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Fachartikel
02. September 2024

Trinkwasserversorgung

«Stark kann der SVGW nur sein, wenn die Mitglieder ihr Fachwissen einbringen»

Die Qualität des in Basel verteilten Trinkwassers lag ihm lange Zeit am Herzen: Über 37 Jahre leitete Richard Wülser das Wasserlabor der IWB wie auch die Abteilung Qualitätssicherung Wasser. Aber er kümmerte sich nicht nur um das Basler Trinkwasser, sondern engagierte sich immer auch für die Branche in der Schweiz. So brachte er sein Wissen und seine Erfahrung in die Wasser-Unterkommission 2 «Wasserqualität & -aufbereitung» wie auch in die Aus- und Weiterbildung des SVGW ein. Im September dieses Jahres geht Richard Wülser in Pension. Im Interview blickt er auf eine interessante Zeit mit vielen Veränderungen zurück.
Margarete Bucheli 

Mehr als 37 Jahre leiteten Sie das IWB-Wasserlabor. Wenn Sie das Labor von vor 37 Jahren mit dem heutigen vergleichen: Welche Unterschiede fallen ins Auge?

Als ich Ende der 1980er-Jahre im Wasserlabor der IWB begann, gab es dort einen einzigen PC, welcher auch der erste PC der IWB war. Er hat dazumal rund 30 000 Franken gekostet und die Harddisk wies 20 Megabyte auf. Heute sind es 40 bis 50 PCs, wovon jeder einzelne rund 1000-mal leistungsfähiger ist als der erste IWB-PC. Entsprechend ist auch die Analytik über die Zeit hinweg deutlich leistungsfähiger geworden. Das Beispiel der Computer zeigt schön auf, wie sich das Labor verändert hat im Hinblick auf die Technologien, die Analysesysteme und die Miniaturisierung. Der Platzbedarf eines modernen Massenspektrometers beispielsweise ist deutlich geringer als der früherer Geräte. Auch die Auswertesysteme sind wesentlich leistungsfähiger geworden. Musste ich während meines Studiums noch in der Bibliothek Bücher nach Massenspektren durchsuchen, haben heute die Auswerteprogramme Zugriff auf umfassende Datenbanken, sodass sich Substanzen vergleichsweise schnell identifizieren lassen. Daneben haben sich auch die Funktionen, Berufskategorien und Qualifikationen der Mitarbeitenden im Wasserlabor verändert. Heute braucht es sehr spezialisiertes Wissen. Viele Mitarbeitende bringen deshalb einen Hochschulabschluss mit. Gleichzeitig suchen wir Praktiker, also Laborantinnen und Laboranten, die viel Erfahrung haben in der Analytik. Auch die Laborantenausbildung hat sich in den letzten knapp 40 Jahren enorm weiterentwickelt.

«Als ich Ende der 1980er-Jahre im Wasserlabor der IWB begann, gab es dort einen einzigen PC, welcher auch der erste PC der IWB war.»

Wie wirkte sich der Chemieunfall Schweizerhalle aus?

Ende 1986, ein Jahr, bevor ich bei IWB anfing zu arbeiten, ereignete sich der Grossbrand von Schweizerhalle, der zu einer Giftwelle im Rhein führte. Bis dato hatte es kein Gewässerschutzlabor in Basel-Stadt gegeben, was besonders war angesichts der vielen Produktionsstätten der chemischen Industrie in und um Basel. Die Katastrophe war ein Weckruf respektive der Startschuss für die Bildung eines Wasserlabors beim Amt für Umwelt und Energie Basel-Stadt. Nachdem anfangs die Basler Politik ein gemeinsames Labor für die Gewässer- und Trinkwasserüberwachung favorisiert hatte, konnte IWB schliesslich eine Lösung mit zwei Laboren durchsetzen, wobei die Zusammenarbeit dieser anfangs vertraglich eng reglementiert wurde. Mittlerweile hat es sich zu einer normalen Zusammenarbeit auf der Basis eines kollegialen Fachaustauschs entwickelt.

Seit 2011 verzichtet IWB darauf, das Trinkwasser mit einem Desinfektionsmittelrückstand (Chlordioxid) zu verteilen. Wie wurde diese Umstellung vom Wasserlabor vorbereitet und dann nach der Umstellung begleitet?

