situation wurde eine neue Strategie mit dem Namen «SWAN - Solothurner Wassernetzwerk» aufgegleist. Mit SWAN sollen die Kompetenzen von Gemeinden und Kanton zusammengeführt und ein Netz geschaffen werden, das die kommunale Trinkwasserversorgung sichert, wobei die Wasserversorgung aber weiterhin Aufgabe der Einwohnergemeinden bleibt. Zudem wollen wir damit die Herausforderungen der Wasserbeschaffung für Bevölkerung, Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe meistern. In den regionalen Planungen wurden bis anhin verschiedene Grundwasservorkommen oder Teilströme innerhalb eines Vorkommens, die dieselben Risiken im Einzugsgebiet aufweisen, miteinander verbunden. Dieses Konzept funktioniert, wenn nur ein einzelner Grundwasserleiter ausfällt, z. B. durch eine punktuelle Verunreinigung.
Die Chlorothalonil-Problematik führte uns aber das Risiko vor Augen, dass alle Grundwasserleiter zeitgleich ausfallen können, z. B. durch flächige Einträge aus der Landwirtschaft. Alle Schottergrundwasservorkommen im Kanton Solothurn weisen dasselbe Risikoprofil und dieselben Nutzungen im Einzugsgebiet auf. Somit ist ein flächig auftretender Problemstoff mit hoher Wahrscheinlichkeit in allen Grundwasserleitern zu finden. Das heutige Konzepte, hydrogeologisch unabhängige Vorkommen zu verbinden, reicht daher nicht. Für Ereignisse mit Breitenwirkung, bei denen mehrere, hydrogeologisch unabhängige Bezugsorte betroffen sind, sind wir heute nicht gewappnet, wenn wir Engpässe verhindern wollen.
Was schlagen Sie als Lösung vor?
Wir müssen sicherstellen, dass die Regionen Zugang zu Wasserressourcen mit unterschiedlichen Risikoprofilen, also unterschiedlichen Nutzungen im Einzugsgebiet haben. Es ist nicht davon auszugehen, dass diese zeitgleich belastet sind. Mit der Erschliessung von Ressourcen und dem Aufbau der entsprechenden Netzinfrastruktur sollte es bei einem künftigen Ereignisfall möglich sein, den Regionen genügend Wasser, allenfalls zum Mischen, zur Verfügung zu stellen. Dabei ist wichtig, dass nicht nur Verunreinigungsszenarien betrachtet werden, sondern auch Trockenheitsszenarien. Karstwasser kann z. B. Belastungen im intensiv genutzten und dicht besiedelten Mittelland verdünnen, die ergiebigen Schottergrundwasservorkommen können hingegen bei Trockenheit auch Regionen versorgen, deren Karstquellen zu wenig Wasser bringen. Unterschiedliche Ressourcen sind also ein Gewinn für alle Regionen im Kanton. Die Wasserversorgung wird gesamthaft robuster und ist gewappnet für künftige Herausforderungen hinsichtlich Qualität und Quantität.
Welche Wasserressourcen könnten im Kanton Solothurn neu erschlossen werden?
Hier gibt es mehrere Möglichkeiten: Zu nennen ist erstens tiefes und gegenüber Oberflächeneinflüssen gut geschützte Karstwasser. Genutzt werden kann es bei den Übertrittsstellen in die Talschotter oder durch Fassung direkt im Karst. Zweitens kann Aarewasser herangezogen werden, indem es entweder zur Grundwasseranreicherung oder direkt als Uferfiltrat genutzt wird. Eine dritte Ressource sind oberflächennahe Karstquellen, die eine hohe Ergiebigkeit aufweisen, auch in Trockenperioden. Es gibt einige solche Quellen, die heute nicht genutzt werden, zum einen wegen der ungenügenden Wasserqualität - Trübung und mikrobielle Belastung - und zum anderen wegen der grossen Karstschutzzonen, die nicht zweckmässig umgesetzt werden können. Es wäre jedoch möglich, dieses Karstwasser zu fassen und damit Grundwasservorkommen anzureichern unter Ausnutzung der natürlichen Reinigung bei der Versickerung und der Zwischenspeicherung im Schotter. So liessen sich sowohl eine komplexe Aufbereitung als auch grosse Schutzzonen vermeiden.
