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Fachartikel
29. Oktober 2018

Wärmetagung 2018

Städte ringen um die passende Lösung

Ende Oktober fand unter dem Motto «Fernwärme versus Erdgas – Städte ringen um die passende Wärmelösung» im Kantonsratssaal in St.Gallen die Wärmetagung 2018 statt: Dazu eingeladen hatte die Universität St.Gallen mit verschiedenen Partnerorganisationen.

Sie waren an der Wärmetagung 2018 in St.Gallen sprichwörtlich «in aller Munde», die «Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich». Immer wieder wurden die «MuKEn», wie sie kurz und oft falsch betont auch genannt werden, zitiert oder für Entscheide der Kantone, Gemeinden und Städte als Begründung herangezogen, aber auch ihre Richtigkeit in Zweifel gezogen.

Doch worum handelt es sich bei den «MuKEn», warum sind sie für die Wärmeversorgung der Schweiz so wichtig und wo kommen sie zum Einsatz?

Gemeinsam erarbeitetes Gesamtpaket

Bei diesen Erlassen, so war in St.Gallen zu erfahren, handelt es sich um das von den Kantonen der Schweiz gemeinsam erarbeitete «Gesamtpaket» energierechtlicher Mustervorschriften im Gebäudebereich. Sie bilden gewissermassen den «gemeinsamen Nenner» der Kantone, um die Bauplanung und die Bewilligungsverfahren für Bauherren und Fachleute, die in mehreren Kantonen tätig sind, zu vereinfachen. Deshalb haben sie auch ein «hohes Mass an Harmonisierung» zum Ziel. Die Harmonisierung soll dabei durch die Verwendung von gemeinsam erarbeiteten Regularien, Formularen und Vollzugshilfen zusätzlich unterstützt werden.

Verabschiedet wurden die «MuKEn» im Jahr 2014 von der Energiedirektorenkonferenz der Kantone wie deren Sekretär in St.Gallen ausführte. Im Vorfeld hatten Fachverbände und Organisationen die Gelegenheit, zum Entwurf Stellung zu nehmen. Die Mustervorschriften des Jahres 2014 beruhen dabei auf denjenigen des Jahres 2008 bzw. 2000. Von da an wurden sie immer wieder weiterentwickelt und auch die sogenannte «Musterverordnung für rationelle Energienutzung in Hochbauten aus dem Jahre 1992» ist eine ihrer Grundlagen.

Energiepolitische Verantwortung

Ein nach den MuKEn 2014 realisierter Neubau, so war zu erfahren, soll noch rund 3,5 Liter Heizöl-Äquivalente an Wärmeenergie verbrauchen, umfassend sanierte Gebäude rund 8 Liter Heizöl-Äquivalente. Die Verbrauchsvorgaben sind seit 1975 um über 75 Prozent gesenkt worden. Damit würden die Kantone ihre energiepolitische Verantwortung zur Reduktion des Energieverbrauchs im Gebäudebereich wahrnehmen.
Die Kantone sollen dabei die MuKEn «möglichst unverändert und vollständig», so eine Empfehlung, in ihre kantonalen Erlasse aufzunehmen. Dieses System habe sich bewährt, so wird betont, und die Kantone seien damit bisher immer gut gefahren. Das Basismodul der MuKEn 2008 wurde inzwischen zu fast 100 Prozent in allen Kantonen umgesetzt. Und die Umsetzung der MuKEn 2014 ist bei den Kantonen in vollem Gang.