Bezüglich Desinfektion haben wir in den Jahren 2004 und 2005 eine erste detaillierte Risikoanalyse zur Trinkwasserhygiene durchgeführt. Dabei ging es um Fragen, wie: Wie wirksam ist unsere Chlordioxid-Dosierung? Erreichen wir damit den angestrebten Netzschutz? Die mikrobielle Besiedlung der Leitungen und Beschaffenheit des Biofilms waren weitere wichtige Themen der Untersuchungen. Im Jahr 2008 haben wir die Durchflusszytometrie als zusätzliches mikrobiologisches Analyseverfahren eingeführt, gerade auch im Hinblick auf eine allfällige Umstellung der Desinfektionsmassnahmen. Fragestellungen, die in diesem Zusammenhang auftauchten, waren: Braucht es überhaupt eine Desinfektion? Welches sind die Risiken, die mit einer Desinfektion respektive mit keiner Desinfektion verbunden sind? Was sind Alternativen zu einer chemischen Desinfektion?

Mit den Resultaten der verschiedenen Messkampagnen – bei diesen wurde die Durchflusszytometrie eingesetzt und es wurden zusätzliche Hygieneparameter (Clostridium perfringens, Giardien, Kryptosporidien und verschiedene Viren) untersucht – und einer eingehenden Auswertung der Hygienedaten der vorangegangenen Jahrzehnte konnten all diese Fragen beantwortet werden. Auf diese Weise legten wir die neue Stossrichtung fest. Diese umfasst einen Desinfektionsschritt. Es zeigte sich jedoch, dass die Desinfektion mit UV-Strahlung wirksamer ist als die chemische Desinfektion mit Chlordioxid, so wie wir sie lange Zeit betrieben hatten. Auf der Grundlage einer Wirtschaftlichkeitsanalyse haben wir uns schliesslich für die UV-Desinfektion mit Mitteldruckstrahlern entschieden. Begleitet haben wir die gesamte Umstellung mit einem extra dafür ausgearbeiteten Messprogramm auf der Basis der Durchflusszytometrie. Mit den Standardparametern (Fäkal­indikatoren und aerobe mesophile Keime, AMK) alleine hätte sich das bei weitem nicht so effektiv verfolgen lassen. Somit ist die Durchflusszytometrie zu einem Standardverfahren bei uns im Labor geworden.

Welche Parameter bestimmen Sie heute mit der Durchfluss­zytometrie und wo werden diese Messungen eingesetzt?

Mittlerweile ist die Durchflusszytometrie bei uns in den Aufbereitungsprozess eingebunden. An verschiedenen Orten in unserer Prozesskette sind Online-Durchflusszytometer eingebaut, zum Beispiel in acht Grundwasserbrunnen. Bei den Grundwasserbrunnen haben wir eine Grenze im Bereich von ca. 40 000 Zellen pro Milliliter definiert. Wird diese überschritten, werden die Brunnen für den Betrieb gesperrt. Auch nach den Aktivkohlefiltern sind Durchflusszytometer installiert. Hier ist die Gesamtzellzahl ein wichtiger Indikator, anhand dessen wir beurteilen können, ob ein Filter eingefahren ist. Insgesamt interessieren wir uns bei der Überwachung mit Durchflusszytometrie weniger für die absoluten Werte der Gesamtzellzahl als vielmehr für die Veränderungen dieser.

Im Trinkwassernetz hingegen setzen wir die Durchflusszytometrie nicht mehr standardmässig ein, sondern nur bei grösseren Störungen, nach Baumassnahmen und an vereinzelten Stellen. Im Netz liegt der Fokus klar auf den gesetzlich vorgegebenen Parametern, also auf den Fäkalindikatoren und AMK. Der Parameter AMK ist nach wie vor eine wichtige Grösse. Dafür haben wir auch Kennzahlen festgelegt, um die erlaubten Abweichungen zu beschreiben. Zusätzlich zur AMK-Bestimmung die Durchflusszytometrie anzuwenden, erachten wir als zu aufwendig.

Gab es Anpassungen bei Fassung, Aufbereitung, Speicherung und/oder Verteilung aufgrund der Ergebnisse, die Sie bei durchflusszytometrischen Analysen erhalten haben?

Jahrelang haben wir nach einem geeigneten Parameter gesucht für die Überwachung des kritischen Lenkungspunkts (CCP) «Grundwasserentnahme» in den Langen Erlen. Ursprünglich wurde nur der Parameter «Pegelstand der Wiese» herangezogen. Dies war aber unbefriedigend, weil der Flusspegel nur eine Inputgrösse für die Qualität des Rohwassers ist. Mittlerweile verwenden wir – wie bereits erwähnt – die Online-Durchflusszytometrie für die Überwachung der Grundwasserbrunnen. Basierend auf diesen Informationen können wir die Brunnen, wenn nötig, ausser Betrieb nehmen. Die flussnahen Brunnen sind weiterhin zusätzlich über den Pegelstand der Wiese gesteuert.

