Plattform für Wasser, Gas und Wärme
News
29. Juli 2019

Nitrat im Grundwasser

Europäische Union setzt Deutschland letzte Frist

Auf den Feldern lässt Gülle die Pflanzen wachsen - aber zu viel davon kann zur Gefahr für Natur und Trinkwasser werden. Mit schärferen Regeln fürs Düngen tut Deutschland sich allerdings schwer. Die EU-Kommission verliert die Geduld. Das könnte teuer werden.

Die Kommission der Europäischen Union (EU) setzte Mitte Juli Deutschland eine letzte Frist: Bund und Länder haben nun zwei Monate Zeit, Brüssel von ihren Plänen für strengere Düngeregeln zu überzeugen. Gelingt das nicht, könnte Deutschland wegen der teils überhöhten Nitrat-Werte im Grundwasser erneut vom Europäischen Gerichtshof verurteilt werden. Dann würden Strafen in Millionenhöhe fällig.

Mit dem 20-seitigen Mahnbrief von Mitte Juli erhöhe die Kommission «enorm den Druck», sagte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth. EU-Umweltkommissar Karmenu Vella betonte jedoch, in den Gesprächen mit der Bundesregierung habe es «einigen Fortschritt» gegeben. Dennoch sei die Qualität des deutschen Grundwassers «unter den schlechtesten in der Europäischen Union», auch Flüsse und Küstengewässer seien in schlechtem Zustand.

Unverhältnismässiger Druck

Der deutsche Bauernverband kritisierte den Druck aus Brüssel als «unverhältnismässig und unangemessen». Die Wasserwirtschaft nannte den Schritt dagegen richtig: Bund und Länder wären «gut beraten, endlich die europäischen Vorgaben konsequent umzusetzen». Die kommunalen Wasserversorger forderten ein «deutschlandweit transparentes Düngesystem mit digitaler Datenübermittlung» zur besseren Kontrolle.

Die Entscheidung der Kommission hat eine lange Vorgeschichte, Brüssel und Berlin streiten seit Jahren über den Grundwasser-Schutz. Dabei geht es vor allem um Gülle und anderen Dünger auf den Feldern. So gelangt Nitrat in den Boden, das wichtig fürs Pflanzenwachstum ist und Menschen erst mal nicht schadet. Zu viel davon kann die Natur aber aus dem Gleichgewicht bringen. Ausserdem können aus Nitrat gesundheitsgefährdende Nitrite entstehen.

Eindeutig zu wenig unternommen

Noch kann man in Deutschland Leitungswasser bedenkenlos trinken. Anders ist es beim Grundwasser: An 28 Prozent der Messstellen in Deutschland wurden laut einem Bericht von 2016 mehr als 50 Milligramm Nitrat gemessen. Offiziell wird erst 2020 wieder überprüft, ob sich die Messwerte bessern.

Im Juni 2018 hatte der Europäische Gerichtshof deshalb schon mal verurteilt: Die Bundesrepublik habe über Jahre hinweg zu wenig gegen Überdüngung mit Gülle und Verunreinigung des Grundwassers durch Nitrat unternommen, urteilten die Richter damals. Sie bezogen sich allerdings auf ältere Düngeregeln, es ging um Versäumnisse vor 2014.

Im Jahr 2017 hatte Deutschland die Vorgaben für die Landwirte dann verschärft - nach langem und heftigem Gezerre zwischen Agrar- und Umweltministerium, Bauernverband und Naturschützern. Die EU-Kommission machte jedoch ziemlich schnell klar, dass dies aus ihrer Sicht nicht ausreicht.

Deshalb legte die Bundesregierung im Juni weitere Massnahmen zum Grundwasserschutz vor, die ab Ende März 2010 gelten sollen. Es geht etwa um den Zeitraum, in dem nicht gedüngt werden darf, und um «rote Gebiete» mit hoher Nitrat-Belastung, in denen besonders strenge Regeln gelten sollen. Die Details sind sehr technisch. Diesen Vorstoss berücksichtige die Kommission in ihrer aktuellen Bewertung allerdings noch nicht - sie bezog sich in ihrer Stellungnahme nur auf das geltende Recht von 2017.

Wie geht es weiter?

Ende August wollen nun Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) nach Brüssel reisen, um zu präsentieren, wie Deutschland sein Düngerecht nachschärfen will. Zwischen den beiden Ministerien gibt es ohnehin ständig Streit, wenn es etwa um Insektenschutz und Pestizide geht. Für Düngeregeln ist Klöckner zuständig, für den Wasserschutz Schulze, das macht das Thema Nitratbelastung extra-kompliziert.

«Die beiden Bundesministerien werden jetzt den Inhalt des Mahnschreibens der Europäischen Kommission prüfen und die Antwort innerhalb der Bundesregierung unter Einbeziehung der Länder abstimmen», teilten Umwelt- und Agrarministerium mit. Die Regierung  arbeite daran, «in der nur achtwöchigen Frist eine Einigung zu erzielen», und bleibe mit der EU-Kommission im Gespräch.

Offener Streit zwischen den zuständigen Ministerinnen blieb Mitte Juli aus. Dafür griff die SPD Klöckner scharf an: Das Agieren des Agrarministeriums sei «ein einziges Trauerspiel, das die Steuerzahler Millionen kosten kann», sagte er. Kanzlerin Angela Merkel müsse sich die Frage stellen, «wer nun eigentlich für diese Misere haftet». Sollte Deutschland ein weiteres Mal verurteilt werden, könnte eine hohe Strafe fällig werden - bis zu 857 000 Euro pro Tag, bis das Problem beseitigt ist.

 

Kommentar erfassen

Kommentare (0)

e-Paper

«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.

Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.

Die «gazette» gibt es auch als E-Paper. Sämtliche bisher erschienen Ausgaben sind frei zugänglich.