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04. Dezember 2024

Nährstoffhaushalt in Seen

Flachwasserbereiche sind entscheidend

Auch tiefe Klarwasserseen können Anzeichen von Überdüngung und Algenwachstum zeigen. Eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zeigt nun, dass die Ursachen nicht immer in steigenden Nährstoffeinträgen aus dem Einzugsgebiet oder in Rücklösungsprozessen im Tiefenbereich eines Sees zu suchen sind, sondern auch in den flacheren Bereichen bis rund 20 Metern Wassertiefe.

Überdüngung, auch Eutrophierung genannt, ist ein weltweites Umweltproblem in Seen. Häufig ist sie auf vom Menschen verursachte Nährstoffeinträge, wie unzureichend behandeltes Abwasser und die Düngung landwirtschaftlicher Flächen, zurückzuführen. Die bekannten Folgen sind Algenblüten, Sauerstoffmangel und Fischsterben. Inzwischen zeigen aber auch immer mehr abgelegene Seen Anzeichen einer plötzlichen Eutrophierung. Bisher wurden der Klimawandel, atmosphärische Einträge oder die interne Belastung aus dem Tiefenbereich der Seen als mögliche Ursachen diskutiert.

Für ihre Studie untersuchte ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) den Stechlinsee, einen tiefen Klarwassersee im Nordosten Deutschlands, der in den letzten Jahren eine dramatische Nährstoffzunahme erlebt hat. Innerhalb von nur zehn Jahren vervierfachte sich die Phosphorkonzentration, was mit Algenblüten, Sauerstoffschwund im Tiefenwasser und anderen Symptomen der Eutrophierung einherging.

Veränderung der Vegetation in den Flachwasserbereichen

Die Forscherinnen und Forscher fanden bei ihrer Arbeit heraus, dass nicht nur Prozesse in den Sedimenten tieferer Bereiche den natürlichen Phosphorrückhalt im See beeinflussen, sondern auch die Flachwasserbereiche des Sees eine entscheidende Rolle spielen. Flachwasserbereiche sind in der Studie als Zonen definiert, in denen noch Licht bis zum Grund durchdringt. Am Stechlinsee sind dies Bereiche bis etwa 20 Meter Wassertiefe und 46 Prozent der Seefläche.

Insbesondere Veränderungen bei den dort vorkommenden Unterwasserpflanzen und die reduzierte Fähigkeit der Sedimente, Phosphor zu binden, verstärken die interne Phosphordynamik. Bisher sind sogenannte Regimewechsel vorwiegend für flache, nicht aber für geschichtete Seen beschrieben. Der Stechlin gehört mit einer maximalen Tiefe von fast 70 Metern jedoch zu den tiefsten Seen Norddeutschlands. 

Gebundener Phosphor gelangt in die Wassersäule

Wie die Forschenden beschreiben, gingen die mit wintergrünen Armleuchteralgen besiedelten Flächen stark zurück, sodass freiliegende Sedimentflächen entstanden, die nun allmählich mit einjährigen, höheren Wasserpflanzen besiedelt wurden. Diese Veränderungen der Vegetation führten dazu, dass der zuvor in Pflanzen oder Sedimenten gebundene Phosphor in die Wassersäule gelangen konnte. Die Ursachen für diese Veränderung der Unterwasserpflanzen-Gemeinschaft sind nach wie vor Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Diskussion. 

Neben den Pflanzen, so die Ergebnisse der Studie, sind auch Veränderungen der Sedimenteigenschaften des Sees ein wichtiger Faktor. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen festgestellt haben, dass die obersten Sedimentschichten weniger Eisen enthalten, wodurch sich die Fähigkeit, Phosphor zu binden, verringere. Dies könnte über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten durch die fortschreitende Bildung von Eisensulfid in den flachen und tiefen Sedimenten des Sees verursacht worden sein. Dabei wird Eisen zunehmend als Eisensulfid festgelegt und steht nicht mehr für die Bindung des Phosphors zur Verfügung.

«Diese komplexen Wechselwirkungen zwischen Pflanzenwelt und Sedimenteigenschaften könnten erklären, warum der Stechlinsee in den letzten Jahren so schnell eutrophiert ist», erklärt Thomas Gonsiorczyk, einer der beiden Hauptautoren der Studie. Die Analyse des Stechlinsees zeige auch, dass der Anstieg der Phosphorkonzentration nicht durch externe Nährstoffeinträge zu erklären ist. Die Datenauswertungen legen sogar nahe, dass die Phosphorbelastung aus dem Einzugsgebiet seit 1990 abgenommen hat. Auch andere potenzielle Quellen wie Wiedervernässungsmassnahmen oder die Spätfolgen früherer Belastungen durch Abwässer der touristisch stark frequentierten Region wurden als Ursache für die Phosphoranreicherung als unwahrscheinlich eingestuft.

Trendumkehr: Phosphorkonzentrationen sinken seit 2020

Seit 2020 hat die Phosphorkonzentration im See wieder stark abgenommen. Die Phosphorkonzentration im See sei 2024 nur noch halb so hoch wie noch im Jahr 2020, so Michael Hupfer, ebenfalls Hauptautor der Studie. Ob diese Entwicklung anhält und diese Veränderung auch eine längerfristige Trendumkehr in der Besiedlung mit Unterwasserpflanzen zur Folge hat, bleibt jedoch abzuwarten. Die sinkenden Phosphorkonzentrationen haben bisher auch noch nicht dazu geführt, dass sich die Sauerstoffverhältnisse im Tiefenwasser entscheidend verbessert haben.

Bedeutung für den Gewässerschutz

Die Ergebnisse der aktuellen Studie sind für den Gewässerschutz von Interesse, da viele geschichtete Seen trotz ihrer Tiefe einen hohen Flachwasseranteil im oben beschriebenen Sinne aufweisen. Dort könnten also ähnliche Prozesse ablaufen.

Der Klimawandel verstärkt durch längere sommerliche Schichtung, Starkregen und häufigere Stürme die Eutrophierungserscheinungen in Seen. „Um geschichtete Klarwasserseen langfristig zu erhalten, müssen Schutzmassnahmen deshalb künftig stärker auch die durchlichteten Flachwasserbereiche einbeziehen“, betont Michael Hupfer. „Dies könnte helfen, die Nährstoffdynamik von Seen besser zu verstehen und wirksame Strategien gegen die Verschlechterung der Wasserqualität zu entwickeln.“

Langzeitdaten, Sedimentanalysen und Massenbilanzmodelle 

Für die Analyse zum Stechlinsee kombinierte das Forschungsteam Langzeitdaten zur Wasserchemie, mehrjährige Messungen mit Sedimentfallen, Sedimentanalysen und einfache Massenbilanzmodelle, um die Mechanismen hinter der plötzlichen Überdüngung des Stechlinsees zu entschlüsseln. Die Ergebnisse könnten auch auf ähnliche Seentypen weltweit zutreffen.

Quellen und weitergehende Informationen

Pressemitteilung des IGB

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