Fossile Energie hat in den letzten 50 Jahren die rasante wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der westlichen Welt ermöglicht, von der auch die Schweiz in hohem Masse profitierte – aber sie hat uns auch in energetische Abhängigkeiten geführt, die Luft mit Schadstoffen belastet und die Klimaveränderung verstärkt. Im Mobilitätsdemonstrator «move» auf dem Empa-Campus in Dübendorf soll aufgezeigt werden, wie diese Schattenseiten der Mobilität in Chancen umgewandelt werden können, indem im Strommarkt nicht nutzbare erneuerbare Elektrizität in einheimische, saubere Energie für den Mobilitätsbereich aufbereitet und nutzbar gemacht wird. Damit kann nicht nur die Klimabelastung der Mobilität gesenkt, sondern auch die Wirtschaftlichkeit der erneuerbaren Stromproduktion verbessert werden.
Die Umstellung auf erneuerbare Energie bedeutet für die Schweiz primär den Ausbau von Photovoltaikanlagen. Allerdings produzieren diese vor allem im Sommerhalbjahr Strom, wenn der Strombedarf der Schweiz – auch ohne AKWs – bereits mehrheitlich durch die Wasserkraft gedeckt werden kann. Da unsere Nachbarländer in die gleiche Technologie investieren, dürfte es im Sommerhalbjahr deshalb zunehmend schwierig werden, Strom aus Photovoltaik- und Wasserkraftanlagen im europäischen Strommarkt kostendeckend zu vermarkten – was sich wirtschaftlich wiederum negativ auf den Ausbau der Photovoltaik auswirken kann.
«move» zeigt nun exemplarisch auf, wie Stromüberschüsse im Sommerhalbjahr in die Mobilität transferiert und als Ersatz von fossilen Treibstoffen genutzt werden können. So kann die temporär überschüssige Elektrizität tagsüber in einer Batterie gespeichert werden, um in der Nacht Elektrofahrzeuge zu laden. Oder sie wird in einer Elektrolyseanlage zur Erzeugung von Wasserstoff genutzt. Der gasförmige Wasserstoff wird dann auf 440 bar verdichtet und kann über eine Wasserstofftankstelle entweder direkt in Brennstoffzellenfahrzeugen genutzt werden oder als Beimischung zum Biogas in entsprechend optimierten Gasfahrzeugen.
Im Rahmen der ersten Ausbaustufe von «move» haben die Forschenden das Wirkungsgradverhalten der einzelnen Energiespeicher- und Umwandlungspfade sowie das Zusammenspiel der Anlagen und das Verbrauchsverhalten der entsprechenden Fahrzeuge in der Realität detailliert analysiert. Neben einem Elektrofahrzeug der Empa-Betriebsflotte setzten sie dazu ein wasserstoffbetriebenes Kehrfahrzeug ein, das zusammen mit dem Paul Scherrer-Institut und Bucher Minicipal entwickelt wurde und vom Tiefbauamt der Stadt Dübendorf für die tägliche Strassenreinigung genutzt wurde. Zur Analyse des Wasserstoff-Biogas-Gemischs wurde ein damit betriebener Lieferwagen im Paketauslieferdienst eingesetzt. Dieser Mobilitätspfad entstand in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gaswirtschaft, Iveco und der Schweizerischen Post.
Diese erste Ausbaustufe des «move» wurde vom ETH-Rat, dem Bundesamt für Energie (BFE), der Stadt Dübendorf und der Glattwerk AG als Hauptpartner unterstützt. Gemeinsam mit der Suva wurde für die Wasserstoffzapfsäule ein praxistauglicher Lecktest entwickelt – ein notwendiger Schritt, um derartige Zapfsäulen in herkömmliche Tankstellen integrieren zu können. Diese und weitere Sicherheitsmassnahmen werden zurzeit mit Fachstellen und Behörden in einem Genehmigungsleitfaden für Wasserstofftankstellen zusammengefasst – als rechtliche und sicherheitstechnische Orientierungshilfe für den Ausbau des Wasserstoff-Tankstellennetzes in der Schweiz.
Die erste Betriebsphase wurde auch von weiteren «move»-Partnern genutzt, um neue Technologien in der Praxis zu erproben. Dazu gehören etwa die vom ETH Zürich-/Empa-Spin-off Flisom entwickelte Dünnschicht-Photovoltaikanlage, der Einsatz eines Wasserstoffverdichters von AtlasCopco im dynamischen Betrieb oder eine neue Hochdruck-Verbindungstechnologie von Swagelok. Mit dem Zapfsäulenlieferanten Linde wird in der «move»-Tankstelle zudem ein weiterentwickelter Wasserstoffsensor erprobt und mit dem Eidgenössischen Institut für Metrologie (METAS) wird im Rahmen eines EU-Projekts ein Eichverfahren für Wasserstofftankstellen entwickelt. Damit zählt die Wasserstofftankstelle der Empa europaweit zu den ersten eichfähigen Tankstellen überhaupt. Dank der Erfahrungen, die im Rahmen der Genehmigung der Tankstelle und der Entwicklung von Sicherheitskonzepten gewonnen werden konnten, stehen heute viele Daten und Modelle für die Verbreitung dieser Technologien bereit.
Inzwischen konnte bereits die zweite Phase initiiert werden, welche die Verdichtung des lokal erzeugten Wasserstoffs auf 900 bar und die Betankung von Brennstoffzellen-Personenwagen in wenigen Minuten ermöglicht. Zurzeit ist die dritte Ausbaustufe in Planung. Dabei soll Wasserstoff zusammen mit Kohlendioxid aus der Atmosphäre in einem katalytischen Prozess in synthetisches Methan umgewandelt werden, das im Gasnetz gespeichert und für den Betrieb von Gasfahrzeugen genutzt werden kann. Um die Effizienz der Gesamtanlage zu erhöhen, wird ein neuartiges Abwärme-Nutzungskonzept entwickelt und realisiert.
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