Für den Gasbereich gibt es in der Schweiz bisher keine spezialgesetzliche Regelung. Dies hat Auswirkungen auf die Versorgungsicherheit, wie die Erfahrungen im vergangenen Herbst und Winter gezeigt haben. Zudem gibt es keine Regeln für die Grundversorgung im Gasbereich sowie für die Öffnung des Markts für Grosskunden. Auch die zukunftsgerichtete Transformation der Gasversorgung hin zu erneuerbaren Gasen ist gesetzlich nicht adressiert. Aus diesen Gründen will der Bundesrat eine Regelung für den Gasmarkt schaffen, um die Versorgungssicherheit zu stärken, die Transformation hin zu erneuerbaren Gasen zu unterstützen und den Zugang zum Gasmarkt für Haushalte und Grosskunden zu klären.
Gemäss dem Entscheid des Bundesrats soll die Vorlage folgende Eckpunkte aufweisen:
Der Schwellenwert für den Zugang zum freien Markt soll auf einen Jahresverbrauch von 300 Megawattstunden festgelegt werden. Kundinnen und Kunden oberhalb dieses Schwellenwerts können zwischen der regulierten Versorgung und dem freien Markt wählen. Einmal im Markt, gibt es keine Möglichkeit zur Rückkehr in die regulierte Versorgung. Damit sollen im Gas- und Strombereich grundsätzlich dieselben Regeln gelten. Kleine Konsumentinnen und Konsumenten (insbesondere Haushalte und KMU mit tiefem Gasverbrauch) bleiben in der Grundversorgung und sind dadurch vor grossen, kurzfristigen Preisschwankungen geschützt.
Die lokalen Netzbetreiber sollen verpflichtet werden, die Gasbeschaffung für die regulierte Versorgung zu strukturieren, um die Endverbraucherinnen und Endverbraucher vor extremen Schwankungen der Marktpreise zu schützen.
Das Messwesen soll in der alleinigen Verantwortung der Netzbetreiber bleiben. Diese müssen sich aber an bestehende Data-Hubs anschliessen und ihre Daten zur Verfügung stellen.
Heute gibt es im schweizerischen Gasmarkt weder eine nationale Netzgesellschaft für Koordinationsaufgaben wie Swissgrid im Strombereich, noch eine Regulierungsbehörde wie die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom). Das erschwert die rasche Umsetzung von Massnahmen zur Verhinderung und Bewältigung von Mangellagen. Um rasch handeln zu können, sollen eine Energiekommission und ein Marktgebietsverantwortlicher eingesetzt werden.
Im Wärmebereich und in der Industrie wird in den kommenden Jahrzehnten fossiles Gas zunehmend durch erneuerbare Energien ersetzt. Deshalb soll eine Netzanschlusspflicht zugunsten von Biogasanlagen eingeführt werden. Zudem soll der Bundesrat die Möglichkeit erhalten, den Gasversorgern Mindestquoten für Gas aus erneuerbaren Quellen, einschliesslich Wasserstoff, vorzuschreiben. Schliesslich sollen die Netzbetreiber gemeinsam mit den Gemeinden und den Betreibern von Fernwärmenetzen festlegen, welche Leitungen in Zukunft noch benötigt werden und welche stillgelegt werden sollen.
Der Bundesrat hat neben den Eckwerten folgende Prüfaufträge verabschiedet:
Zweistoffanlagen können bei Engpässen von Gas auf Heizöl umschalten und so einen wertvollen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Das WBF prüft nun, ob und wie Zweistoffanlagen finanziell unterstützt werden sollen.
Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine beschleunigen den Einsatz von Wasserstoff in Europa. Das UVEK wird untersuchen, welche Regeln für eine Umnutzung von Gasleitungen für Wasserstoff geschaffen werden müssen. Weiter wird das UVEK im Rahmen der laufenden Arbeiten für eine Wasserstoffstrategie analysieren, welche gesetzlichen Regeln es für ein Wasserstoffnetz braucht. Ziel ist, in diesem Bereich regulatorisch mit der Entwicklung der europäischen Gesetzgebung Schritt zu halten. Zudem prüft das UVEK im Rahmen der laufenden Arbeiten für eine Wasserstoffstrategie die Notwendigkeit von saisonalen unterirdischen Gasspeichern.
In der Schweiz gibt es bisher keine spezialgesetzliche Regulierung des Gasmarktes. Lediglich ein einzelner Artikel im Rohrleitungsgesetz von 1963 (Artikel 13) verpflichtet die Netzbetreiber, Gastransporte für Dritte im Rahmen der technischen Möglichkeiten und gegen eine angemessene Vergütung durchzuführen. Transparente und für alle Akteure geltende Regeln gibt es aber nicht. Um den Netzzugang konkreter zu regeln, haben die Gasbranche und zwei Verbände von grösseren Industriekunden 2012 eine privatrechtliche Verbändevereinbarung abgeschlossen. Sie gewährt den Netzzugang allerdings nur grossen Endkunden und nur unter bestimmten Bedingungen. Schon 2014 äusserte die Wettbewerbskommission (WEKO) Bedenken an der Verbändevereinbarung. 2020 stellte die WEKO schliesslich fest, dass die in der Vereinbarung enthaltenen Netzzugangsbedingungen nicht mit dem Kartellrecht vereinbar sind.
Um einen einheitlichen, gesamtschweizerischen Rahmen für den Gasmarkt in der Schweiz zu schaffen, hat der Bundesrat den Entwurf für ein Gasversorgungsgesetz von Oktober 2019 bis Februar 2020 in die Vernehmlassung geschickt. Eine Regulierung des Gasmarktes fand darin breite Zustimmung. Viele Teilnehmer forderten jedoch eine stärkere Berücksichtigung der Klimaziele der Schweiz. In der Folge wurde der Gesetzesentwurf, auch auf Basis der Erkenntnisse aus den im November 2020 publizierten Energieperspektiven 2050+, überarbeitet. Kurz vor der Diskussion der überarbeiteten Vorlage im Bundesrat begann der Krieg in der Ukraine, der insbesondere grosse Auswirkungen auf die Gasversorgungssicherheit hatte. Der Bundesrat beauftragte deshalb das UVEK im Mai 2022, ihm innerhalb eines Jahres eine Bestandesaufnahme zu den Problemen bei der Krisenbewältigung in der Gasversorgung vorzulegen und die Resultate in das auszuarbeitende GasVG aufzunehmen.
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