Für Diego Modolell, Leiter des Bereichs Gas & Fernwärme beim SVGW, ist klar: «Die Fernwärme gewinnt in der Wärmeversorgung der Schweiz immer mehr an Bedeutung. Seit 1978 hat sich der Absatz von Fernwärme vervierfacht!» Um die Ziele des Internationalen Pariser Klimaschutzabkommens und der Energiestrategie 2050 des Bundes zu erreichen, werde die Fernwärme aber auch in Zukunft massiv ausgebaut und verdichtet, zeigte sich der Vizedirektor des SVGW überzeugt: «Wir müssen unsere Fernwärmenetze zwangsläufig optimieren, um die Energiewende tatsächlich zu schaffen.»
Die Vorteile der Fernwärme für den Kunden seien dabei offensichtlich, erklärte Markus Küng, Präsident des SVGW und Leiter Netze bei den Industriellen Werken Basel (IWB): «Die Fernwärme mit ihrem geringen Wartungsaufwand hat für die Kunden einen hohen Komfort: Sie braucht keine Brennstoffbereitstellung, ist ohne Tank und kann platzsparend und sauber installiert werden. Zudem bietet sie grosse Versorgungssicherheit: Sie kennt keine Lieferunterbrüche und keine Abhängigkeit von Erdöl.» Ausserdem sei sie durch die Nutzung von alternativen Energiequellen umweltfreundlich: «Beim Kunden gibt es keine Rauchgase», sagte Küng. Ein weiterer Vorteil sei zudem, dass die Fernwärme heutzutage zu einem «konkurrenzfähigen Preis» liefer- und beziehbar sei.
Markus Küng wagte an der Fernwärme-Tagung in Bern zudem einen Blick zurück in die «erste Fernwärme-Nutzung der Welt» und einen Ausblick auf künftige Projekte in der Region Basel. Ein erstes «echtes Fernwärmesystem» sei – nach ersten Ansätzen von heissem Thermalwasser als Fernwärme zur Römerzeit – Anfang des 14. Jahrhunderts in der französischen Ortschaft Chaudes-Aigues entstanden: Dort sei heisses Thermalwasser aus einer Quelle in den Ort geleitet worden, um mehrere Häuser mit Wärme zu versorgen. Das erste Fernwärmesystem der Neuzeit, so der SVGW-Präsident, sei dann in den 1870-er und 1880-er Jahren in Lockport und New York errichtet worden. In den 1920-er Jahren habe man dann in Deutschland die ersten Fernwärmenetze Europas installiert.
Aber auch in der Schweiz, in Basel, hat die Fernwärme schon eine gewisse geschichtliche Tradition: Zu Beginn der 1940-er Jahre habe das Kantonsparlament einen Kredit zur Erstellung einer Fernheizanlage bewilligt, die 1942 erstmals Fernwärme von der Kehrrichtverwertungsanlage zu einer Dampfzentrale, zu Spitälern und zum Schachthof geliefert habe.
Im Jahre 1970 sei dann mit dem Wegfall von Steinkohle-Entgasung und dank Koksproduktion das Fernwärmegebiet im Gross- und Kleinbasel erweitert worden. Und nur neun Jahre später habe man ein Fernwassergebiet mit teilweiser Anschlusspflicht festgelegt. 1982 sei dann am Bahnhof SBB ein grosses Heizkraftwerk gebaut worden, das noch heute gute Dienste leiste.
«Die Förderung der Fernwärme in Basel», so Markus Küng, «hat dabei drei wesentliche Gründe: Wir können sie im Vergleich zu anderen Energiequellen sehr effizient nutzen, die Lufthygiene lässt sich dadurch erwiesenermassen stark verbessern und schliesslich lässt sich auch die  Abhängigkeit von Öl massiv verringern!» Zwischen 1940 und heute habe man in Basel-Stadt deshalb bereits vielfach in die Fernwärme investiert: Heute würden rund 110 000 Einwohnerinnen und Einwohner mit Fernwärme versorgt und Wärme von rund 1 000 GWh produziert.
Im weiteren Verlauf seiner Präsentation ging der SVGW-Präsident auf verschiedene Projekte der künftigen Versorgung Basels mit Fernwärme ein, zum Beispiel auf die Erschliessung der Freien Strasse oder auf den Bau eines Holzkraftwerks, eines Fernwärmespeichers und einer unternehmenseigenen Pflanzenkohlenanlage. Zudem soll bald einmal auch die Basler Gemeinde Riehen mit Fernwärme erschlossen werden und ein Geothermie-Heizkraftwerk erbaut werden. «Wir sind in Basel punkto Fernwärme mit relativ grossen Schritten unterwegs, um unseren Beitrag zur Dekarbonisierung der Schweiz zu leisten», meinte Markus Küng abschliessend nicht ganz ohne Stolz.
Doch wie steht es um die Fernwärme an anderen Orten der Schweiz oder gar Europas? Hier gab es in den Referaten der Fernwärmetagung in Bern immer wieder klare Statements, aber auch verschiedene Quervergleiche: So referierte Sven Werner, Professor für Energietechnik an der Universität Halmsted in Schweden, und Roger Pillioud, Bereichsleiter Energieanlagen bei Amstein und Walthert in Bern, wie es mit dem «Engagement für tiefe Rücklauftemperaturen» steht. Fazit hier: «Niedrigere Temperaturen bei der Wärmeverteilung», so Sven Werner, «werden in Zukunft wohl für das Fünffache an Cash Flow sorgen. Und das aktuelle Kostengefälle wird künftig in etwa die gleiche Grössenordnung haben, wie die Investitionen, die man für das Erreichen tieferer Temperaturen braucht!»
Martin Jutzeler, Experte für Systemoptimierung bei Energie Wasser Bern, und Sophie Durandeux, Leiterin Entwicklung Wärme- und Kältesysteme bei den Services Industriels de Genève (SIG), erläuterten die «Vermeidung, Reduzierung und Bewältigung von Bedarfsspitzen».
Stefan Kötsch, Senior wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Luzern, und Sven Werner gingen zudem am Nachmittag der Tagung auf neue Konzepte und Designs, aber auch auf die Anforderungen betreffend Hausinstallationen bei den Übergabestationen der Fernwärme ein.
In verschiedenen kleineren Runden oder Workshops erörterte man schliesslich noch weitere Themen, für die sich die rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer individuell und je nach Interessen entscheiden konnten: Diskutiert wurden so Themen, zu denen es zuvor Inputreferate gegeben hatte, also zum Beispiel über tiefe Rücklauftemperaturen, die Bewältigung von Bedarfsspitzen in Wärmenetzen oder das Design von Fernwärme-Übergabestationen.
Und wer noch Interesse an der Energiezentrale Forsthaus und ihren verschiedenen Bereichen hatte, der konnte sich auch noch auf eine Führung durch die verschieden Bereiche begeben, bevor die Referierenden noch einmal auf die Ergebnisse der Diskussionsrunden eingingen, oder Diego Modolell die derzeitigen und künftigen Aktivitäten des SVGW im Bereich der Fernwärme zusammenfasste: «Unser Verband», so der SVGW-Vizedirektor, «möchte seine Aktivitäten bei der Fernwärme vor allem auf die klassischen SVGW-Dienstleistungen wie zum Beispiel die Berufsbildung, das entsprechende Regelwerk oder die Vermittlung von Fachwissen und die Durchführung von Tagungen legen. Thematisch wird hierbei die Netzoptimierung bestimmt eine wichtige Rolle spielen: Wir werden deshalb zum Erfahrungsaustausch technische Fachgruppen gründen, die allen interessierten Kreisen offenstehen werden.»
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