80 Prozent des Schweizer Trinkwassers stammen aus dem Grundwasser. Viele wichtige Fassungen liegen entlang der grösseren Flüsse. Werden diese von Kraftwerken aufgestaut oder als Folge von Hochwasserschutzmassnahmen und ökologischen Aufwertungen verändert, kann sich das auf die Fliesswege und die Verweilzeiten des Grundwassers zwischen Fluss und Pumpstation auswirken. Befürchtet wird zum Beispiel, dass plötzlich zu viel Flusswasser in den Untergrund eindringt und dann schnell zu den Trinkwasserfassungen gelangt. Dann könnte die Zeit, während der das Flusswasser durch den kiesig-sandigen Untergrund fliesst, zu knapp werden für eine ausreichende Reinigung des Wassers.
Herauszufinden, wo Flusswasser ins Grundwasser gelangt oder umgekehrt und wieviel auf welchen Pfaden in welcher Zeit zu den Trinkwasserfassungen gelangt, ist eine komplexe Sache. Zum einen natürlich, weil das Geschehen im Untergrund nicht sichtbar ist, aber zum anderen auch, weil sich die Geologie und damit die physikalischen Bedingungen praktisch von Meter zu Meter ändern können. Wasserbauliche Modelle – wie im Fall des Alpenrheins im Massstab 1:50 in einer Halle in Dornbirn (AUT) – können Grundwasserprozesse nicht nachbilden. Auch Modellrechnungen am Computer stossen an Grenzen. Es bleiben Versuche im Feld. So wurde im Alpenrhein auf einer kurzen Strecke die Flusssohle mit einem Bagger aufgerissen, um zu simulieren, was bei einer Aufweitung des heute stark kanalisierten Flusses geschehen kann.
Video zum Einsatz des mobilen Gasmessgeräts GE-MIMS (Mini-Ruedi) am Alpenrhein.
Bisher wurde bei solchen Versuchen das Flusswasser eingefärbt oder mit beträchtlichen Mengen Salz versetzt. An den Trinkwasserpumpstellen konnte dann anhand der Verdünnung gemessen, beziehungsweise berechnet werden, wie rasch und wie viel Flusswasser über das Grundwasser zugeströmt ist. Die Eawag forscht schon seit einigen Jahren daran, das Flusswasser, sowie an einzelnen Stellen auch das Grundwasser, nicht mehr mit Farbe oder Salz zu markieren, sondern mit kleinen, im Wasser gelösten Mengen an Edelgasen, wie Helium, Krypton oder Xenon. Mit einem ebenfalls an der Eawag entwickelten, hochsensiblen und mobilen Gasmessgerät (GE-MIMS oder «Mini-Ruedi») können im gepumpten Grundwasser gleich an Ort und Stelle die Konzentrationen und Fliesszeiten gemessen und Mengenverhältnisse berechnet werden.
Die neue Methode hat mehrere Vorteile: Erstens stellen die Edelgase keine Verunreinigung des Wassers dar. Sie verändern das Wasser weder in Geruch, Geschmack oder in Bezug auf biologische Aktivität. Zweitens kann das Wasser mit verschiedenen Gasen gleichzeitig an verschiedenen Orten markiert werden. Aus den Messungen lassen sich dann auch komplexere Situationen berechnen. Und drittens ist die Analytik dank des mobilen Massenspektrometers sehr schnell. Sie läuft praktisch in Echtzeit ohne Transport von Proben und Laborarbeit.
Im Fall der Versuche am Alpenrhein hat sich das Markieren des Wassers mit Edelgasen bewährt. Wie die Forschenden in einem Artikel in der Zeitschrift Frontiers in Water vermelden, waren die Resultate ebenso präzise wie die der parallel durchgeführten Messungen mit Fluoreszenzfarben. Zudem zeigten die über mehr als ein halbes Jahr durchgeführten Messungen, dass sich die anfänglichen Veränderungen als Folge der aufgerissenen Flusssohle mit der Zeit wieder auswachsen, da sich die grossen Zwischenräume erneut mit Feinmaterial verfüllen.
Das Markieren von Flüssigkeiten mit Edelgasen und die schnelle Messung während laufender geochemischer oder geophysikalischer Prozesse eröffnet neben dem Grundwassermonitoring auch ganz andere Möglichkeiten. In einer eben in der Zeitschrift Scientific reports von Nature publizierten Studie zeigen Eawag-Forschende mit einem Team aus weiteren Instituten, wie sie damit die Wege und das Verhalten von flüssigem CO2 verfolgt haben, das in tiefliegende Gesteinsschichten gepresst wurde. Das Verfahren des Sammelns und Speicherns von CO2, auch CO2-Sequestrierung genannt, wird weltweit als eine der Möglichkeiten betrachtet, das Treibhausgas der Atmosphäre langfristig zu entziehen. Damit es funktioniert, dürfen unter anderem in der über der Lagerstätte liegenden Gesteinsschicht keine «Lecks» vorhanden sein. Mit der Gasmessung kann das kontrolliert werden.
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