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16. Juni 2020

Zürichsee

Heizen mit Seewasser: Wärmeversorgung wird grüner

Energie 360° in Zürich steigerte im Jahr 2019 den Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtumsatz erneut und erwirtschaftete einen Reingewinn von 58,4 Millionen Franken. Einen Schwerpunkt setzt das Unternehmen beim Umbau von Zürichs Wärmeversorgung. Ein neues Projekt zur Nutzung der Wärme des Zürichsees wird derzeit in Meilen realisiert, wie «Schweiz aktuell» von SRF Radio und Fernsehen berichtete.

Energie 360° ist die grösste Wärmeversorgerin der Stadt Zürich und spielt als solche eine zentrale Rolle beim Umbau der städtischen Wärmeversorgung. Verwaltungsratspräsident und Vorsteher der Industriellen Betriebe, Stadtrat Michael Baumer: «Energie 360° ist ein zentraler Pfeiler der städtischen Energiepolitik. Die Zürcher Bevölkerung kann stolz sein, dass sie ein solch innovatives Unternehmen besitzt, das Jahr für Jahr eine solide Rendite erwirtschaftet.» Offenbar habe sich das einstige Gasunternehmen in den letzten zehn Jahren in eine Energie- und Mobilitätsdienstleisterin verwandelt und böte den Kundinnen und Kunden in der ganzen Schweiz klimafreundliche Alternativen zu Erdgas an.

Konsequente Transformation

Lokal verfügbare, erneuerbare Energie steht bei Energie 360° an erster Stelle. Dazu sagt CEO Jörg Wild: «Wir investieren in erneuerbare Energien und treiben entsprechende Projekte voran. Energie 360° ist auf Kurs: strategisch, finanziell und kulturell.» Allein in der Stadt Zürich plant Energie 360° rund 130 Gemeinschaftsanschlüsse, mit welchen Gebäude gebündelt an die Fernwärme angeschlossen werden. Zudem befinden sich aktuell 14 Energieverbünde in unterschiedlichen Planungsphasen oder bereits in Bau: in Thalwil, im Zürcher Riesbach-Quartier oder in Wohlen im Kanton Bern. Überall soll Seewärme zur Energiegewinnung genutzt werden.

Diese Transformation habe nun zur Folge, dass Energie 360° in den nächsten Jahrzehnten sukzessive Teile des Gasnetzes stilllege, um etwa Wärmeverbünde zu ermöglichen. In der Stadt Zürich geht Energie 360° davon aus, dass dies bis 2050 rund 130 Leitungskilometer sein werden. Dies entspreche knapp einem Drittel des Gasnetzes auf städtischem Boden. Dank Fernwärme und Energieverbünden stünden so immer mehr Anwohnerinnen und Anwohnern «ökologische Alternativen» zur Verfügung. Vorerst bleibt Gas allerdings Teil der Energieversorgung, auch zum Heizen und Kochen. Wo es noch zum Einsatz kommt, erhöht Energie 360° laufend den erneuerbaren Anteil: Seit 1. Januar 2020 beträgt der Anteil Biogas im Standard-Gasprodukt etwa 20 Prozent. «Wir sparen so zusammen mit unseren Kundinnen und Kunden sehr schnell sehr viel CO2 ein», erklärt Jörg Wild. Bis zum Jahr 2040 will das Unternehmen die Stadt Zürich zu 100 Prozent mit grünem Gas versorgen.

Projekt in Meilen: «Schweiz aktuell» berichtet

In Meilen plant Energie360° derzeit ein ganz spezielles Projekt: In Zusammenarbeit mit der Migros-Tochter Midor soll für ihre dortige Gebäck- und Glace-Produktion ein innovatives Heiz- und Kühlprojekt realisiert werden.

Kürzlich berichtete «Schweiz aktuell» von SRF Radio und Fernsehen unter dem Titel «Heizen mit Seewasser» einerseits über das im Frühjahr 2020 angelaufene Grossprojekt in Meilen und andererseits über die allgemeine Situation betreffend Heizen mit Seewärme in Zürich: Hier äusserte sich Felix Schmid, Leiter der Energieplanung der Stadt Zürich, zu den künftigen Investitionen von insgesamt einer halben Milliarde Franken und zu einigen der geplanten Projekte: So sollen nicht nur private Liegenschaften, sondern auch ganze Gebäudekomplexe wie das Kongresshaus oder die Nationalbank an den Wärmeverbund angeschlossen werden: «Wir möchten in Zukunft vermehrt die Seewassernetze in die Quartiere hineinbringen und einige Grossprojekte verwirklichen», betonte Schmid, relativierte aber gleich auch den Zeitfaktor der Vorhaben: «All dies zu verwirklichen, ist eine langjährige Aufgabe, die wohl Jahrzehnte dauern wird.» Und am Ende könne auch noch das Volk an der Urne mitbestimmen.

