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Fachartikel
19. Dezember 2018

Forschungsprogramm

Qualität der Böden langfristig erhalten

Instrumente für die Raumplanung, eine standortgerechte land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung, eine flächendeckende Bodenkartierung sowie mehr Engagement und Kohärenz in der Bodenpolitik: Dies sind die Eckpfeiler, die das Nationale Forschungsprogramm "Nachhaltige Nutzung der Ressource Boden" (NFP 68) vorschlägt, um die Bodenqualität in der Schweiz langfristig zu sichern.

Böden erfüllen aufgrund ihrer Eigenschaften vielfältige Funktionen. Sie sind für die Gesellschaft von unschätzbarem Wert – in der Land- und Forstwirtschaft, bei der Trinkwassergewinnung, beim Schutz vor Naturgefahren wie Hochwasser oder Erdrutschen und beim Klimaschutz. Wird der Boden unangepasst genutzt, gehen die Ökosystemleistungen verloren. Bedroht ist der Boden in der Schweiz durch Verdichtung, Erosion, den Verlust an organischer Substanz und Biodiversität sowie den Eintrag von Schad- und Nährstoffen.

Bodenqualität in die Raumplanung integrieren

Die grösste Gefahr geht jedoch vom Bau von Siedlungen und Infrastrukturen aus, in dessen Folge Boden entfernt oder versiegelt wird und die Bodenfunktionen komplett ausfallen. Betroffen sind qualitativ hochwertige Böden am Siedlungsrand und ausserhalb der Bauzone. Das NFP 68 schlägt vor, die Bodenqualität bei raumplanerischen Entscheiden einzubeziehen. Forschende entwickelten sogenannte Bodenindexpunkte, um die Bodenqualität quantifizieren zu können. "Die Verwendung von Bodenindexpunkten kann die Siedlungsentwicklung auf Böden geringerer Qualität und nach innen lenken", so Adrienne Grêt-Regamey von der ETH Zürich. "Die Bodenqualität kann so langfristig erhalten werden."

Bodenbewirtschaftung auf Bodenqualität ausrichten

Das NFP 68 hat die Wirkungen der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung auf die Bodenqualität untersucht. In einem mehrjährigen Versuch beobachteten Forschende die Regeneration eines Bodens nach der Verdichtung durch einen Traktor. Sie stellten fest: Ein einziges Verdichtungsereignis reduziert die Ernteerträge über mehr als ein Jahrzehnt.

Eine entscheidende Rolle für die die Bodenqualität spielt die organische Bodensubstanz in Form von Humus. "Sie zu erhalten ist ein zentrales Ziel einer nachhaltigen Bewirtschaftung", betont Emmanuel Frossard, Präsident der Leitungsgruppe des NFP 68. "Dies erfordert Massnahmen, die auf die Erhaltung der Bodenfunktionen ausgerichtet sind." Das NFP 68 schlägt vor, die Land- und Forstwirtschaft in Richtung einer standortangepassten Bewirtschaftung weiterzuentwickeln, die sich an der Bodenqualität orientiert. Der Gehalt an organischer Bodensubstanz soll dabei als zentraler Indikator in die Landwirtschaftspolitik aufgenommen werden.

Klimarelevanz der Böden berücksichtigen

Den grössten Verlust an organischer Bodensubstanz verzeichnen entwässerte Moorböden. Weil als Folge der Entwässerung CO2 entweicht, stellen sie die grösste CO2-Quelle in der Landwirtschaft dar. Gleichzeitig sind sie – beispielsweise für den Gemüsebau – von grossem ökonomischem Wert. Forschende des NFP 68 haben gezeigt, dass eine nachhaltige Bewirtschaftung dieser Böden nach heutigem Wissensstand nicht möglich ist. Das NFP 68 empfiehlt daher eine grundsätzliche politische Diskussion zur künftigen Nutzung dieser Böden. Angesichts der Klimarelevanz von Lachgas (N2O) gilt es aber auch den Stickstoffeintrag in der Landwirtschaft weiter zu reduzieren. 

LĂĽcke bei der Bodenkartierung schliessen

Um die Bodenqualität berücksichtigen zu können, sind detaillierte Bodendaten notwendig. Diese sind in der Schweiz aber nur für 10 bis 15 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche verfügbar. Mit der Bodeninformations-Plattform Schweiz hat das NFP 68 die Eckwerte für eine landesweite innovative Bodenkartierung nach neuestem Stand der Technik entwickelt, um diese Lücke innert zwei Jahrzehnten etappenweise zu schliessen. Die Kosten für dessen Umsetzung liegen für diesen Zeitraum bei rund 10 bis 25 Millionen Franken pro Jahr. Sind die Bodendaten verfügbar, kann die Bodennutzung effizienter gestaltet werden, beispielsweise bei der Bewässerung, bei der Düngung, bei der Trinkwasserversorgung oder bei der Naturgefahrenvorsorge und dies höchstens zur Hälfte bis zu einem Zehntel der Kosten.

Globale Verantwortung für nachhaltige Nutzung der Böden

Die Produktion von Nahrungsmitteln und Konsumgütern, die in die Schweiz importiert werden, beanspruchen im Ausland Böden, die einem Mehrfachen der Schweizer Landesfläche entsprechen. Die Schweiz nutzt und belastet Böden auf der ganzen Welt, sei es direkt, oder indirekt durch den Handel von Rohstoffen und durch Finanzgeschäfte. Die Schweiz ist auf diese Weise abhängig von fruchtbaren Böden im Ausland und trägt Mitverantwortung für die ökologischen und sozialen Auswirkungen. Forschende des NFP 68 haben diese anhand einer grossflächigen Landinvestition in Sierra Leone untersucht. Um Verantwortung übernehmen zu können, brauchen Konsumentinnen und Konsumenten Informationen zur Bodennutzung. "Auch die Unternehmen und die schweizerische Aussenpolitik müssen dafür sorgen, dass bei grossen Landakquisitionen Bodenaspekte berücksichtigt werden", erklärt Peter Messerli von der Universität Bern.

Kohärenz in der Bodenpolitik verbessern

In der Schweiz existiert bisher keine sektorübergreifende Bodenpolitik. Dies führt zu mangelnder Kohärenz und einer nicht nachhaltigen Nutzung des Bodens. Zudem bestehen grosse Vollzugsdefizite. Um Fortschritte bei der nachhaltigen Nutzung der Ressource Boden zu erzielen, braucht es ein grösseres Engagement seitens der Politik und eine koordinierte Zusammenarbeit der involvierten Akteurinnen und Akteure. Das NFP 68 empfiehlt deshalb, die Koordination auf Verwaltungsebene zu verbessern, die hierzu aktuell diskutierte Bodenstrategie des Bundes zu verabschieden, zügig umsetzen und vor allem die Entscheidungsträgerinnen und -träger für Bodenfragen stärker zu sensibilisieren.

 

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