25 Jahre ist es bereits her, seit das Vorgängerdokument der neuen Empfehlung erstellt wurde. Musste die letzten zwei Jahrzehnte nicht mit einer hoffnungslos veralteten Richtlinie gearbeitet werden?
Genau diese Frage haben wir in der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe miteinander behandelt und sind zur Erkenntnis gelangt, dass die alte Publikation inhaltlich wie auch strukturell nach wie vor ihre grundsätzliche Gültigkeit hat. Allerdings sind zwischenzeitlich ganz erhebliche Veränderungen und Neuerungen vor allem in der Informationstechnologie entstanden, die in die Überarbeitung miteinfliessen sollten.
Welche Aspekte werden in der Empfehlung neu beleuchtet und was erwarten Sie davon?
Neu haben wir speziell die heute viel spezifischere und bedienerorientierte Datenhaltung und -auswertung betont. Ebenso legten wir Wert darauf, dass die Empfehlungen für die meisten kleinen und mittleren Wasserversorgungen realistisch und im Betrieb mit dem zur Verfügung stehenden Personal fachgerecht umgesetzt werden können. Das Thema der IT-Sicherheit floss mit den Überlegungen zur Prävention und Gestaltung ein. Jeder Betreiber muss sich heutzutage bewusst sein, dass nicht nur der Bedienerkomfort der Systeme deutlich erhöht wurde, sondern auch das Risiko für die Angreifbarkeit der Versorgungen drastisch angestiegen ist.
Heute gibt es sehr leistungsfähige Messsysteme. Wie weiss ich aber als Versorger, welches das richtige ist?
Wir haben ganz bewusst keine spezifischen Lösungen erwähnt. Denn bevor der Versorger ein System wählt, sollte er sich klar darüber sein, wie seine lokalen Gegebenheiten sind und wie er seinen Betrieb organisieren will. Er sollte die am Markt angebotenen Lösungen gut und ausführlich mit internen und externen Spezialisten analysieren und nach diesem Evaluationsprozess entscheiden.
Sie empfehlen bei den gemessenen Daten eine Plausibilitätsprüfung. Was bedeutet das konkret?
Gemessene Daten stellen die Grundlage zur guten Betriebsführung dar. Der Versorger sollte sich bei allem Vertrauen in sein System dennoch stets und kritisch die Frage stellen, ob seine Daten verlässlich sind. Die Automation funktioniert immer nur so gut, wie ihre Messeinrichtungen funktionieren. Ein Versorger sollte – unabhängig von der Betriebsgrösse – sehr hohe Aufmerksamkeit auf die Messgeräte und deren Funktionstüchtigkeit richten. Beispielsweise könnte es bei einer pH-Wert-Regelung passieren, dass die eingesetzte Sonde mit der Zeit falsche Messwerte produziert. Die Folge können Fehldosierungen sein, die dann direkt zu einem völlig falschen pH-Wert führen. Die Kenntnis der grundsätzlichen Wirkweise von Messgeräten, deren Fehleranfälligkeiten, das Wissen um den jeweiligen Prozessschritt der Aufbereitung ist für einen Betriebsverantwortlichen unbedingt erforderlich, um seine Aufgabe längerfristig erledigen zu können.
Machen Empfehlungen zur Menge der gespeicherten Daten bei den heutigen Speicherkapazitäten noch Sinn?
Die Fortschritte bei der Datenerhebung und -speicherung sind enorm. Speicherplatz kostet kaum mehr, und die Angst vor dem Vorwurf einer nicht ausreichenden Dokumentation führt zumeist dazu, dass sicherheitshalber mal gespeichert wird. Dabei besteht aber die Gefahr, Datenfriedhöfe – also Daten, die man zwar speichert, aber weder zur Dokumentation oder Interpretation nutzt – aufzubauen. Die Empfehlung soll mit ihren Aussagen und Anhängen dazu verhelfen, das «Friedhofsareal» kleinräumig zu halten.
Das Zielpublikum der W1014 sind kleine und mittlere Wasserversorger. Was muss der SVGW machen, damit die Versorger die Empfehlung umsetzen?
Eine Empfehlung ist nur so gut, wie sie auch beim Zielpublikum ankommt und wahrgenommen wird. Im Rahmen des Schulungsprogramms sollte der SVGW die W1014 wohl systematisch kommunizieren und präsentieren.
Sie arbeiten in einer Wasserversorgung mit sehr hohem technischem Stand. Konnten Sie trotzdem etwas für sich aus der Arbeit zur neuen Empfehlung mitnehmen?
Der Abgleich über die Schweiz hat einmal mehr gezeigt, dass wir als Versorger alle im gleichen Boot sitzen, egal welche Betriebsgrösse bewirtschaftet wird. Die Diskussion um die notwendige Datenhaltung und deren Interpretation zur Sicherung der guten Betriebsführung hat die Themen Effizienz und Effektivität einmal mehr in den Vordergrund gerückt.
Joachim Lenzner ist promovierter Chemieingenieur ETH und seit 2005 bei der Wasserversorgung Zürich für den Bereich Produktion zuständig. Der Bereich Produktion erstreckt sich von der Wasserfassung über die Aufbereitungsprozesse bis zur Speicherung im Reservoir. In der Produktion sind neben der Disposition und Instandhaltung auch die Projektierungsbereiche für Bau, Elektrotechnik und Verfahrenstechnik eingegliedert.
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