Nach Ansicht des Trinkwasserverbandes SVGW (siehe Stellungnahme ) gehen die in der AP22+ vorgeschlagenen Massnahmen in die richtige Richtung, sind aber bei weitem nicht ausreichend, um die dringenden Probleme im Trinkwasser- und Gewässerschutz zu lösen, die durch die Landwirtschaft verursacht werden. Allen voran ist die viel zu geringe Reduktion der Stickstoffeinträge und von Pflanzenschutzmitteln zu kritisieren, insbesondere im Zuströmbereich von öffentlichen Trinkwasserfassungen.
Seit Jahren werden bei 70 Prozent der Grundwassermessstellen im Mittelland Rückstände von Pflanzenschutzmitteln gemessen. In über 60 Prozent der Messtellen bei Hauptnutzung Ackerbau wird der Anforderungswert für Nitrat überschritten. Ohne griffige Massnahmen an der Quelle werden die Umweltziele der Landwirtschaft auch in Zukunft nicht erreicht. Bereits wurden in der Vergangenheit Trinkwasserfassungen aufgrund zu hoher Nitratgehalte oder Pestizidbelastungen geschlossen. Für die Wasserversorger wird es immer schwieriger sauberes Trinkwasser ohne aufwändige und teure Aufbereitung zur Verfügung zu stellen.
Keine ausreichenden Antworten auf künftige Herausforderungen, insbesondere im Bereich des Umweltschutzes, bietet die Agrarpolitik 2022+ nach Ansicht der Grünen. Die Massnahmen zum Schutz von Umwelt, Klima und Biodiversität seien ungenügend; auch würde keine Antwort auf die hängigen Pestizid-Initiativen geliefert.
Bei den Pestizid-Initiativen hakt auch die Agrarallianz ein, der fast 20 Organisationen wie der WWF, Pro Natura oder Vision Landwirtschaft angehören. Durch die «kalte Ablehnung» der Initiativen ohne Gegenvorschlag müssten Bundesrat und Bauernverband nun liefern: Nur eine Agrarpolitik 2022+, die bei Umweltzielen, Gewässerqualität und Tierwohl Fortschritte verspreche, sei jetzt noch opportun.
Die Klima-Allianz mit ihren 82 Mitgliedsorganisationen schliesslich verlangt mehr Agrarökologie und Biolandbau sowie weniger Tierproduktion und Fleischkonsum. Sie kritisiert die fehlenden Massnahmen der Vorlage in diesen Bereichen.
Der Schweizer Bauernverband (SBV) kritisiert die fehlende Stärkung der Ernährungssicherheit. Auch die Änderungen im Direktzahlungssystem seien nicht zielführend. Grosse Bedenken hat der Verband auch, was die vorgeschlagene Lockerung des bäuerlichen Boden- und Pachtrechts anbelangt. Die Kleinbauern-Vereinigung fordert deutlich weniger flächenbezogene Zahlungen. Stattdessen müsse Vielfalt stärker gefördert werden, von den Betriebsstrukturen, dem Saatgut über die Tierzucht, die Produkte bis zur Verarbeitung und den Vermarktungsmöglichkeiten.
Die SVP kritisiert die geplanten Änderungen am System der Direktzahlungen. Auch die vorgeschlagene Lockerung des Bodenrechts, wonach Genossenschaften, Stiftungen oder Quereinsteiger landwirtschaftlichen Boden erwerben könnten, lehnt die Partei ab. Die FDP hingegen begrüsst gerade diesen letzten Punkt. Er schaffe unternehmerischen Freiraum und fördere Innovation, so dass der Quereinstieg in die Landwirtschaft vereinfacht werde. Die BDP zeigt sich erstaunt, dass das Projekt Agrarpolitik 2022+ nur wenig neue Massnahmen zur marktgerechten Ausrichtung der Landwirtschaft enthalte. Die CVP schreibt, die Agrarpolitik 2022 wolle in verschiedenen Bereichen die bisherige Politik vollkommen umkrempeln. Dies gehe entschieden zu weit, weil dadurch die Rechtsunsicherheit für die Landwirtschaftsbetriebe massiv erhöht werde. Als einzige der grossen Parteien hat sich die SP Schweiz noch nicht zum Entwurf des Bundesrates geäussert. Sie werde dies aber später noch tun, verlautete auf Anfrage der sda.
Die neue Strategie des Bundesrates zur Agrarpolitik 2022+ soll am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Sie soll im Parlament erst nach der Abstimmung über die «Trinkwasserinitiative» und die «Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» debattiert werden, was von vielen Organisation, auch dem Trinkwasserverband SVGW, kritisiert wird.
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