Im Beitrag über die Grossbausstelle in Meilen gaben vor allem Romer Deplazes, Bereichsleiter Lösungen bei Energie360°, und Markus Müller, verantwortlich für das Energiemanagement bei Midor, Auskunft. Beim Lebensmittelhersteller, so war zu erfahren, müssten in naher Zukunft einige Kühltürme ersetzt werden, und so habe man sich überlegt, ob dies nicht mit «nachhaltigen Lösungen» in Form eines Anschlusses an das nahe Seewärmenetz zu bewerkstelligen sei.

Die Baustelle am Seeufer von Meilen, so war von Romer Deplazes zu erfahren, berge wegen ihrer Nähe zum Grundwasser auch gewisse Risiken. Deshalb müssten alle anfallenden Arbeiten mit grösster Sorgfalt ausgeführt werden. Wenn aber alles klappe, so sei dies eine «Win-Win-Situation» für alle Beteiligten: Die Wärme des Sees könne auf elegante Weise zum Wohle der Umwelt abgeführt werden, die privaten Liegenschaften nach neuestem Standard beheizt und die Produktionsanlage von Midor mit innovativem Knowhow gekühlt werden.

Viel effizienter geworden

Im Beitrag von «Schweiz aktuell» zu Wortete meldete sich zudem Alfred Johny Wüest, Direktionsmitglied der Eawag: «Dieses Projekt in Meilen ist ein Schritt in die richtige Richtung», betonte der ETH-Professor, «denn Seen und grosse Flüsse bergen ein riesiges Wärmepotenzial, das sich ohne Schaden für die Umwelt leicht anzapfen lässt.» Dies zeigten auch Studien der Eawag.

Bereits Ende der 1930-er Jahre seien in Zürich erste Gebäude mit Wärme aus der Limmat beheizt worden, und heute lieferten gleich vier Seewasserverbunde rund ums Zürcher Seebecken Wärme und Kälte für umliegende Bauten.

Ebenfalls Projekte dieser Art, so Wüest, gäbe es am Genfersee: Hier werde die Wärmequelle zum Heizen und Kühlen des Campus der örtlichen Fachhochschule und der Universität Lausanne sowie von UNO-Gebäuden in Genf genutzt. Noch seien dies eher Einzelbeispiele, meinte der Professor einmal in einem Gespräch mit Verantwortlichen der ETH Zürich: «Die Technik existiert eigentlich schon lange. Doch obwohl sie inzwischen viel effizienter geworden ist, wird sie heute leider noch viel zu wenig genutzt!»

Situation in und um Zürich

Im Zürcher Seefeld, so ist geplant, sollen nun also bald einmal dreihundert Liegenschaften mit Seewasser beheizt werden. Dafür plant Energie 360° den «Energieverbund Tiefenbrunnen», der sich über ein Gebiet von 33 Hektaren von der Hornbachstrasse über die Bellerivestrasse bis zum örtlichen Bahnhof erstrecken soll.

Auch beim Heizen mit Wasser aus dem Zürichsee hat Energie 360° zudem bereits Erfahrungen gesammelt: Seit 2014 versorgt der See das Elefantenhaus und das Restaurant Hinamapan im Kinderzoo Rapperswil mit Warmwasser und Heizwärme. Und rund um den Zürichsee wurden vor und zwei Jahren etwa fünfzig Anlagen gebaut, die nun mit Seewasser gekühlt oder geheizt werden. «Doch nun ist die eigentliche Stadt an der Reihe», heisst es bei Energie 360°.

Bereits von 1938 bis 1943 wurde das Wasser der Limmat genutzt, um das Rathaus, das City-Hallenbad, die Walche und andere Amtshäuser per Wärmepumpe zu heizen. In diesem Sinne kehre die Stadt mit dem «Energieverbund Tiefenbrunnen» also quasi zu ihren Pionierwurzeln zurück: Heute heizen die Liegenschaften in diesem Teil des Seefelds zu einem Drittel mit Öl und zu zwei Drittel mit Gas. Mit der erneuerbaren Energie könnten nun rund 4’500 Tonnen an Kohlendioxid pro Jahr gespart werden. Das Interesse der Hauseigentümer sei gemäss einer Befragung des Energieversorgers dabei gross. Wenn die Stadt also nun ein neues Leitungsnetz für die Fernwärme erstellt, baut sie gleichzeitig das Gasleitungsnetz zurück. Die Hausbesitzer hätten dann jeweils etwa 15 Jahre Zeit, auch ihre Heizungen anzupassen, bevor das Gasnetz schliesslich ganz stillgelegt werde.

Hier geht es zum Beitrag von «Schweiz aktuell» auf SRF Radio und Fernsehen!

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