Mobilitätsanalysen zeigen: Nur ein kleiner Anteil aller Fahrzeuge ist für den Grossteil der gefahrenen Kilometer verantwortlich. Die Rede ist vor allem vom Schwerverkehr, von Viel- und Langstreckenfahrern, die ihre Güter quer durch ganz Europa transportieren. Werden diese vielen Kilometer weiterhin mit fossiler Energie zurückgelegt, wird es kaum möglich sein, die CO2-Emissionen im Strassenverkehr genügend zu senken. Synthetische Treibstoffe leisten für solche Anwendungen einen ganz wesentlichen Beitrag.
Mit der Elektromobilität, der Wasserstoffmobilität und synthetischen Treibstoffen werden im Mobilitätsdemonstrator «move» der Empa drei technologische Pfade zur CO2-Reduktion im Strassenverkehr vor dem Hintergrund eines sich stark verändernden Energiesystems untersucht. «Alle diese Konzepte haben energetische, betriebliche und wirtschaftliche Vor- und Nachteile. Um sie richtig einzusetzen, braucht es ein vertieftes Verständnis des Gesamtsystems», sagt Christian Bach, Leiter der Empa-Abteilung Fahrzeugantriebssysteme. «Gemeinsam mit den ‹move›-Partnern erarbeiten wir dazu umsetzbares Wissen.»
Das neueste Projekt dreht sich um die Herstellung von synthetischem Methan aus Wasserstoff und CO2 – die sogenannte Methanisierung. Solche mit erneuerbarer Energie künstlich produzierten Treibstoffe – Synfuel oder Syngas genannt – können über die herkömmlichen Wege transportiert und durch die vorhandene Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, was für die Schweiz wie auch global interessant ist, weil sich damit ein enormes Potenzial für erneuerbare Energie erschliesst.
Der grundlegende chemische Prozess der Methanisierung ist seit über 100 Jahren als Sabatier-Reaktion bekannt. Im «move» soll ein an der Empa weiterentwickeltes Verfahren zum Einsatz kommen: die sogenannte sorptionsverstärkte Methanisierung. Von diesem neuartigen verfahrenstechnischen Konzept versprechen sich die Empa-Forschenden eine einfachere Prozessführung, einen höheren Wirkungsgrad und eine bessere Eignung für den dynamischen Betrieb.
Die Methanisierung funktioniert folgendermassen: Aus Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff (H2) wird mittels katalytischer Umwandlung Methan (CH4) und Wasser (H2O) erzeugt. Letzteres ist bei herkömmlichen Verfahren ein Problem: Um das Wasser abzuscheiden, braucht es typischerweise mehrere Methanisierungsstufen hintereinander – mit Kondensationsbereichen dazwischen. Aufgrund der hohen Temperaturen wird dabei ausserdem ein Teil des entstandenen Wassers durch die Wassergas-Shift-Reaktion wieder in Wasserstoff zurückgewandelt. Das gasförmige Produkt der Methanisierungsreaktion enthält deshalb einige Prozent Wasserstoff, was eine direkte Einspeisung ins Gasnetz verhindert; der Wasserstoff muss zuerst wieder abgetrennt werden.
Die sorptionsverstärkte Methanisierung im «move» verläuft dagegen einstufig und kommt ohne Wasserstoffabtrennung im Produktgas aus. Die Idee dahinter: Das Reaktionswasser wird während des Methanisierungsprozesses auf einem porösen Katalysatorträger adsorbiert. Dieser kontinuierliche Wasserentzug verschiebt das Reaktionsgleichgewicht hin zu einer nahezu 100prozentigen Methanausbeute. «Das gasförmige Produkt kann also ohne zusätzliche Reinigung direkt ins Gasnetz eingespeist und zum Beispiel für das Betanken von Gasfahrzeugen genutzt werden», erklärt Bach.
