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26. September 2019

Klimaerwärmung

Bericht zeichnet düsteres Bild für Zukunft der Meere und Eiswelten

sda - Ein neuer Sonderbericht des Weltklimarats IPCC warnt vor starken Veränderungen der Ozeane, Gletscher, Eisschilde und des Permafrosts durch den Klimawandel. Die gesamte Erdbevölkerung ist direkt oder indirekt davon betroffen. Die Autorinnen und Autoren plädieren für energischen Klimaschutz.

Die Eisschilde und Gletscher schmelzen, der Permafrost taut, der Meeresspiegel steigt, die Ozeane werden wärmer und saurer. Das scheint auf den ersten Blick weit vom Alltag vieler Menschen entfernt, sofern sie nicht an Küsten wohnen. Ist es aber nicht, wie ein neuer Sonderbericht des Weltklimarats verdeutlicht. Die gesamte Erdbevölkerung ist direkt oder indirekt durch Veränderungen dieser Systeme betroffen - über Wetter, Nahrungsmittelproduktion, Wasserversorgung, Handel oder Tourismus.

Die Ozeane sind einerseits ein wichtiger Puffer für den Klimawandel: Sie schluckten 90 Prozent der bisherigen Erwärmung und etwa ein Viertel der menschengemachten CO2-Emissionen. Dadurch verändern sich jedoch die gesamte Meereschemie und die marinen Ökosysteme, mit Auswirkungen unter anderem auf Fischbestände und Tourismus. Die Erwärmung der Ozeane und das Schmelzen der weltweiten Eisvorkommen sind einerseits Folge der Erderwärmung, haben aber umgekehrt auch Auswirkungen auf Klima- und Wettersysteme.

Zwei Jahre lang haben über 100 Forschende aus 36 Ländern den Stand des Wissens zu den Folgen der Klimaerwärmung für die Weltmeere und die weltweiten Eis- und Schneevorkommen (Kryosphäre) zusammengetragen. Am Mittwoch stellte der Weltklimarat IPCC in Monaco den dritten und letzten einer Serie von Sonderberichten vor, die die Grundlage für den nächsten grossen Sachstandsbericht des IPCC darstellen.

Meeresspiegel steigt schneller

Die bisher gemessenen Entwicklungen zeichnen bereits ein beunruhigendes Bild: Der Meeresspiegel ist im 20. Jahrhundert bereits um 15 Zentimeter gestiegen. "Rund 40 Prozent davon sind auf die Wärmeausdehnung zurückzuführen, der Rest auf das Schmelzen weltweiter Eisvorkommen", erklärte Thomas Frölicher von der Universität Bern, einer der Autoren des Berichts, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Derzeit steigt der Meeresspiegel jedoch etwa 2,5 mal so schnell - im Zeitraum 2006 bis 2015 lag der jährliche Anstieg bei 3,6 Millimetern. Und er beschleunigt sich weiter, warnen die Autorinnen und Autoren des Sonderberichts.

Der Bericht zeigt die weitere Entwicklung unter verschiedenen Klimawandelszenarien auf - je nach Bemühungen der Staatengemeinschaft, den Klimawandel zu begrenzen. Selbst bei einem Szenario, bei dem die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit stabilisiert wird, steigt der Meeresspiegel voraussichtlich um 30 bis 60 Zentimeter. Ohne Klimaschutz sind es 60 bis 110 Zentimeter. Küstenregionen, in denen heute Hunderte von Millionen Menschen leben, werden dann unbewohnbar.

Mit dem steigenden Meeresspiegel nehmen in diesem Jahrhundert auch Risiken wie Fluten oder Küstenerosion deutlich zu. Alleine die Schäden durch Überschwemmungen werden jährlich auf das 100- bis 1000-fache ansteigen.

Der Sonderbericht wagt auch erstmals eine noch langfristigere Prognose, die allerdings mit grossen Unsicherheiten behaftet ist, wie Konrad Steffen von der Forschungsanstalt WSL am Mittwoch an einem Medienanlass der Akademie der Naturwissenschaften in Bern betonte. Wie bei Wettervorhersagen werden die Prognosen unsicherer, je weiter man in die Zukunft schaut.

Langfristiger Anstieg zu erwarten

Dennoch machen die Vorhersagen bis 2300 einen Trend deutlich: Selbst beim Erreichen des Zwei-Grad-Ziels wird der Meeresanstieg langfristig steigen, wenn auch langsam. Bis Ende des 24. Jahrhunderts könnte der Anstieg ebenfalls rund einen Meter betragen. Grund ist die langsame Reaktion der Meere und Kryosphäre auf veränderte Bedingungen - diese Systeme haben quasi einen langen Bremsweg. Ohne Klimaschutz sieht das Bild jedoch noch deutlich erschreckender aus: Der Meeresspiegel könnte um etwa 2,3 bis 5,5 Meter steigen.

Ein erheblicher Teil des Meeresspiegelanstiegs geht auf das Schmelzen der Eisschilde Grönlands und der Antarktis zurück. Und deren Anteil nehme zu, erklärte Frölicher. Bisherige Annahmen zu deren Beitrag am Anstieg des Meeresspiegels seien relativ konservativ gewesen. Im Vergleich zum letzten Sachstandsbericht des IPCC gehen die Forschenden nun von einem Anstieg um zehn Zentimeter mehr bis Ende des Jahrhunderts aus als zuvor angenommen.

 

Massiver Verlust an Gletschern

Neben den Eisschilden der Polarregionen schmelzen auch die weltweiten Gletscher. Bis Ende des Jahrhunderts werden sie selbst bei einem Szenario mit Klimaschutz 22 bis 44 Prozent ihrer Masse verlieren, ohne Klimaschutz 37 bis 57 Prozent. Die kleineren Gletscher werden praktisch alle verschwinden. Mit weitreichenden Folgen für den Wasserhaushalt, beispielsweise auch in der Schweiz.

Gerade in Trockenperioden im Sommer, die durch den Klimawandel voraussichtlich zunehmen werden, stellen Gletscher wichtige Wasserspeicher dar, die die Folgen ausbleibenden Niederschlags abpuffern können, wie Andreas Fischlin von der ETH Zürich, Vizepräsident der zweiten Arbeitsgruppe des Weltklimarats, gegenüber der Keystone-SDA erklärte. Ohne Klimaschutz geht diese Pufferwirkung verloren, was den gesamten Wasserhaushalt beeinflusst. Insbesondere mit Folgen für Energieproduktion durch Wasserkraft und die Landwirtschaft.

Ein Szenario, bei dem das Zwei-Grad-Ziel noch erreicht wird und mindestens ein Teil der Gletscher erhalten bleibt, sei absolut vorzuziehen, sagte Fischlin.

Kipppunkt im Klimasystem

Direkt in der Schweiz spürbar ist auch das weltweite Tauen der Permafrostböden. Bisher gefrorene Böden und Steilhänge werden instabil, es kommt zu mehr Felsstürzen und Erdrutschen. Auf Permafrost errichtete Gebäude verlieren den festen Untergrund.

Ein weiteres Problem: Die Permafrostböden in den Polarregionen gelten als Kipppunkt im Klimasystem. Tauen sie zunehmend auf, setzen sie Kohlenstoff-Reservoire frei, die dort seit Tausenden von Jahren gespeichert waren, wie Steffen erklärte. Bis 2100 gelangen dadurch Dutzende oder gar Hunderte von Gigatonnen als Kohlendioxid oder Methan in die Atmosphäre und heizen das Klima weiter an.

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