Noch immer suchen Forscher nach einem idealen Weg zur sicheren und stabilen Speicherung von Wasserstoff, dem Hoffnungsträger der Energiewende. Wie sich dieses flüchtige und brennbare Gas gefahrlos und mit einfachen «Zutaten» bändigen lässt, darüber berichten Forscher vom Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock, LIKAT, und der Firma H2APEX in der jüngsten Ausgabe von Nature Communication.
Mit Bikarbonat reagiert der Wasserstoff im beschriebenen System in Gegenwart eines Ruthenium-Katalysators zu Formiat, einem ebenfalls harmlosen Salz, und zwar dem der Ameisensäure. Der Clou des Ganzen: «Den im Formiat gespeicherten Wasserstoff können wir jederzeit wieder freisetzen – mit demselben Katalysator, im selben System», erläutern Rui Sang und Doktorandin Carolin Stein, beides Erstautoren der wissenschaftlichen Publikation, in einem Gespräch. Solch eine umkehrbare Reaktion nennt man reversibel.
Laut Forschungsgruppenleiter Henrik Junge arbeitet das System stabil bei Temperaturen um 60 Grad Celsius. Die Reaktion läuft in einer Lösung ab, in der sich alle beteiligten chemischen Stoffe befinden: Wasserstoff und Bikarbonat sowie der Katalysator, der die Reaktion erst ermöglicht und im Prozess selbst nicht verbraucht wird. Im Fall der neuesten Publikation basiert er auf Ruthenium und ist kommerziell erhältlich. Am Ende enthält diese Lösung auch das neugebildete Formiat – den eigentlichen H2-Speicher.
Auch technisch ist das System gut zu steuern, sagt Peter Sponholz, Forschungsleiter bei H2APEX: «Je nachdem, mit welchem Druck ich den Wasserstoff in das System gebe, wird das Gas entweder an das Bikarbonat zu Formiat gebunden oder die Reaktion kehrt sich um und das Formiat gibt den Wasserstoff wieder frei.»
Wasserstoff spielt eine Hauptrolle in alternativen Szenarien der Energieversorgung. Und als Speichermedien für eine künftige Wasserstoffwirtschaft werden u.a. Methanol, Ammoniak und Methan diskutiert. Ameisensäuresalze sind gegenüber diesen Speichermedien im Vorteil, was die Giftigkeit der Stoffe und den Energieverbrauch angeht. Formiat liesse sich einfach in Kunststoffcontainern lagern und in Tanklastern transportieren. Henrik Junge sagt: «Im Grunde wie Milch, Bier oder Diesel.»
Zusammen mit dem Bikarbonat bildet das Formiat ein Energiesystem, das wie eine Batterie über Wasserstoff be- oder entladen wird. Ein solches System eignet sich tatsächlich für den Einsatz vor allem im lokalen, etwa ländlichen Bereich. Dort kann Windkraft oder Solarenergie in Phasen, wo mehr Strom bereitgestellt als abgenommen wird, über die Elektrolyse grünen Wasserstoff produzieren, der dann als Formiat gespeichert wird.
In der Kooperation von LIKAT und H2APEX geht es den Forschern u.a. darum, im Formiat möglichst viel Wasserstoff unterzubringen. Beeinflusst wird dies durch Speicherdichte, Löslichkeit und «Molarität» des verwendeten Salzes, Eigenschaften, die wiederum von seinem «Gegenion» abhängen. Denn Salze bestehen üblicherweise aus Ionen gegensätzlicher Ladung, dem Kation und dem Anion.
Nach Tests einiger Kandidaten und Abwägung der Vor- und Nachteile hat man sich für Kalium entschieden, sagt Sponholz. Das Salz, das in der «Batterie» mit Wasserstoff beladen wird, heißt also präzise Kaliumbikarbonat. Nebenbei: Backpulver für die Küche enthält allermeist Natriumbikarbonat.
Der Prozess ist, darauf legen die Autoren Wert, CO2-neutral. Üblicherweise wird bei der Rückgewinnung von Wasserstoff ein Teil des Bikarbonats zu CO2 zersetzt und freigegeben, erläutert Carolin Stein. «Unser System hingegen hält das CO2 dauerhaft fest.» So kann aus diesem Speichersystem reiner Wasserstoff gewonnen werden, der direkt, ohne weitere Aufreinigung, in einer Brennstoffzelle genutzt werden kann.
Im Paper berichten die Autoren von 40 aufeinanderfolgenden Zyklen der Wasserstoffspeicherung und -abgabe über einen Zeitraum von sechs Monaten. Unter Verwendung minimaler Mengen des Ruthenium-Katalysators im ppm-Bereich produzierten die Chemiker mit ihrer Laboranlage 50 Liter Wasserstoff mit einer durchschnittlichen Reinheit von 99,5 Prozent.
Das Unternehmen H2APEX in Rostock-Laage verwendet u.a. diese Ergebnisse, um einen grösseren Demonstrator zu bauen, wozu der Industriepartner auch das Technikum des Instituts nutzt. Wenn alles wie geplant verläuft, wird die entsprechende Anlage bis Ende 2025 kommerzialisiert.
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