Mit dem heutigen Entscheid, ohne indirekten Gegenvorschlag auf die Trinkwasserinitiative einzugehen, scheint der Bundesrat vor der Agrarlobby eingeknickt zu sein. Dass allfällige Trinkwasserschutz-Massnahmen in der Agrarpolitik (AP22) eingebunden werden sollen, ist nicht ausreichend. Insbesondere da die Agrarpolitik - wie es der Bauernverband fordert - erst nach der Trinkwasserinitiative behandelt werden soll. Die Erarbeitung und der Beschluss der AP22 ist erfahrungsgemäss ein langwieriges Verfahren, das vielfältige Interessen berücksichtigen muss. Es ist offensichtlich, dass der Trinkwasserschutz in der parlamentarischen Diskussion von Partikularinteressen verdrängt und am Ende zwischen Stuhl und Bank fallen wird. Dringende Schritte hin zu einer innovativen Landwirtschaft werden auf der Strecke bleiben und notwendige Kooperationen zwischen Landwirten und Wasserversorgern behindert.
Die «Trinkwasserinitiative» greift drängende Probleme im Gewässerschutz auf, adressiert berechtigte Forderungen an Politik und Bevölkerung und schlägt einen einfachen, im Kern aber radikalen Ansatz zur Umgestaltung der Landwirtschaft vor. Viele Wasserversorger unterstützen die Initianten, sie erleben tagtäglich, dass es einen wirksameren Schutz des Trinkwassers vor Pestizideinträgen und Nitrat braucht. Pflanzenschutzmittel und ihre Abbauprodukte treten landesweit an 22% der Messstellen in Konzentrationen von mehr als 0.1μg/l im Grundwasser auf. In intensiv ackerbaulich genutzten Gebieten liegen die Konzentrationen der Pestizide und deren Abbauprodukte sogar an 70% der Messstellen über dem Wert von 0.1 mg/l[i]. Nitrat tritt in Konzentrationen von über 25 mg/l Nitrat landesweit an bis mehr als 15% der beprobten Messstellen auf. In überwiegend ackerbaulich genutzten Gebieten liegen die Konzentrationen an bis zu 60% der Messstellen über diesem Wert.
Und wie es nach dem heutigen Bundesratsentscheid den Anschein macht, bietet die «Trinkwasserinitiative» den einzigen verbindlichen Ansatz, dieses Problem anzugehen. Sowohl die Wasserfachorganisation als auch die Umweltverbände kommen dadurch in Zugzwang, wie sie mit dem Bundesratsentscheid umgehen wollen. «Ohne indirekten Gegenvorschlag mit konkreten Massnahmen muss sich der SVGW ernsthaft überlegen, die Trinkwasserinitiative im Abstimmungskampf zu unterstützen, obwohl sie weit über die Trinkwasserthematik hinausgeht», sagt denn auch der (designierte) SVGW-Präsident Markus Küng.
Der SVGW erachtet es als ungenügend und unglaubwürdig, der «Trinkwasserinitiative» nur ein wenig verlässliches Agrarpolitik-Paket entgegenzustellen, das zudem noch im Nachgang der Trinkwasserinitiative geschnürt werden soll. Dann also, wenn der öffentliche Druck auf Reformen bereits verpufft sein wird. Der SVGW kritisiert, dass mit dem gewählten Vorgehen die dringenden Trinkwasserschutzprobleme weder wahrgenommen, noch ernsthaft angegangen oder gelöst werden können.
Der bereits bestehende «Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln NAP» ist zwar ein erster Schritt, hat aber nur schwache Ziel- und Zeitvorgaben für den Umwelt- und Trinkwasserschutz. Zudem fehlt die notwendige Finanzierung. Nach bald einem Jahr ist noch immer unklar, ob und welche Massnahmen konkret im Trinkwasserschutz vorgesehen sind.
Der SVGW fordert nun verbindliche Massnahmen auf Gesetzesstufe. Dies als glaubwürdige Alternative zur «Trinkwasserinitiative». Er wird deshalb versuchen, Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu überzeugen, dass nur ein substantieller indirekter Gegenvorschlag die nachweislich drängenden Probleme im Trinkwasserschutz und im Umweltschutz gezielt, einfach und rasch lösen kann. Es geht auch darum, planerisch das Trinkwasser langfristig zu schützen und die Nutzungsbestimmungen in den Zuströmbereichen und Schutzzonen so zu gestalten, dass das Trinkwasser nicht weiter durch Fremdstoffe wie Pflanzenschutzmittel verunreinigt wird. Auch der Privatgebrauch von Pflanzenschutzmitteln soll eingeschränkt werden. Die Massnahmen in den Schutzzonen betreffen zirka 2,5% der Landwirtschaftsfläche und hätten umgekehrt eine grosse Wirkung auf die Qualität unserer Trinkwasserreserven. Gleichzeitig sollen auch in der Landwirtschaft innovative Entwicklungen ermöglicht und gefördert werden.
Letztlich muss ein indirekter Gegenvorschlag eine glaubwürdige Antwort auf die Forderungen der «Trinkwasserinitiative» bieten. Natürliches Trinkwasser soll auch in der Zukunft ein herausragendes Merkmal der Schweiz sein.
Der SVGW teilt das Ziel «sauberes Trinkwasser» mit den Initianten der «Trinkwasserinitiative». Er will das Ziel vom sauberen Trinkwasser aber durch punktuelle Massnahmen erreichen und nicht die Landwirtschaft komplett umgestalten. Als Hüter der Trinkwasserqualität sind die Wasserversorger auf sauberes Grundwasser angewiesen. 80% des Schweizer Trinkwassers wird aus Grundwasser ohne nennenswerte Aufbereitung gewonnen, der Rest aus Oberflächengewässern. Um dieses kostengünstige Privileg auch für kommende Generationen zu sichern, muss das Vorsorgeprinzip konsequent umgesetzt werden. Es braucht dringend wirksame Massnahmen, da die heutigen Vorgaben keinen ausreichenden Schutz bieten. Die Trinkwasserqualität in der Schweiz ist zwar heute noch sehr gut. Langfristig betrachtet sind die zahlreichen Nachweise von Fremdstoffen, insbesondere den Pestiziden in der natürlichen Ressource Grundwasser aber beunruhigend. «Denn ist einmal das Grundwasser belastet, müssen wir und nachfolgende Generationen Jahrzehnte mit den Belastungen leben.», ist André Olschewski, Bereichsleiter Wasser des SVGW, überzeugt.
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Entscheid Bundesrat
Sauberes Trinkwasser