Das Klimaziel der Schweiz heisst Netto-Null bis 2050. Die Treibhausgasemissionen müssen global gesenkt werden, um den Temperaturanstieg zu drosseln. Biomasse kann dabei eine Schlüsselrolle spielen. Im neuen Biomasse-Forschungshub der BFH-HAFL wird ihr vielfältiges Potenzial als Kohlenstoffquelle, Kohlenstoffspeicher sowie als Energieträger erforscht.
Das moderne Analyse-Labor haben die BFH-HAFL-Direktorin Prof. Ute Seeling und der Leiter Agronomie Prof. Peter Spring im Beisein des Berner Grossrats Markus Aebi am 9. Januar offiziell eröffnet; der Kanton Bern unterstützt den Biomasse-Forschungshub im Rahmen betriebsspezifischer Anpassungen mit 2 Mio. Franken.
Gülle macht etwa die Hälfte der in der Schweiz bisher ungenutzten Biomasse aus. Bislang landet Gülle als Dünger auf dem Feld, da eine zusätzliche Nutzung herausfordernd ist:  «Gülle ist verschmutzt, verdünnt und fällt weit verstreut in den Regionen an», erklärt Prof. Michael Studer, Dozent für erneuerbare Rohstoffe und Energieträger sowie Forschungsgruppenleiter des Labors für Bioenergie und Biochemikalien an der BFH-HAFL und Leiter des neuen Biomasse-Hubs. «Um diese Herausforderung zu meistern, entwickeln wir am Forschungshub kleine Biogasanlagen, die direkt auf Bauernhöfen installiert werden können. Dort wird Gülle vor Ort in Methan, also in Biogas, umgewandelt.» Dieses Biogas soll künftig ins zentrale Erdgasnetz eingespeist werden – und so einen Beitrag zur nachhaltigen Energie- und Rohstoffversorgung leisten.
«Der Kanton Bern eignet sich ideal für einen Biomasse-Forschungshub, da hier schweizweit die grösste Menge an Hofdünger anfällt», erläutert Studer. «Es sind uns bereits erste, innovative Schritte in diesem Forschungsgebiet gelungen», so Seeling an der Eröffnung: Die erste Demoanlage befindet sich im Bau.
Aus Biomasse lässt sich Energie bereitstellen, sie kann aber auch als erneuerbare Kohlenstoffquelle fĂĽr organische Chemikalien und Plastik erschlossen werden; diese werden bisher fast ausschliesslich aus Erdöl oder Erdgas hergestellt. In Zollikofen wird darum intensiv an neuartigen biotechnologischen Umwandlungsverfahren geforscht, die es möglich machen, in diesem Bereich auf nicht-fossile Rohstoffe umzusteigen. Die Chemieindustrie verfolgt diese Entwicklungen intensiv, da sie auf Kohlenstoff angewiesen ist. Neben COâ‚‚ und recyceltem Kunststoff ist Biomasse die einzige erneuerbare Kohlenstoffquelle – und gemäss Michael Studer die gĂĽnstigste.Â
Im Biomasse-Labor laufen auch innovative Projekte zu Negativemissionstechnologien (NET). Diese Technologien «fischen» ausgestossenes CO₂ aus der Luft und binden es dauerhaft, etwa in Pflanzenkohle. NET sind unabdingbar für die Zukunft: Denn auch bei Senkung der CO₂-Emissionen im Verkehr durch Elektroautos oder im Heizungsbereich durch Wärmepumpen werden in der Schweiz jährlich rund 12 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente bestehen bleiben – verursacht durch Abfallverbrennung, die chemische Industrie und die Landwirtschaft. «Unser Ziel ist es, der Landwirtschaft als starkem Forschungspartner nachhaltige und praktikable Lösungen bereitzustellen», ergänzt Agronomieleiter Spring.
Der Biomasse-Forschungshub setzt ausserdem auf Mikroalgen: Diese binden in einem neuen kontinuierlichen Verfahren CO₂ und produzieren Lipide, die als nachhaltiger Ersatz für Palmöl in Flugzeugtreibstoff genutzt werden können – ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer fossilfreien Zukunft.
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