So praktisch sie im Alltag auch sein mögen: Für die aquatischen Ökosysteme unseres Planeten sind Kunststoffe, die sich dort letztendlich als Mikroplastikmüll ansammeln, eine grosse Belastung – mit dramatisch steigender Tendenz. Durch das anhaltende Wachstum der weltweiten Kunststoffproduktion nimmt auch die Menge an Mikroplastik – d.h. jener Kunststoffteile, die kleiner als 5 mm sind – in Umwelt und Gewässern zu. Richtete sich der Fokus der Forschung zunächst auf die Auswirkung des Plastikmülls auf marine Gewässer, so wurden in letzter Zeit auch verstärkt Binnengewässer untersucht, in denen sich der Müll ähnlich oder sogar in noch grösserem Ausmass als in den Meeren anreichert.
Diese früheren Studien hatten jedoch zwei Mankos: die Beschränkung auf nur wenige Gewässer in bestimmten geografischen Regionen und das nicht-standardisierte Verfahren der Probenentnahme. Letzteres machte den direkten quantitativen Vergleich zwischen den Untersuchungen unmöglich. Überlegungen zu beiden Kritikpunkten flossen ins Design der aktuellen Studie ein und dies resultierte nun in der ersten global repräsentativen, standardisierten Untersuchung der Seen. Dieses Forschungsprojekt wurde von der Forschungsgruppe Binnengewässerökologie und -management der Universität Mailand-Bicocca, Italien, (Barbara Leoni, Veronica Nava) konzipiert und koordiniert.
Insgesamt beprobte das Forschungsteam 38 Seen in 23 Ländern, die eine grosse Zahl an hydromorphologischen Faktoren wie z. B. Fläche, Tiefe, Uferlänge und Verweilzeit des Wassers abdeckten. Auch unterschiedliche anthropogene Aspekte wie z. B. Landbedeckung, Vorhandensein von Kläranlagen und Bevölkerungsdichte wurden berücksichtigt. Die Untersuchungsgebiete waren geografisch weit gestreut und umfassten ein breites Spektrum an Seen und Einzugsgebieten. Somit war die Stichprobe für die globale Variabilität der Seen unter Einbeziehung bestimmter Schlüsselmerkmale repräsentativ. Alle Proben wurden an der Oberfläche durch horizontale Schleppnetze senkrecht zum Seeausfluss nach demselben Protokoll entnommen, konzentriert und gereinigt.
Insgesamt wurden so Tausende von Kunststoffpartikeln identifiziert und anhand von Form, Farbe und Grösse klassifiziert. «Auf diese Weise haben wir für jeden See die (Signatur) – also die Art und Häufigkeit – der Kunststoffe ermittelt und uns angeschaut, wie diese Signatur mit potentiellen Verschmutzungsquellen und hydromorphologischen Merkmalen der Wassereinzugsgebiete zusammenhängt», erklärt Katrin Attermeyer. Anschliessend wurde die chemische Zusammensetzung der Kunststoffe mit Hilfe einer speziellen Untersuchungsmethode (Mikro-Raman-Spektroskopie) aufgeklärt.
Das Ergebnis war ernüchternd: Plastikmüll fand sich in allen untersuchten Seen – sogar in jenen Gewässern, die auf den ersten Blick vollkommen unberührt von menschlichen Einflüssen zu sein schienen. Insgesamt identifizierten die Forscher*innen den weitaus grössten Anteil der Kunststoffpartikel (fast 94 %) als Mikroplastik, gefolgt von 5% Mesoplastik (Teilchengrösse 5-10 mm) und 1,5% Makroplastik (> 10 mm). Tatsächlich war in einigen der untersuchten Seen die Plastikkonzentration unerwartet hoch. So wurden in drei der untersuchten Gewässern sogar mehr als 5 Partikel pro m3 gefunden. «Diese Resultate sind insofern beunruhigend, als diese drei Seen – der Luganer See, der Lago Maggiore und der Lake Tahoe – bereits jetzt eine höhere Mikroplastikbelastung aufweisen als die weltweit am stärksten verschmutzten subtropischen Ozeanwirbel», meint Expertin Attermeyer.
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Chemisch bestanden die meisten Kunststoffpartikel aus Polyester (PES), Polypropylen (PP) und Polyethylen (PP) – ein Ergebnis, das Katrin Attermeyer wenig überrascht: «PE und PP machen mehr als die Hälfte der weltweiten Kunststoffproduktion aus, während PES für 70 % der gesamten Produktion von Fasern für die Textilindustrie benötigt werden.» Dementsprechend waren bei den gefundenen Kunststoffteilchen auch zwei Formkategorien dominant – Fasern (49 %) und Fragmente (41 %), die als «sekundäres Mikroplastik» durch Zersplitterung grösserer Kunststoffteile entstehen.
Zwei Seen-Typen erwiesen sich für die Verschmutzung durch Mikroplastik als besonders vulnerabel: einerseits Seen in dicht besiedelten und urbanisierten Gebieten und andererseits flächenmässig grosse Seen, die vermutlich wegen ihres grossen Einzugsgebiets und der langen Wasserverweildauer besonders belastet sind. Interessanterweise korrelierten die Kunststoff-Typen der beprobten Seen mit deren morphometrischen Merkmalen: In Seen mit geringer Oberfläche, Maximaltiefe und Uferlänge dominierten blaue oder schwarze Fasern aus PES, während in grossen, tiefen Seen mit ausgedehnter Uferlinie transparente oder weisse Fragmente aus PP und PE vorherrschten. «Jeder See hatte somit quasi seine eigene Plastik-Signatur. Die Erfassung dieser Signaturen hilft uns nicht nur bei der Ermittlung möglicher Verschmutzungsquellen, sondern auch bei der Charakterisierung der Auswirkungen der Kunststoffverschmutzung», so Katrin Attermeyer. Die Ergebnisse der Studie unterstreichen, dass auch Seen Anzeiger der globalen Plastikverschmutzung sein können und bei der Bekämpfung dieser Art von Verschmutzung berücksichtigt werden sollten.
Als einzigen See Österreichs untersuchten die Forscher/-innen den Lunzer See. Er gehört zu der Kategorie der weniger kontaminierten Gewässer mit unter 1 Plastikpartikel pro m3. Dort dominieren schwarze und blaue Fragmente, da der See eher klein ist und nur wenige Personen am Ufer des Sees leben.
Originalpublikation
Nava, V., Chandra, S., Aherne, J. et al. Plastic debris in lakes and reservoirs. Nature 619, 317–322 (2023). doi: 10.1038/s41586-023-06168-4
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