Solch eine Diversifizierung der Wasserbeschaffung kostet viel Geld. Welche Möglichkeiten der Finanzierung sehen Sie?
Wichtig ist, dass nicht eine kantonale Wasserversorgung geschaffen wird. Die Wasserversorgung bleibt Aufgabe der Einwohnergemeinden und soll auch weiterhin von diesen betrieben werden. Die Rolle des Kantons ist die des Wegbereiters und des übergeordneten Koordinators. Bei ihm laufen die Fäden der einzelnen Teilprojekte zusammen, er kann hydrogeologische Erkundungen vornehmen, allenfalls auch Vorinvestitionen tätigen und die geschaffene Infrastruktur dann den Trägerschaften übergeben. Grundsätzlich kann sich der Kanton Solothurn mit 35% an neuen Infrastrukturanlagen beteiligen.
Wichtig ist weiter, dass regionale Strukturen geschaffen werden, die diese zusätzliche Infrastruktur finanziell mittragen, betreiben, unterhalten oder refinanzieren. Wie das organisatorisch erfolgt, überlassen wir den Gemeinden. Wir beraten und unterstützen aber auch bei organisatorischen Fragen und können solche Projekte ebenfalls mit 35% finanziell unterstützen. Anzumerken bleibt, dass die erwarteten Investitionen im Kontext der gesamten Wiederbeschaffungswerte der heutigen Wasserversorgungsanlagen (Primär- und Sekundäranlagen) gering sind.
Immer wieder kommt es vor, dass in Grundwasserschutzzonen z. T. schwer lösbare Nutzungskonflikte auftreten, aber gleichzeitig die Wasserqualität einwandfrei ist. Welchen Ansatz verfolgen Sie in solchen Fällen?
Leider wird oft missverstanden, dass eine aktuell gute Grundwasserqualität nicht bedeutet, dass auf korrekt dimensionierte Schutzzonen und die Umsetzung von Schutzmassnahmen verzichtet werden kann. Schutzzonen sind ein vorsorgliches Instrument, das nur wirksam ist, wenn die Massnahmen heute umgesetzt werden, und nicht erst wenn es zu spät ist. Eine gesetzeskonforme Grundwasserqualität darf nicht gegen die genauso wichtigen und gesetzlich geforderten Schutzmassnahmen ausgespielt werden. Grundsätzlich fordern wir daher, dass auch bei guter Grundwasserqualität die Schutzzonenmassnahmen umgesetzt werden. Sind die Nutzungskonflikte zu schwerwiegend, muss eine alternative Wasserbeschaffung in Betracht gezogen werden. Bei guter Qualität können allerdings etwas längere Übergangsfristen gewährt werden.
In Oensingen standen wir lange vor der Herausforderung, dass bezüglich PSM und Nitrat das beste Grundwasser in der Region gefördert wird, aber keine rechtsgültigen Schutzzonen ausgeschieden und umgesetzt waren. Die dreidimensionale Betrachtung der Schutzzonenausdehnung war der Ausweg: Die Fassung mit Horizontalfitersträngen befindet sich in einem äusserst mächtigen Grundwasserkörper. Wir haben die 10-Tages-Grenze als dreidimensionale Fläche um die Filterstränge herum modelliert und mit Markierversuchen nachgewiesen, dass an der Grundwasseroberfläche das 10-Tage-Kriterium überall eingehalten wird. Dadurch konnte für die Zone S2 von der 100-m-Regel abgewichen werden, ohne den Grundwasserschutz zu schwächen. Dafür gelten in der Zone S3 strengere Vorschriften. So lässt sich guten Gewissens sagen, dass der Schutz dieser Fassung über die nächsten Jahrzehnte gesichert ist.