Weitreichende Konsequenzen

Mit der Ratifizierung des UN-Klimaabkommens von Paris durch die Schweiz im Juni 2017 gewann die Debatte um eine Dekarbonisierung der Energie- und damit auch der Wärmeversorgung zudem deutlich an Intensität in unserem Lande. Und eine allfällige Aufnahme der MuKEn 2014 in die kantonalen Energiegesetzgebungen mit den entsprechenden Vorschriften zum Heizungsersatz in bestehenden Gebäuden sowie der Nicht-Anerkennung von Biogas als erneuerbare Energiequelle könnte die Ablösung von Erdgas zugunsten von Fernwärme im Innenstadtbereich zusätzlich begünstigen: «Mit weitreichenden Konsequenzen für die sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befindlichen lokalen Versorger», wie einer der Referenten in St. Gallen meinte.

Für eine optimale Versorgung

Die diesjährige Wärmetagung der Universität St.Gallen im historischen Kantonsratssaal widmete sich deshalb dem Thema «Fernwärme versus Erdgas» und handelte davon, wie Schweizer Städte, allen voran Basel, St. Gallen Winterthur und Zürich um die für sie passende Wärmelösung ringen. Doch bevor dies in St. Gallen erläutert wurde, ging Urs Elber von der Energieforschung an der EMPA 
in seinem Referat noch auf «eine optimale Wärmeversorgung aus technischer Sicht» ein. «Eine geschickte Sektorkopplung in kleinen und grossen Energy Hubs», so meinte dabei der Experte, «führt zu einer optimalen Versorgung der Städte». Die Frage sei aber nicht, ob Strom-, Gas- oder Fernwärmenetze sinnvoll seien, sondern dass sie sinnvoll gekoppelt seien und dass sie auf die «Dynamik der erneuerbaren Produktion und des Verbrauchs» adäquat reagierten. «Die Gesamteffizienz des Systems», so Urs Elber abschliessend, «ist dabei viel wichtiger als die Effizienz einer speziellen Technologie.

Wie steht es um St. Gallen…

Doch worauf bauen nun die Schweizer Städte, allen voran St. Gallen, Winterthur, Zürich und ihre «Kontrahentin» Basel? «Für uns ist es eine klare Sache», meinte Lokalmatador Peter Jans, relativ frisch gewählter SP-Stadtrat von St. Gallen: «Wir möchten vor allem Verlässlichkeit für unsere Investitionsentscheide schaffen! Und die Bevölkerung St. Gallens soll auch noch im Jahre 2050 ihre Bedürfnisse in den Bereichen Wärme, Elektrizität und Mobilität auf wirtschaftliche, umweltfreundliche und soziale Weise zu befriedigen können.» Hierfür setze man auf die Konvergenz der Netze und analysiere genauestens die Ausgangslagen bei Strom, Gas, Fernwärme und dem Wärmecontracting. «St. Gallen», so zeigte sich der Stadtrat überzeugt, «ist auf dem richtigen Weg zur ökologisch und wirtschaftlichen Umsetzung des Energiekonzeptes 2050 des Bundes.»

… oder die Stadt Basel?

Und wie steht es um Basel und Zürich? «Die Transformation der Energieversorgung beginnt sich in Basel allmählich zu konkretisieren,» meinte Claus Wepler, Generalsekretär des Departementes für Wirtschaft, Soziales und Umwelt: «Es braucht aber Zeit und Geduld!»

Bis zum Jahr 2035/2040 sei Erdgas nur noch «eine Brückentechnologie» und ab 2050 sei ihre Rolle als Wärmequelle im Stadtkanton wohl endgültig vorbei. Allerdings brauche es hierfür «realistische planerische Fertigkeiten», aber auch einen Konsens zwischen Energieversorgungsunternehmen wie den Industriellen Werken Basel (iwb) und den staatlichen Behörden – «und dies räumlich, zeitlich und finanziell», meinte Claus Wepler: «Der Ausbau leitungsgebundener Wärmeversorgung muss zielgerichtet erfolgen und unnötige Kosten und Investitionen sollten vermieden werden.» Zudem spielten die Anreize und die Technologien für Energieeffizienz eine äusserst wichtige Rolle.

