Auf den ersten Blick scheinen die drei skizzierten Trends nicht viel gemein zu haben. Und doch: Sie alle haben mit Mikroorganismen zu tun. Kleinstlebewesen wie beispielsweise Bakterien zersetzen organisches Material. Sie tragen damit zur Selbstreinigung von Gewässern bei. Gleichzeitig können dabei aber auch die Treibhausgase Kohlendioxid und Methan gebildet und freigesetzt werden.
Forschende des IGB wollten deshalb mithilfe der von Bürgerwissenschaftler/-innen erhobenen Daten herausfinden, wie sich die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft in Gewässersedimenten unter Licht- und Chemikalienverschmutzung verändert und ob das wiederum die Treibhausgaskonzentrationen beeinflusst.
«Alle Gewässer waren mit Kohlendioxid übersättigt. Für uns ist das ein Indikator dafür, dass dieses Treibhausgas in die Atmosphäre freigesetzt wird», erläutert Dr. Katrin Premke, die die bürgerwissenschaftliche Studie am IGB geleitetet hat. Generell wurde in Fliessgewässern eine höhere Kohlendioxid-Konzentration gemessen als in stehenden Gewässern. Betrachtet man Flüsse, Bäche, Seen und Teiche allerdings einzeln, weisen kleine stehende Gewässer die höchsten Konzentrationen auf. Das deckt sich mit den Ergebnissen früherer Studien. «Methankonzentrationen in den kleinen Wasserkörpern waren am höchsten und lagen somit im erwarteten Bereich. Überraschend für uns war hingegen, dass die Methankonzentrationen in grossen Wasserkörpern höher lagen, als dies in der Literatur beschrieben wird», sagt Katrin Premke. «Dies verdeutlicht, dass wir unter Umständen die Stellung der grossen Gewässer hinsichtlich der Methankonzentrationen unterschätzen.»
Da Treibhausgaskonzentrationen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Aktivitäten der Mikroorganismen stehen, wollten die Forschenden auch wissen, wie ausgeprägt chemischer Stress und Antibiotikaresistenzen bei den Kleinstlebewesen vorkommen. Dafür analysierten sie zwei spezifische Gensequenzen (IntI1, blaOX58), die zum einen Rückschlüsse auf anthropogenen Stress, also den menschlichen Einfluss auf unsere Umwelt, zulassen und zum anderen einen ersten Hinweis geben, wie weit Antibiotikaresistenzen in unseren Gewässern verbreitet sind. Der genetische Marker für den anthropogenen Stress wurde an 85 Prozent der Standorte gefunden, besonders häufig in städtischen Bächen und Flüssen.
An immerhin 45 Prozent dieser Standorte mit menschengemachtem Stress fanden sich auch Antibiotikaresistenzen. «Dies verdeutlicht den allgegenwärtigen menschlichen Einfluss durch Rückstände von Pharmaka wie Antibiotika und anderen Spurenstoffen in Gewässern selbst auf die kleinsten Organismen», sagt Ko-Autor Dr. Christian Wurzbacher von der TU München. «Inwieweit ein gestresstes Mikrobiom die Funktion der Gewässerökosysteme und unsere Gesundheit beeinträchtigt muss in weiteren Studien geklärt werden.»
Anhand des Abgleichs von Geodaten der Bürgerwissenschaftler/-innen und Satellitenaufnahmen konnte das Team zudem den Grad der Lichtverschmutzung ermitteln. Von zu viel künstlicher Beleuchtung bei Nacht waren demnach 75 Prozent der untersuchten Standorte betroffen, vor allem in städtischen Gebieten entlang von Flüssen.
Mikrobielle Gemeinschaftsanalysen der Mikroorganismen aus Proben verschiedener Sedimentoberflächen zeigten, dass Lichtverschmutzung die Artenzusammensetzung leicht veränderte nicht nachgewiesen werden konnte jedoch, ob sich die Lichtverschmutzung damit auch direkt auf die Bildung von Treibhausgasen auswirkt. «Die Analysen entsprechen nur einer Momentaufnahme in sehr unterschiedlichen Gewässerkontexten. Wir können anhand vorangegangener Laborversuche aber nicht ausschliessen, dass die Bildung von Treibhausgasen durch Mikroorganismen unter Lichtverschmutzung langfristig verändert sein könnte», sagt dazu Dr. Franz Hölker, der die Studie mitinitiierte und am IGB eine Forschungsgruppe zur Lichtverschmutzung leitet.
Die Studie verdeutlicht, wie stark Mikroorganismen in Gewässersedimenten von menschlichen Stressoren beeinflusst werden. Interessanterweise wirkten sowohl chemische Schadstoffe als auch Lichtverschmutzung in fliessenden Gewässern stärker auf die Mikroorganismen als in stehenden Gewässern. «Das kann damit zusammenhängen, dass Fliessgewässer im Vergleich zu ihrer Fläche über mehr Uferlinie verfügen als stehende Gewässer. Die Effekte von Lichtverschmutzung, Abwässern und städtischen Gebieten könnten daher ausgeprägter ausfallen», erklärt Franz Hölker.
Dank der gross angelegten bürgerwissenschaftlichen Studie war eine koordinierte Beprobungskampagne innerhalb von nur zwei Wochen möglich, was für ein Forschungsteam allein nicht machbar gewesen wäre. Die Autor/-innen kommen deshalb auch zu dem Schluss, dass die Einbindung von Bürgerwissenschaftler/-innen ein vielversprechender Ansatz für die Überwachung von Süssgewässern in grossen Gebieten ist und möchten den vielen Teilnehmern ausdrücklich für ihre Mitarbeit danken.
Die Treibhausgasdaten, Satellitendaten, Anleitungen und Handbücher für die Bürger/-innen sowie alle in-situ abgeleiteten Temperatur- und pH-Daten sind im Zusatzmaterial der Publikation zu finden. Alle sequenzierten Amplikondaten für diese Studie und ihre Rohdaten sind beim Europäischen Nukleotidarchiv (ENA, PRJEB53570) erhältlich. Alle Daten, die die Ergebnisse dieser Studie untermauern, sind auf Anfrage ebenfalls beim entsprechenden Autor erhältlich. Code und R-Skripte, die zur Analyse der Daten verwendet wurden, sind auf Github verfügbar, mit Ausnahme der Analysen, bei denen alle Einstellungen vollständig in den Methoden angegeben sind.
Mehr dazu unter: Large-scale sampling of the freshwater microbiome suggests pollution-driven ecosystem changes.
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