«Über das gesamte Mittelland und den Jura gesehen, ist die Situation aufgrund der Trockenheit im Moment nicht dramatisch», stellt Reinhard Lässig, Mediensprecher der Eidg. Forschungsanstalt WSL im zürcherischen Birmensdorf, auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, fest.
Im Gegensatz zum vergangenen Jahr seien die Wälder von der Wasserversorgung her derzeit noch gut dran. Der Grundwasserspiegel sei in diesem Jahr höher und die Bäume könnten so die Trockenheit überbrücken. Zudem gab es rund um den 1. August in der ganzen Schweiz einige Niederschläge, ja zum Teil sogar heftige Gewitter, welche die akute Trockenheit wieder entschärften und auch Feuerwerke zuliessen.
In den Wäldern seien die Bäume deshalb zum Teil sehr grün. Abgestorbene Fichten und Buchen seien eine Folge der Trockenheit von 2018. Damals habe eine relativ lange Trockenheit geherrscht, viele Bäume hätten ihr Wachstum eingestellt und auch nach ersten Regenfällen nicht mehr auf das Regenwasser reagieren können.
Vor allem Buchen, Fichten und Weisstannen mit Krankheitssymptomen würden jetzt absterben. Neu ist laut Reinhard Lässig, dass Buchen in einem Umfang wie seit 150 Jahren nicht mehr betroffen sind. Trockenheiten ereigneten sich in der Regel alle ein bis zwei Jahrzehnte. Seit der Jahrtausendwende habe es jedoch bereits vier bis fünf trockene Jahre gegeben - die beiden stärksten 2003 und 2018.
Im vergangenen und in diesem Jahr seien in den Wäldern die Auswirkungen des trockenen und immer wärmer werdenden Klimas sichtbar geworden, bestätigt auch Rebekka Reichlin, Sprecherin des Bundesamtes für Umwelt, dem Bafu. Regional seien jedoch Unterschiede bei den Trockenheitsschäden zu beobachten.
Stark vom Baumsterben betroffen sind nach Angaben des WSL niederschlagsarme Regionen, wie das Wallis und Basel, aber auch der Pruntruter Zipfel, der nördliche Teil des Kantons Zürich, Schaffhausen und der nördliche Teil der Kantone St. Gallen und Thurgau sowie ein kleiner Teil Graubündens.
Die Lage in Basel und im Wallis hat sich dabei laut dem WSL im letzten Jahr akzentuiert. «Wir müssen uns mit dem Gedanken anfreunden, dass sich die Föhren im Wallis verabschieden, weil es immer wärmer wird», stellt Reinhard Lässig fest. Föhren bräuchten etwas mehr Wasser als zum Beispiel die Flaumeiche. Diese vor mehreren Jahrtausenden aus dem Mittelmeerraum in die Schweiz eingewanderte Art komme mit weniger Wasser aus und verjünge sich im Unterwallis erfolgreich.
«Wir werden den Wald nicht verlieren», betont Reinhard Lässig. Durch die Klimaerwärmung um 1 bis 1,5 Grad im letzten Jahrhundert sei die Waldgrenze nämlich um maximal 100 Meter angestiegen, je nachdem, wie intensiv Alpwirtschaft betrieben werde.
Laut dem Bafu zeigen gerade Hitzesommer, wie wichtig es ist, für den Wald Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu ergreifen. Beispielsweise indem an den Standort angepasste Baumarten gefördert werden.
Gefahr droht von Hitze und Trockenheit geschwächten Fichten durch den Buchdrucker oder Borkenkäfer. Weisstannen, die 2018 ebenfalls stark unter der Trockenheit gelitten haben, werden inzwischen vom Weisstannenborkenkäfer befallen, heisst es bei WSL und Bafu.
«Eine Kombination von warmen und trockenen Jahren und Stürmen begünstigt die Ausbreitung des Borkenkäfers seit 2017», stellt Bafu-Sprecherin Reichlin fest. Im Winter und im Monat Mai 2019 sei es für die Käfer zwar ungünstig kalt und feucht gewesen, im Juni und Juli aber sehr warm. Die Käferpopulation erreiche mittlerweile ein hohes Niveau.
Trocken und warm ist tatsächlich das optimale Klima für Borkenkäfer. Bereits 2018 hat es laut Lässig statt der üblichen zwei Generationen drei Generationen von Nachkommen gegeben. Borkenkäfer seien aber in geringer Dichte auch in einem gesunden Wald vorhanden.
Vom Borkenkäfer befallenes Holz darf in der Schweiz im Gegensatz zu Deutschland nicht mit Spritzmittel behandelt werden. Forstleute greifen nur lenkend ein, etwa indem sie von Borkenkäfern befallene Bäume herausholen. Aktuell sind Forstbetriebe vielerorts daran, von Borkenkäfern befallene Bäume oder aufgrund der Trockenheit abgestorbene Bäume zu räumen.
Vor allem in Schutzwäldern pflanzen Förster aktiv Bäume, um Lücken aufzufüllen, die durch absterbende Bäume entstehen. Es dauert laut den Fachleuten 50 Jahre bis Bäume auf 1500 Meter über Meer ihre Schutzfunktion vor Steinschlag und Lawinen erfüllen können.
Besonders alarmierend ist offenbar die Lage im Muttenzer Hardwald, einem sehr wichtigen Grundwasserschutzgebiet. Die Bürgergemeinde Basel hat den Wald wegen instabiler Bäume sicherheitshalber für die Bevölkerung zwischenzeitlich ganz oder teilweise gesperrt. Bisher sind allerdings keine entsprechenden Warnungen an die Bevölkerung von kantonalen oder lokalen Forstdiensten erlassen worden. Waldgängern empfiehlt es sich aber auf jeden Fall, aufmerksam zu sein. Bevor in einem Wald ein dicker Ast oder ein Baum zu Boden fällt, sind in der Regel Bruchgeräusche zu hören.
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