Grundwasserschutzzonen sind nicht geeignet, um Wasserfassungen vor persistenten chemischen Verunreinigungen zu schützen, weswegen nun die verstärkte Ausscheidung von Zuströmbereichen Zu gefordert wird. Wo steht der Kanton Solothurn diesbezüglich? Was ist mittel- bis langfristig geplant?
Für die nitratbelasteten Fassungen im Dünnerngrundwasservorkommen ist seit 2000 ein Zu ausgeschieden und wurde 2021 in den Kanton Bern erweitert. Die Herausforderung wird sein, diesen grossen Zu von rund 2000 ha eigentümerverbindlich festzusetzen. Wir gehen davon aus, dass wir für alle Fassungen von regionaler Bedeutung einen Zu bezeichnen werden. In grossen Grundwasservorkommen mit mehreren Fassungen wird der Zu wohl ungefähr die Umhüllende der einzelnen Zu sein, schon alleine um einen verhältnismässigen Vollzug sicherzustellen.
Ein gutes hydrogeologisches Systemverständnis ist für den Schutz von Fassungen zentral. Daher ist es zu begrüssen, wenn die Zuströmbereiche der einzelnen Fassungen bekannt sind. Zweifelsohne ist dies im Interesse der Wasserversorger, um bei Schadenereignissen im Zu adäquate Massnahmen zu treffen oder Überwachungsmessstellen am richtigen Ort zu positionieren. Dennoch sehe ich den Zu als Vollzugsinstrument auch kritisch an. So macht es wenig Sinn, in den Zu die Anwendung einzelner PSM zu verbieten. Zielführender ist, die gesamte Ressource zu schützen, indem problematische PSM im Gewässerschutzbereich Au gar nicht erst angewendet werden dürfen, denn wir wissen heute nicht, wo in Zukunft Fassungen realisiert werden. Solche Anwendungsbeschränkungen im Au sollten bei der PSM-Zulassung bereits festgelegt werden, Anwendungsbeschränkungen im Zu sind hingegen eher Symbolpolitik. Es ist zudem illusorisch zu meinen, mit den Zu liessen sich alle Probleme lösen. Dass keine problematischen PSM mit persistenten Metaboliten ins Grundwasser gelangen, ist grundsätzlich Aufgabe der Zulassungsstelle und nicht der Gewässerschutzbehörden. Mängel in der Zulassung dürfen und können nicht im Zu ausgebessert werden. Mit dem planerischen Grundwasserschutz lässt sich nicht alles erreichen. Neben der Zulassung ist insbesondere auch die landwirtschaftliche Praxis (z. B. neue Düngenormen) gefragt.
«Dass keine problematischen PSM mit persistenten Metaboliten ins Grundwasser gelangen, ist grundsätzlich Aufgabe der Zulassungsstelle und nicht der Gewässerschutzbehörden.»
Momentan wird der kantonale Richtplan überarbeitet. Anpassungen sind auch in den beiden Kapiteln «Grundwasser» und «Trinkwasser» geplant. Welche?
Wir bezeichnen darin 44 unserer Trinkwasserfassungen als regional bedeutend. Es handelt sich um die ergiebigsten Fassungen, die sich mit gesetzeskonformen Grundwasserschutzzonen schützen lassen. Damit sollen diese auch auf höchster raumplanerischer Ebene geschützt werden, sodass die Belange des Grundwasserschutzes recht- und frühzeitig in Interessensabwägungen einfliessen und diese Fassungen gegenüber anderen Landnutzungsansprüchen bzw. Bauvorhaben gesichert werden. Diese wenigen Fassungen können, die Vernetzung vorausgesetzt, rund 160% des heutigen mittleren Bedarfes und 80% des Spitzenbedarfs des Kantons abdecken.
