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Fachartikel
22. August 2019

Alles in einer Zelle

Die Mikrobe, die Öl in Gas umwandelt

Neue Bilder aus dem Fluoreszenzmikroskop deuten darauf hin, dass die kürzlich entdeckten Mikroben Methanoliparia Methan aus Rohöl erzeugen können – und zwar ohne fremde Hilfe.

Die winzigen Organismen klammern sich an Öltröpfchen und vollbringen Grosses: Ganz allein scheinen sie Öl in Methan umzuwandeln, in einem Verfahren namens Alkan-Disproportionierung. Bislang war dies nur von Symbiosen zwischen Bakterien und Archäen bekannt. Forscher des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie haben diese Mikrobe namens Methanoliparia nun weltweit in Öllagerstätten gefunden.

Immer wieder fĂĽr eine Ăśberraschung gut

Erdöl und Erdgas treten an sogenannten „Seeps“ vielerorts aus dem Meeresboden aus. Dort wandern die Kohlenwasserstoffe aus dem Quellgestein durch Risse und Sedimente Richtung Sedimentoberfläche. In den oberen Sedimentschichten werden viele Kohlenwasserstoffe, vorrangig Alkane, abgebaut und ermöglichen am dunklen Meeresgrund die Entstehung einer Vielzahl dicht besiedelter Lebensräume. Auch tief drinnen im Sediment, wo kein Sauerstoff vorhanden ist, bilden sie eine wichtige Energiequelle für unterirdische Mikroorganismen, darunter einige der sogenannten Archäen.

Die Archäen waren in den letzten Jahren immer wieder für eine Überraschung gut. Nun liefert eine Studie des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie und des MARUM, Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, erste Bilder, Genome und Umweltinformationen einer Mikrobe, die das Potenzial hat, langkettige Kohlenwasserstoffe in Methan umzuwandeln.

Spaltung von Ă–l in Methan und Kohlendioxid

Diese Mikrobe, eine Archäe namens Methanoliparia, verwandelt die Kohlenwasserstoffe mittels der sogenannten Alkan-Disproportionierung: Sie spaltet das Öl in Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2). Bislang dachte man, dass diese Umwandlung nur in einer komplizierten Teamarbeit zwischen zwei verschiedenen Organismengruppen, Archäen und Bakterien, möglich ist. Nun zeigen die Forscher vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und vom MARUM, dass es auch noch eine andere Lösung gibt. «Es ist das erste Mal, dass wir eine Mikrobe sehen, die eigenständig Öl zu Methan abbauen kann», erklärte Erstautor Rafael Laso-Pérez.

Bisher unbekannte Enzyme

Während einer Ausfahrt im Golf von Mexiko sammelten die Wissenschaftler Sedimentproben vom Chapopote Knoll, einem Öl- und Gasaustritt in 3000 Meter Wassertiefe. Nach ihrer Rückkehr nach Bremen analysierten sie diese Proben und stellten fest, dass Methanoliparia bisher unbekannte Enzyme besitzt, um das recht unreaktive Öl ohne Sauerstoff zu nutzen. «Der neue Organismus, Methanoliparia, ist eine Art Mischwesen», sagt Gunter Wegener, Initiator und einer der Hauptautoren der Studie. «Einige seiner Verwandten sind Archäen, die kettenförmige Kohlenwasserstoffe mit abbauen, andere sind die altbekannten Methanogenen, die Methan bilden.» Methanoliparia kombiniert die enzymatischen Werkzeuge dieser beiden Verwandten, baut also das Öl ab und bildet dabei Methan. Den Forschern ist es ausserdem gelungen, die Organismen auf Leinwand zu bannen. Die entstandenen Bilder stützen ihre Vermutung: «Im Mikroskop konnten wir zeigen, dass Methanoliparia an Öltröpfchen haftet. Wir fanden keine Hinweise, dass es Bakterien oder andere Archäen als Partner braucht», so Wegener weiter.

Sehr häufig und weltweit verbreitet

Methanogene Mikroorganismen waren im Laufe der Zeit für unser Klima sehr wichtig, da ihr Stoffwechselprodukt Methan ein starkes Treibhausgas ist – mehr als 25 Mal stärker als Kohlendioxid. Daher wollten Laso-Pérez und seine Kollegen wissen, wie verbreitet der neue Organismus ist. «Wir durchsuchten DNA-Bibliotheken und entdeckten, dass Methanoliparia häufig in Öllagerstätten – und nur in Öllagerstätten – im ganzen Ozean zu finden ist. Dieser Organismus könnte also eine Schlüsselrolle bei der Umwandlung langkettiger Kohlenwasserstoffe zu Methan spielen», erklärt Laso-Pérez.

Darum wollen die Bremer Forscher jetzt noch mehr über den Lebenswandel dieser Mikrobe herausfinden. «Wir haben nun den genomischen Nachweis und Bilder von der weiten Verbreitung und den erstaunlichen Fähigkeiten von Methanoliparia. Aber wir können sie noch nicht im Labor züchten. Das ist unser nächster Schritt, der uns erlauben wird, noch viel mehr spannende Details zu erforschen», so Wegener. «Es stellt sich zum Beispiel die Frage: Ist es möglich, den Prozess umzukehren und dadurch das Treibhausgas Methan in Kraftstoff umzuwandeln?»

 

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