«Das Problem wird unterschätzt», sagte Sven Bacher, Ökologe der Universität Freiburg, auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Er ist einer von 86 Expertinnen und Experten weltweit, die am Bericht mitgearbeitet haben. Genehmigt wurde der Bericht während der zehnten Plenarversammlung des Weltbiodiversitätsrats in Bonn, Deutschland. Die Schweiz hat als IPBES-Mitglied daran teilgenommen.
In jüngster Vergangenheit sei dieses Problem massiv angestiegen, sagte Bacher. Mit der Zunahme des globalen Handels und der Reisetätigkeit wird sich das Problem laut den Forschenden in Zukunft noch deutlich verstärken. Aktuell kommen demnach etwa 200 neue Arten pro Jahr dazu, die potenziell in Zukunft zu invasiven Arten werden könnten.
Von den 37'000 gebietsfremden Arten weltweit werden rund 3500 als invasiv klassifiziert. Das heisst, sie haben negative Auswirkungen auf die Biodiversität, lokale Ökosysteme und Arten. Invasive gebietsfremde Arten sind laut dem Bericht eine der grössten Bedrohungen für die Biodiversität. Sie waren beim Aussterben von 60 Prozent aller rund 1000 bekannten weltweit ausgestorbenen Arten ein Haupttreiber. In 16 Prozent waren sie gar der einzige Auslöser für das Aussterben.
In der Schweiz gibt es laut einem Bericht des Bundesamtes für Umwelt von 2022 1305 etablierte gebietsfremde Arten. 197 von ihnen gelten als invasiv. Auch hierzulande ist es laut Bacher regional bereits zu grossen Veränderungen von Ökosystemen gekommen.
Als Beispiel nannte Bacher die Quagga-Muschel, die sich in mehreren Seen der Schweiz rasant ausgebreitet hat. Ein weiteres Beispiel ist das Eschensterben, eine Baumkrankheit, die durch einen aus Asien stammenden Pilz verursacht wird.
In der Schweiz wurde der Pilz erstmals 2008 an Eschen im Kanton Basel festgestellt. Seit 2015 ist er in der gesamten Schweiz nachgewiesen. Als gefährlicher Schadorganismus kann diese eingeschleppte gebietsfremde Art nicht mehr getilgt werden, da sie sich schon zu weit ausgebreitet hat.
Des Weiteren bedrohen invasive gebietsfremde Arten die Lebensmittelsicherheit, wie die Autorinnen und Autoren im Bericht betonen - etwa durch neu eingeführte Schädlinge, die Lebensmittelpflanzen bedrohen.
Auch die Gesundheit von Menschen werde durch invasive Pflanzen- und Tierarten bedroht. Zum Beispiel durch Krankheiten wie Malaria, Zika oder das West-Nil-Fieber, die durch eingewanderte Mückenarten verbreitet werden, aber auch durch Pflanzen wie Ambrosia, die vermehrt allergische Reaktionen auslösen.
Invasive gebietsfremde Arten verursachen zudem grosse wirtschaftliche Schäden. Die Autorinnen und Autoren des Berichts schätzen den Schaden auf über 423 Milliarden Dollar (rund 375 Milliarden Franken) pro Jahr. Dabei geht es um die wirtschaftlichen Auswirkungen zum Beispiel auf die Land- und Forstwirtschaft. Hinzu kommen Schäden an der Infrastruktur. Zum Beispiel durch invasive Muscheln, die zum Teil Rohre verstopfen. Invasive Arten verursachen auch höhere Kosten im Gesundheitswesen.
Die Expertinnen und Experten des IPBES weisen im Bericht darauf hin, dass die Massnahmen im Allgemeinen unzureichend sind. Internationale Abkommen würden zwar existieren, jedoch nicht genügend kontrolliert werden.
«Die Schweiz ist vorbildlich dadurch, dass sie eine nationale Strategie hat», sagte Bacher. Allerdings ist laut dem Ökologen eine stärkere Koordination zwischen Kantonen notwendig. Die Bekämpfung invasiver Arten sei kantonal geregelt.
Der Deutsche Forscher Hanno Seebens betonte in einem Medienbriefing zum Bericht, dass neben der Bekämpfung auch die Prävention eine grosse Rolle spiele. «Das eigentliche Problem ist nicht die invasive Art. Das eigentliche Problem ist der Mensch, der dahinter steht und dazu führt, dass sich diese Arten überhaupt ausbreiten können», sagte er.
Die Ausbreitung erfolge hauptsächlich über den Transport von Gütern rund um die Welt, sowie durch Reisen. Die Schweiz als reisefreudiges und konsumstarkes Land spiele dabei eine wichtige Rolle, so Bacher.
(Quelle: sda)
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