Zudem wollen wir in jedem der grossen Schottergrundwasservorkommen mindestens ein zusätzliches Grundwasserschutzareal von regionaler Bedeutung in die Richtplanung aufnehmen. Insgesamt werden wir damit in den drei grossen Grundwasservorkommen über 7 Schutzareale verfügen, aus denen in Ergänzung zu den bestehen Fassungen 70'000 l/min entnommen werden könnten. Primär geht es bei den Schutzarealen um die Sicherung der letzten freien Flächen, die sich für regionale Fassungen mit rechtskonformen Schutzzonen ohne nennenswerte Nutzungskonflikte eignen.
Sie beschäftigen sich nun schon seit geraumer Zeit mit den Themen Wasserversorgung und Grundwasser im Kanton Solothurn. Welches waren die wichtigsten Entwicklungen bzw. Verbesserungen, die Sie in diese Zeit mitgestalten konnten?
In den letzten 10 Jahren hat das Verständnis für den Grundwasserschutz und für regionale Betrachtungen und Lösungen bei der Wasserversorgung stark zugenommen. Zudem brachten die «Chlorothalonil-Krise» wie auch die Trinkwasserinitiative die heutigen Defizite und die enorme Bedeutung des vorsorglichen Grundwasserschutzes endlich auf die nationale Bühne. Dies gab Aufwind für verschiedene Vorhaben auf kommunaler und kantonaler Ebene, welche die Wasserversorgung grundsätzlich stärken. Ebenso haben sektrorübergreifende Betrachtungen und das integrale Wassereinzugsmanagement an Bedeutung gewonnen. Nur wenn alle Akteure an Bord sind, lassen sich umsetzbare Lösungen finden, die den Grundwasserschutz insgesamt stärken. Weiter freut mich, dass wir als relatives kleines Umweltamt zusammen mit dem Bund und verschiedenen Hochschulen eine praxisorientierte Agronomie-Forschung betreiben, mit den Landwirtschaftsbetrieben gut und eng zusammenarbeiten und damit Wegbereiter für neue Landwirtschaftspraktiken sind, die zwar auf der Hand liegen, aber durch die Beratungsdienste, Landwirtschaftspolitik und Forschung nie den Weg in die Praxis fanden.
Viel Zeit gekostet hat uns die Chlorothalonil-Problematik, insbesondere als nahezu alle Wasserversorgungen im Mitteland kein einwandfreies Wasser mehr liefern konnten. Die Lösungsfindung und Kommunikation zusammen mit der Lebensmittelkontrolle, dem Amt für Landwirtschaft, den Wasserversorgungen, Gemeinden und der Politik war eine Herausforderung – aber auch eine Chance, die schlussendlich zu SWAN führte.
Nicht zuletzt möchte ich auch die Einführung des neuen Solothurner Wassergesetzes erwähnen, das den Werterhalt und damit die Sicherung der Finanzierung der Wasserversorgung in den Wasserrechnungen einführte sowie die Möglichkeit, regionale Investitionen und Strukturen mit bis zu 35% durch den Kanton zu finanzieren. Damit konnten etliche regionale Projekt angestossen werden.
Seit 2009 arbeitet Rainer Hug, der Geologie und Hydrogeologie an den Universitäten Bern und Neuenburg studierte, als wissenschaftlicher Experte für Grundwasserschutz und Wasserversorgung beim Amt für Umwelt in Solothurn. Mit dem Nitratprojekt Niederbipp-Gäu-Olten leitet er das grösste 62a-Projekt der Schweiz zur Reduzierung von Nitrateinträgen ins Grundwasser.
Nitratprojekt Niederbipp - Gäu - Olten
https://so.ch/verwaltung/bau-und-justizdepartement/amt-fuer-umwelt/wasser/grundwasser/schutz/nitratprojekt-gaeu-olten/
Regionale Wasserversorgungsplanung
https://so.ch/verwaltung/bau-und-justizdepartement/amt-fuer-umwelt/wasser/infrastruktur/wasserversorgung/wasserversorgungsplanung/ und Artikel im Aqua & Gas 6/2017 (S. 44-51)
Solothurner Wassernetz SWAN
https://so.ch/verwaltung/bau-und-justizdepartement/amt-fuer-umwelt/w
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Trinkwasserschutz