«Im Jahr 2008 haben wir die Durchflusszytometrie als zusätzliches mikrobiologisches Analyseverfahren eingeführt, gerade auch im Hinblick auf eine allfällige Umstellung der Desinfektionsmassnahmen.»

Gibt es neben der Durchflusszytometrie noch weitere «neue» mikrobiologische Methoden, die in den letzten 37 Jahren im IWB-Wasserlabor eingeführt wurden und nun die klassischen kultivierungsbasierten Parameter ergänzen?

Nach der Umstellung der Desinfektion haben wir ein paar Jahre lang intensiv die Gesamtzellzahl im Netz mit der Durchflusszytometrie ermittelt. Um etwas über die Aktivität der Zellen aussagen zu können, haben wir zusätzlich auch den ATP-Gehalt gemessen. Aus der Kombination von Gesamtzellzahl und ATP liess sich der durchschnittliche Energieinhalt der Zellen bestimmen. Die ATP-Konzentrationen im Netzwasser sind allerdings sehr tief und bewegen sich im Bereich der Bestimmungsgrenze. Das zeigt, dass die vorhandenen Zellen nicht sehr aktiv sind. Diese Beobachtung wird auch durch das Verhältnis von Low-Nucleic-Acid(LNA)-Zellen, also kleinen Zellen mit wenig Nukleinsäuren, zu High-Nucleic-Acid(HNA)-Zellen, also grossen Zellen mit viel Nukleinsäuren, unterstrichen. Die Zellpopulationen des Netzwassers liegen vorwiegend im tiefen LNA-Bereich. Ebenso die chemischen Parameter TOC (gesamter organischer Kohlenstoff) und AOC (assimilierbarer organischer Kohlenstoff) decken sich mit den Befunden der Mikrobiologie. Sie weisen darauf hin, dass die Bakterien im Netzwasser kohlenstofflimitiert sind und sich deshalb kaum vermehren können.

Lange Zeit haben wir keine Legionellen-Bestimmungen bei uns im Labor durchgeführt. Im Jahr 2017 wurde dann der Parameter Legionellen mit der neuen TBDV eingeführt, worauf wir mit der Legionellen-Analytik gemäss der ISO-Plattierungsmethode begannen. Diese Methode ist recht schwierig und sehr aufwendig, weswegen wir nach Alternativen respektive Ergänzungen suchten. Zunächst haben wir die PCR-Technik zur Bestätigung der Kultivierungsergebnisse eingeführt. Mittlerweile wenden wir das Verfahren der qPCR (quantitative Echtzeit-PCR) zur Legionellen-Bestimmung und -Quantifizierung an.

Von den mikrobiologischen zu den chemischen Parametern: Aufgrund der Wassergewinnung in Basel – Grundwasseranreicherung mit Rheinwasser – und der Anwesenheit von Chemiemülldeponien im Raum Basel wurde die Spurenstoffanalytik im IWB-Labor stark ausgebaut. Welche Analysen umfassen die Untersuchungsprogramme für organische Spurenstoffe heute?

Das IWB-Labor ist gut ausgestattet: Alle möglichen Verfahren der Umweltanalytik stehen uns zur Verfügung, sprich einerseits die klassische Gaschromatographie, die nach wie vor ihre Rolle spielt, und andererseits LC, also Flüssigchromatographie, die verstärkt von uns eingesetzt wird. Vor allem die Methode LC-HRMS – Flüssigkeitschromatographie gekoppelt mit hochauflösender Massenspektrometrie – eröffnet uns neue Möglichkeiten. Damit lässt sich das analytische Fenster deutlich vergrössern und schätzungsweise bis zu 20 Prozent der Wasserinhaltsstoffe erfassen. Ich gehe davon aus, dass mehrere zehntausend Substanzen in Oberflächengewässern vorhanden sind, insbesondere im Rhein, wo wir das Wasser für die Grundwasseranreicherung, dem ersten Schritt unserer Trinkwassergewinnung, entnehmen. Mit solch einem hochauflösenden, den Bereich der polaren Substanzen abdeckenden Messsystem, wie es die LC-HRMS ist, wird ein breites Spektrum an Substanzen berücksichtigt.

