Ein nachhaltiges Energiesystem ist vergleichbar mit einer Symphonie. Damit die verschiedenen Komponenten untereinander harmonieren, genügt es nicht, einfach ein paar Noten auf ein Blatt Papier zu schreiben. Vielmehr bedarf es erfahrener Komponisten, die die ideale Komposition und die geeigneten Instrumente dafür finden sowie einen Dirigenten, der dafür sorgt, dass die Musiker perfekt miteinander harmonieren. Erst wenn alles perfekt zusammenspielt, entsteht eine wohlklingende Symphonie. Im Energiesystem nehmen die Rolle des Komponisten Energieplanerinnen und Energieplaner ein. Deren Aufgabe wird allerdings zunehmend komplex, da laufend neue Technologien auf den Markt kommen und die Anforderungen – beispielsweise im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Zuverlässigkeit – sich konstant verändern.
Die steigende Komplexität ist vor allem der Umstellung von zentralen auf dezentrale Energiesysteme geschuldet. Getrieben wird diese Veränderung durch den Wandel hin zu einer klimafreundlichen Gesellschaft. In dezentralen Energiesystemen werden mehrere Gebäude in einem Quartier oder Areal zusammengeschlossen, die erneuerbare Energien und verschiedene Umwandlungs- sowie Speichertechnologien gemeinsam nutzen. Die Gebäude sind nicht nur Energieverbraucher, sondern auch Energieproduzenten, indem sie überschüssige Energie, beispielsweise aus ihrer Photovoltaik-Anlage, sowohl speichern wie auch zurück ins Netz speisen. Damit werden sie selbst zu einem wichtigen Bestandteil des Systems. Ein wesentlicher Vorteil von dezentralen gegenüber traditionellen, zentral organisierten Energiesystemen ist, dass die Energie dort bereitgestellt werden kann, wo sie auch verbraucht wird. Transportwege werden dadurch minimiert, was wiederum ein effizienteres Zusammenspiel der einzelnen Energie- und Speichertechnologien ermöglicht.
Für Planer bedeutet dies, dass sie die Energiesysteme zwingend in ihrer Ganzheit betrachten und aus einer grossen Zahl an Technologien und deren möglichen Kombinationen die optimalen Lösungen finden müssen. Durch Innovation nimmt zudem das Angebot an verfügbaren Lösungen stetig zu. Gleichzeitig müssen die Energieplaner die Netzstabilität gewährleisten und immer auch die Wirtschaftlichkeit im Auge behalten. Eine wohlklingende Symphonie zu kreieren und nicht einfach auf gängige Standard-Stücke zurückzugreifen, die Dutzende von Orchestern bereits gespielt haben, wird damit zu einer hochkomplexen Aufgabe. Ein Unternehmen, das dieses Problem erkannt hat und Abhilfe schafft, ist das Empa Spin-off «Sympheny». Der Name ist nicht zufällig gewählt. Ziel des Start-ups ist es nämlich, die unterschiedlichen Energieflüsse eines Standorts miteinander in Harmonie zu bringen – und so maximale Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu erreichen.
Sympheny bietet Planerinnen und Planern ein cloudbasiertes Tool, mit dessen Hilfe sie einfach und kosteneffizient das optimale Energiesystem für ein Gebäude, Quartier oder gar eine Stadt planen können. «Unsere Plattform berücksichtigt eine Vielzahl an Faktoren wie die verfügbaren erneuerbaren Energien und Lieferanten an einem bestimmten Standort, die unterschiedlichen Energiebedürfnisse oder die relevanten Technologien. Gleichzeitig werden auch die verschiedenen Ziele der Planerinnen und Planer miteinbezogen, etwa die Reduktion der CO2-Emissionen, der Ausbau von erneuerbaren Energien oder die Kostensenkung», erklärt Andrew Bollinger, CEO von Sympheny. Anhand dieser Vielzahl von Angaben hilft das Online-Tool den Planern, das optimale Energiesystem für den Standort zu finden. Es beantwortet dabei zentrale Fragen, beispielsweise, ob und welche Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach oder an der Fassade angebracht werden sollen, welche saisonalen Speicher man einbauen sollte oder wie die thermischen Netzwerke aufgebaut sein sollten. Vor allem aber kann die Plattform Energieplanern helfen, diese unterschiedlichen Fragen im Gesamtkontext zu betrachten und Antworten darauf zu liefern, die die zahlreichen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen den Technologien und Energieflüssen an einem bestimmten Standort mitberücksichtigen.