Das CO2 für die Methanisierung wie auch das Wasser für die Herstellung des Wasserstoffs wird mit einem CO2-Kollektor des ETH-Spin-offs Climeworks direkt vor Ort der Atmosphäre entnommen. Die Anlage saugt Umgebungsluft an, die CO2-Moleküle bleiben dabei am Filtermaterial hängen. Mittels Hitze – rund 100°C – werden die CO2-Moleküle dann wieder vom Filter abgelöst. Beim Wärmebedarf für diese CO2-Desorption sehen die Empa-Forschenden weiteres Optimierungspotenzial. «Die Wasserstofferzeugung wie auch die Methanisierung generieren kontinuierlich Abwärme», so Bach. «Über ein geschicktes Wärmemanagement wollen wir den Wärmebedarf des CO2-Kollektors zu einem möglichst grossen Teil mit dieser Abwärme decken». Neben dem CO2 entzieht die Climeworks-Anlage der Luft auch Wasser, das über eine Kondensatleitung für die Wasserstoffherstellung in der Elektrolyseanlage verwendet wird. Damit sind solche Anlagen auch in Regionen ohne Wasserversorgung denkbar, beispielsweise in Wüsten (siehe Box).
Neben neuen Erkenntnissen über die technischen und energetischen Aspekte sind auch Aussagen zur Wirtschaftlichkeit von synthetischem Methan ein Ziel des Projekts. «Um diese gesamtheitliche Perspektive sicherzustellen, besteht das Projektkonsortium aus Partnern, die die ganze Wertschöpfungskette abdecken – von Forschenden der Empa über Energieversorger, Tankstellen- und Fuhrparkbetreibern bis hin zu Industriepartnern im Technologie- und Anlagenbereich», sagt Brigitte Buchmann, Direktionsmitglied der Empa und strategische Leiterin von «move». Das Projekt wird durch den Kanton Zürich, den ETH-Rat, Avenergy Suisse, Migros, Lidl Schweiz, Glattwerk, Armasuisse und Swisspower unterstützt.
Derzeit konzentriert sich das Team von Christian Bach auf die Untersuchungen der Wasseradsorption auf porösen Materialien und die Prozessführung der katalytischen Reaktion. Der Aufbau der Anlage ist auf Mitte nächsten Jahres geplant. «Rund ein Jahr später wollen wir das erste Fahrzeug betanken», meint Buchmann. «Mit Methan aus Sonnenenergie.» (Stephan Kälin, Empa)
Bei der Umstellung unseres Energiesystems auf erneuerbare Energie gibt es eine grosse Herausforderung: Erneuerbare Quellen wie Sonne oder Wind stehen nicht immer und überall zur Verfügung. Im Winter haben wir zu wenig und im Sommer zu viel erneuerbaren Strom – auf der Nordhalbkugel. Auf der Südhalbkugel ist es umgekehrt. Doch es gibt auch Gegenden mit nahezu durchgehendem Sonnenschein – den sogenannten Sonnengürtel, in dem sich die grossen Wüsten der Erde befinden. «Aus globaler Perspektive haben wir weltweit nicht zu wenig erneuerbare Energie, sondern ‘lediglich‘ ein Energie-Transportproblem», sagt Christian Bach. Synthetische Energieträger könnten dieses lösen.
Kleinere Anlagen in der Schweiz können einen wertvollen Beitrag für das nationale Energiesystem leisten, indem sie überschüssigen Sommerstrom nutzbar machen und verschiedene Energiesektoren verbinden. Grosse Anlagen könnten ihr volles Potenzial aber vor allem im Sonnengürtel der Erde ausschöpfen. Das zeigt ein Rechenbeispiel: Um den nicht durch Wasserkraft abgedeckten Energiebedarf der Schweiz im Winterhalbjahr sowie den gesamten inländischen Langstreckenverkehr ausschliesslich mit (importierten) synthetischen Energieträgern zu decken, wäre eine Solaranlage in einer Wüste mit einer Fläche von zirka 700 km2 nötig; das sind 27 x 27 km oder, anders ausgedrückt, 0,008% der Fläche der Sahara. Das für die Herstellung notwendige Wasser und das CO2 könnten vor Ort aus der Atmosphäre gewonnen werden. «Die bereits vorhandenen Handelsmechanismen, Transportinfrastrukturen, Normen und das Expertenwissen könnten dabei weiterverwendet werden», meint Bach. Könnte die Anlage im «move» also bald Vorbild für eine Gigawatt-Anlage in der Wüste sein?
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