Nicht nur die Europäische Union hat ihre Klimaziele erheblich verschärft, auch weltweit versuchen immer mehr Staaten und Unternehmen, ihre Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren. Immer wichtiger für eine globale Energiewende wird der Energieträger Wasserstoff. Die Nachfrage danach könnte bis zum Jahr 2050 weltweit von derzeit 76 auf bis zu 600 Megatonnen jährlich ansteigen – vorausgesetzt, dass geeignete Infrastrukturen entstehen. Das ist eines der Kernergebnisse des Reports «Hydrogen on the Horizon: Ready, almost set, go?», den die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland in Zusammenarbeit mit dem World Energy Council (WEC) und dem Electric Power Research Institute (EPRI) erstellt hat.
Der Bericht beleuchtet die Marktentwicklung von Wasserstoff bis zum Jahr 2050. Er beruht auf dem Review verschiedener Energieszenarien, PwC Analysen und einer umfassenden Recherche des WEC zu nationalen Strategieentwicklungen. Befragt wurden dazu 38 Experten aus 23 Ländern, auf die 61 Prozent der globalen Gesamtprimärenergieversorgung und rund 70 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts entfallen, darunter die USA, Japan, Südkorea, Deutschland und Frankreich.
Insgesamt schwanken die Prognosen für den Wasserstoffanteil am weltweiten Endenergieverbrauch bis 2050 zwischen 6 und 25 Prozent − abhängig von den Herstellungskosten für Wasserstoff, der benötigten Infrastruktur sowie dem technologischen Reifegrad. Die Entwicklung der Nachfrage hängt ausserdem davon ab, welches Temperaturziel 2050 erreicht werden soll. Wenn zum Beispiel erreicht werden soll, dass die globale Temperatur nur um 1,8 Grad Celsius ansteigt, ist deutlich mehr Wasserstoff erforderlich, als wenn die Temperatur bis 2050 um 2,3 Grad Celsius und mehr ansteigt.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis des Reports ist: die Wasserstoffnachfrage wird in den 2030er Jahren stark anwachsen. Das laufende Jahrzehnt muss daher dafür genutzt werden, die notwendigen Infrastrukturen für Produktion, Transport, Import, Vertrieb und Nutzung von Wasserstoff zu schaffen, betonen die Studienautorinnen und -autoren. Ansonsten könnten die Pariser Klimaziele nicht erreicht werden.
Derzeit kommt die grösste Wasserstoffnachfrage hauptsächlich aus der chemischen und petrochemischen Industrie. Andere Sektoren untersuchen − auf eher niedrigem Niveau − das Potenzial von Wasserstoff in Pilotstudien mit dem Ziel, seine Rentabilität nachzuweisen bzw. die erheblichen Kosten durch Produktion und Verteilung zu senken. Weitere wichtige Faktoren sind Effizienzsteigerungen, das jeweilige Elektrifizierungsniveau eines Landes, aber auch der Einsatz von CO2-Abscheidungsverfahren. Bei diesen sogenannten CCUS-Technologien («Carbon Capture Use and Storage») wird «blauer» Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas hergestellt und im Erdreich gebunden gespeichert, im Gegensatz zu seinem «grünem» Pendant, der mit erneuerbaren Energien hergestellt wird.
Die Studienautorinnen/-autoren warnen davor, die «Farbdebatte» zu übertreiben, weil sie wichtige Innovationen und damit praktikable und kosteneffiziente Technologien hemmen könnte. «Für die noch junge Wasserstoffwirtschaft gilt das Henne-Ei-Problem zwischen Angebot und Nachfrage. Auf beiden Seiten fehlen verlässliche Mengen, um eine wirtschaftlich tragfähige Wertschöpfungskette zu etablieren», sagt PwC-Experte Jürgen Peterseim. «Der Fokus muss daher noch viel stärker auf der Projektimplementierung liegen, um den Markthochlauf in der Praxis zu sehen.»
International variieren die Wasserstoffstrategien der einzelnen Länder zum Teil erheblich. Länder in südlichen Regionen, die erneuerbaren Strom und damit «grünen» Wasserstoff potenziell günstig erzeugen können, wollen künftig grössere Mengen in Staaten mit hohem Bedarf, aber geringerem Erzeugungspotenzial exportieren. Asien und Europa scheinen den Fokus derzeit mehr auf die Nachfrage zu legen, um zum Beispiel CO2-intensive Sektoren wie Industrie und Verkehr zu dekarbonisieren. Demgegenüber konzentrieren sich Länder im Nahen Osten und Nordafrika stärker auf das Angebot.
Dies belegen auch die von PwC prognostizierten Preisentwicklungen: In Australien, Chile und manchen afrikanischen Staaten etwa werden die Herstellungskosten deutlich niedriger sein als in den dicht besiedelten Gebieten Europas oder Asiens. Immer wichtiger werden deshalb Wasserstoff-Energiepartnerschaften, wie sie Deutschland in der jüngeren Vergangenheit zum Beispiel mit Marokko und Australien geschlossen hat.
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