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11. April 2023

Prolog

Im Zeitalter der angewandten Ökotoxikologie?

Die Produktion von Chemikalien ist seit 1950 um das Fünfzigfache angestiegen. Weltweit sind heute ungefähr 350 000 synthetische Chemikalien auf dem Markt. Gleichzeitig gibt es nur wenige Daten, wie sich diese vielen Stoffe zusammen in Ökosystemen auswirken.

Über ihre gesamte Lebensdauer können Organismen Tausenden von verschiedenen Substanzen ausgesetzt sein. Dies ist eine weitere Belastung, die zum bereits bestehenden Stress, etwa durch den Klimawandel, hinzukommt.

Ein verstärkt präventiv ausgerichteter Ansatz ist erforderlich, um anhaltende Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, die Ökosystemleistungen und die menschliche Gesundheit langfristig zu vermeiden. Solch ein vorsorglicher Ansatz muss einerseits auf der Bewertung der Risiken beruhen, die von einzelnen chemischen Substanzen und auch komplexen «Cocktails» wie Abwässern und Abfällen ausgehen, um deren Auswirkungen besser vorhersagen und diese besser managen zu können. Andererseits müssen auch Methoden zur Verfügung stehen, mit denen die Gesundheit der Ökosysteme untersucht und die Ursachen von Schädigungen gefunden werden können, um notwendige Massnahmen abzuschätzen.

 

Dafür sind die auf biologischen Effekten basierenden Methoden der Ökotoxikologie – In-vitro- und Invivo-Biotests sowie die Analyse von Biomarkern – besonders gut geeignet. Diese werden bereits häufig für die Risikobewertung von Stoffen eingesetzt (vgl. REACH, Entwicklung von Umweltqualitätskriterien). Für die Bewertung von Einleitungen sind ökotoxikologische Methoden in der Schweiz seit einigen Jahren (vgl. VSA-Empfehlungen) und in Deutschland bereits seit über 40 Jahren anerkannt (vgl. Wasserhaushaltsgesetz). In einem kürzlich erschienenen technischen Bericht der Europäischen Kommission wird die Anwendung der Methoden auch für das Monitoring von Gewässern im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie vorgeschlagen.

Ökotoxikologische Methoden ergänzen in idealer Weise die bestehenden Methoden der chemischen Analyse und der Bioindikation. Die Methoden wie auch die Auswertung der Daten sollten jedoch verstärkt standardisiert werden. So lassen sie sich einfacher in Studien integrieren. Ausserdem sollten weitere Methoden entwickelt werden, um die Überwachung und den Schutz der Ökosysteme zu verbessern. Das Zeitalter der angewandten Ökotoxikologie hat begonnen!

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