Umweltfreundliche Wärme und Kälte

Die Stadt Zürich setzt ebenfalls zunehmend auf Fernwärme, wie Christoph Deiss von der Energieversorgung Zürich (ewz) betonte. Sofern im Februar 2019 der entsprechende Volksentscheid an der Urne eine Mehrheit findet, will die Stadt ab Herbst 2020 zusätzliche Liegenschaften in Höngg und Altstetten erschliessen. Dies sei auch wirtschaftlich sinnvoll. "Bei einem weiteren Anstieg der Kohlendioxid-Abgabe wird die erneuerbare Wärme aus dem Energieverbund Altstetten günstiger als Wärme aus Gas oder Öl", betonte Christoph Deiss. Für die ewz gelte es insgesamt, die richtigen Energieträger am richtigen Ort einzusetzen.

Kommunaler Energieplan

«Meine Stadt», so führte daraufhin Heinz Wiher von der Energiefachstelle Winterthur aus, «setzt in ihrer Wärmepolitik vor allem auf einen kommunalen Energieplan, der im Sommer 2013 vom Gemeinderat verabschiedet wurde und der seit 2015 in Kraft ist.» Um die darin festgelegten Energiesanierungsziele, die sehr ehrgeizig gesetzt seien, zu realisieren, wurden und werden, wo immer dies sinnvoll ist, Wärmeverbünde mit erneuerbaren Energieträgern gebaut. «Der Bau neuer Wärmenetze», so zeigte sich Heinz Wiher überzeugt, «ist dabei das beste Werkzeug in der Kompetzenz der Städte zur Reduktion der Treibhausgase. Doch es besteht dabei auch die Herausforderung der Rentabilität!»  

Erdgas versus Fernwärme

Und was ist nun besser für die Wärmeversorgung der Zukunft in der Schweiz – Erdgas oder Fernwärme? «Wir haben beim Gas keine emissionsverursachenden Umwandlungsprozesse, wir sind frei von organischem Schwefel und wir sind ungiftig für Mensch, Tier und Umwelt», meinte Andreas Bolliger von Erdgas Ostschweiz AG und präsentierte ein paar Kennzahlen und die wichtigsten ökologischen Vorteile von Gas: «Zudem haben wir eine schadstoffarme Verbrennung, vergleichsweise niedrige Kohlendioxid-Emissionen und auch keinen Feinstaub, Russ oder Schwermetallausstoss.» Zudem habe man sich bis zum Jahr 2030 das Ziel gesetzt, 30 Prozent erneuerbares Gas anzubieten.

«Erdgas ist eine Investition der Vergangenheit mit grossem Reformbedarf», betonte hingegen Aeneas Wanner von Energie Zukunft Schweiz: «Fernwärme ist die Energie der Zukunft.» Fernwärme, so erklärte der parteilose Grossrat von Basel-Stadt weiter, «habe mehrheitlich eine Nutzung von Abwärme, konkurrenzfähige Preise und keinerlei Wartungsaufwand. Fernwärme sei nicht nur sauber und sicher, sondern auch bereit für die Zukunft: «Lokale Wärmeverbunde», so Aeneas Wanner, «sind die sinnvollste, umwelt- und klimafreundlichsten Heizsysteme für Stadtquartiere, die man sich nur vorstellen kann. Sie passen perfekt zur Energiestrategie der Städte und des Bundes.»      

Public Corporate Governance

Nach all diesen Plädoyers Pro und Contra folgte dann am Nachmittag der Tagung eine Betrachtung zum Thema «Public Corporate Governance», auf Deutsch etwa mit «Öffentliche Grundsätze der Geschäftsführung» zu übersetzen: Hier referierte Thomas Peyer von Swisspower über die Praxis für eine integrale Wärme- und Gasstrategie, und Almut Kirchner von der Prognos AG in Basel nahm schliesslich unter dem Motto «Sektorkopplung: quo vadis?» die Zukunft der verschiedenen Systeme unter die Lupe.

 

 

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