Die Grundlagen für die Software liefern langjährige Forschungsarbeiten. Das «Urban Energy Systems Lab» der Empa forscht bereits seit mehreren Jahren an neuen Methoden zur Optimierung von dezentralen Energiesystemen. Aus der Forschung ging schliesslich das Tool hervor, das in Zusammenarbeit mit Industriepartnern stetig weiterentwickelt wurde. Im letzten Jahr entschloss sich das Team schliesslich dazu, den Sprung auf den Markt zu wagen. So wurde im April 2020 das Spin-off «Urban Sympheny AG» gegründet.
«Wir sehen ein grosses Marktpotenzial für unsere Lösung, denn die Energieplanung wird zunehmend komplexer. Für Energieplanerinnen und Energieplaner spielt zudem der Zeitfaktor eine zentrale Rolle. Es ist deshalb wichtig, ihnen dabei zu helfen, die optimale Lösung so schnell wie möglich zu finden. Durch unsere leistungsstarken Algorithmen und unsere Cloud-basierte, nutzerfreundliche Anwendung wird die Komplexität für Planer stark reduziert. Sie sind so in der Lage, schnellere und bessere Planungsentscheidungen zu treffen», so Bollinger. Gleichzeitig fördert die Software auch die Einbindung von nachhaltigen und erneuerbaren Energiequellen. Damit will das Sympheny-Team einen wertvollen Beitrag zur Energiewende leisten.
Gemeinsame Projekte mit Industriepartnern zeigen, dass das Tool von Sympheny ein enormes Potenzial birgt. Ein Beispiel: Gemeinsam mit der Empa half Sympheny dem Versorgungsunternehmen IBC Energie Wasser Chur dabei, neue Energiekonzepte für Quartiere der Bündner Hauptstadt zu finden, mit denen diese die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2040 auf netto Null senken können. Das Team erstellte zunächst mit der Sympheny-Software ein digitales Modell für die Stadt. Um die optimalen Lösungen zu finden, wurden im nächsten Schritt mithilfe der Algorithmen von Sympheny verschiedene mögliche Energiekonzepte bewertet und deren Kosten sowie CO2-Bilanz berechnet. Mit dieser Auswahl an möglichen Konzepten kann das Versorgungsunternehmen nun einfacher diejenige Lösung finden, die ihm dabei hilft, sein «Netto-Null»-Ziel mit minimalen Kosten zu erreichen.
In der Detailanalyse hat das Projektteam zudem für jede Lösung definiert, welche Massnahmen für den Umbau des bestehenden Energiesystems nötig sind. Für IBC Energie Wasser Chur dürfte dabei vor allem interessant sein, dass ein Umbau ihres heutigen Energiesystems in ein CO2-freies System möglich ist, ohne die Lebenszykluskosten zu erhöhen – und dies obwohl hohe Investitionen für den Umbau benötigt werden. Im Transformationsprozess hat das Unternehmen zudem die Möglichkeit, die bevorstehenden Umbauschritte auf Basis der neuesten Daten, beispielsweise neue Technologien, erneut zu berechnen und allfällige Anpassungen vorzunehmen. Dadurch lässt sich das Risiko für den Umbau des Energiesystems erheblich senken.
Quelle: Empa/Urban Energy Systems Lab (Information: Andrew Bollinger, andrew.bollinger@empa.ch)
Redaktion: Loris Pandiani (redaktion@empa.ch)
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