Der Energie Service Biel/Bienne (ESB) löst sein bestehendes Seewasserwerk (SWW) in Ipsach ab. Das Werk produziert etwa 90 % des Trinkwassers für die Städte Biel und Nidau und wird neu auf 70’000 Personen ausgelegt. Der Bielersee hat eine stark schwankende Rohwasserqualität und ist mit Spurenstoffen belastet. Dieses Problem dürfte sich durch die Klimaveränderung noch verschärfen. Für das neue Werk hat sich der ESB deshalb zum Ziel gesetzt, die bereits sehr geringen Spurenstoffgehalte des Trinkwassers nochmals um 50% zu reduzieren.
Der ESB entschied sich für die moderne Verfahrenstechnik der Umkehrosmose. Dies ist ein physikalisches Verfahren, bei welchem das Wasser unter hohem Druck (8-10 Bar) durch eine semi-permeable Membran gepumpt wird, um unerwünschte Inhaltsstoffe abzutrennen. Polare Stoffe wie etwa Chlorothalonil-Abbauprodukte, Röntgenkontrastmittel und andere im Wasser gelöste Ionen werden praktisch vollständig entfernt. Normalerweise wird dabei ein chemischer Zusatz (Antiscalant) verwendet, um Ablagerungen auf der Membran zu verhindern. ESB minimiert jedoch den Einsatz von Chemikalien und verzichtet nach einer längeren Pilotphase beim SWW in Ipsach auf das Antiscalant. Nach aktuellem Kenntnisstand ist dies die erste Anlage weltweit, in welchem die Umkehrosmose zur Aufbereitung von Oberflächenwasser ohne Antiscalant betrieben wird.
Eine höhere Reinigungsqualität des Trinkwassers geht oft einher mit einem höheren Stromverbrauch. Und durch den Verzicht auf das Antiscalant reduziert sich die Ausbeute der Umkehrosmose-Stufe dadurch fällt mehr Spülwasser (Konzentrat) an. Um Mehrstromverbrauch möglichst gering zu halten, nutzt der ESB das Konzentrat-Wasser für die Energierückgewinnung: Der Druck des verworfenen Wassers wird fast vollständig über eine patentierte, hydraulische Energierückgewinnungsanlage (PX Pressure Exchanger) der Firma Energy Recovery auf das Einspeisewasser der Anlage übertragen, was den Stromverbrauch der Hochdruckpumpe durch die Energierückgewinnung senkt und damit die Energieeffizienz der Trinkwasseraufbereitung wieder erhöht. Die berechnete Energieeinsparung beträgt ca. 740 MWh/Jahr, was voraussichtlich rund 36% des Gesamtstrombezuges der neuen Anlage ist. Der restliche Mehrverbrauch an elektrischer Energie wird – durch den Effekt des weicheren Wassers – bei den Endkunden sogar überkompensiert.
Mit dem Projekt setzt ESB neue Massstäbe beim sparsamen Einsatz von Energie und Chemikalien. Die geplante, in zwei Etappen stattfindende Inbetriebnahme des Seewasserwerkes Ipsach ist voraussichtlich 2024 bzw. 2026, aktuell sind die Bauarbeiten kurz vor der Inbetriebnahme der ersten Werkteils.
Die Jury hat das Projekt durch den innovativen Charakter überzeugt und die Bestrebungen, dass sowohl bezüglich der Trinkwasserqualität als auch der Energieeffizienz neue Massstäbe gesetzt werden. Im Bewusstsein, dass höhere Anforderungen an die Trinkwasserqualität mit einem höheren Strombezug einhergehen, arbeitet ESB auf einem sehr hohen Optimierungsniveau und kann als Vorbild für andere Wasserversorgungen mit ähnlichen Voraussetzungen dienen. Das Projekt des ESB zeigt zudem eindrücklich auf, wie Infrastrukturanlagen Ihren Beitrag zu den Netto-Null-Zielen des Bundes leisten.
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