Über mehrere Jahre hinweg haben wir eine Screeningmethode basierend auf LC-HRMS zum Nachweis von rund 1500 Substanzen angewendet. Die Liste der Substanzen haben wir selbst zusammengestellt, ausgehend von anderen Studien und den dabei gefundenen Stoffen, aber auch von Datenbanken der in der Industrie und in der Landwirtschaft eingesetzten Stoffe. Zusammen mit der Eawag, weiteren Wasserversorgern, verschiedenen kantonalen Behörden und dem BAFU haben wir im Rahmen des Projekts NTSuisse (The Swiss LC-HRMS Surface Water Data Platform) die Methode harmonisiert und die Zahl der Analyten etwas reduziert. Standardmässig erfassen wir nun rund 500 gewässerrelevante Substanzen in der Schweiz.

«Wir möchten zusammen mit SVGW und VSA Standards entwickeln resp. die anerkannten Regeln der Technik definieren, wie mit spurenstoffhaltigen Abwässern aus der Industrie umzugehen ist.»

Sie führen auch sogenannte Non-target-Screenings, also nicht zielgerichtete Analysen durch. Wie werten Sie die damit erhaltenen Ergebnisse aus?

Mit beiden Methoden, GC-MS und LC-HRMS, erhalten wir immer auch Signale, die sich nicht den bekannten respektive vermuteten Substanzen (Suspected Targets) zuordnen lassen. Diese Non-Target-Spurenstoffe versuchen wir dann auf der Grundlage der Informationen des Massenspektrums zu identifizieren. Pro Jahr identifizieren wir rund drei bis fünf Stoffe. So gibt es immer weniger Stoffe auf unserer Watch List, die wir gemäss einem eigens aufgestellten Kriterienkatalog sukzessive abarbeiten. Die erhaltenen Informationen tauschen wir aus mit unseren Kolleginnen und Kollegen vom kantonalen Umweltlabor sowie allenfalls mit der Industrie. Somit lassen sich in vielen Fällen die Herkunft der Stoffe ermitteln und daraufhin entsprechende Massnahmen ergreifen.

Da der erste Schritt der Trinkwassergewinnung in Basel aus der Grundwasseranreicherung mit Rheinwasser besteht, sind Informationen zu Einleitungen in den Fluss vor der Entnahmestelle von grosser Wichtigkeit. Was ist Ihr Ansatz, um an diese Informationen zu kommen?

Nachdem wir in den 2000er-Jahren mit der Problematik der Chlorbutadiene - historisch eingetragene Grundwasserkontaminanten - konfrontiert waren und hierfür Lösungen gefunden hatten, starteten wir eine Sensibilisierungskampagne bei Industrie und Gewerbe. Als ersten Schritt haben wir Betriebe, die ihr Abwasser in den Rhein einleiten, kontaktiert und zu Informationsveranstaltungen eingeladen. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen vom Amt für Umwelt und Energie des Kantons Basel-Landschaft haben wir dort über die Funktionsweise der Basler Wasserversorgung informiert. Wichtig war, so den Austausch zu initiieren und sich gegenseitig kennenzulernen. Mittlerweile haben wir verschiedene Zirkel aufgebaut, innerhalb derer wir den Austausch pflegen können. Als nächsten Schritt möchten wir zusammen mit SVGW und VSA Standards entwickeln respektive die anerkannten Regeln der Technik definieren, wie mit spurenstoffhaltigen Abwässern aus der Industrie umzugehen ist. Wir wünschen uns, dass bei den einzelnen Betrieben jeweils Bestandsaufnahmen gemacht werden hinsichtlich der vorkommenden Stoffe und deren Risiken für die Trinkwasserversorgung. Teilweise ist dies durch die Vorgaben der Störfallverordnung bereits abgedeckt. Dabei sollte aber nicht nur auf die Ausgangsstoffe und die Produkte geschaut werden, sondern auch auf die möglichen Nebenprodukte.

Gleichzeitig betreiben wir – wie bereits beschrieben – eine breit aufgestellte Analytik, im Labor und online, um die eventuellen Einflüsse der Industriebetriebe auf unser Rohwasser erfassen zu können. Das ist Teil unseres Selbstkontrollkonzepts und Risikomanagements. Des Weiteren sind auch die Messergeb­nisse der Rheinüberwachungsstation in Weil sowie die Inte­gration in den internationalen Warn- und Alarmplan Rhein und ins kantonale Meldesystem wichtig.

Für viele der organischen Spurenstoffe sind in der TBDV keine Höchstwerte definiert. Wie gehen Sie vor, um die Messresultate zu bewerten und allenfalls Massnahmen daraus abzuleiten?

Für Stoffe, für die es keine gesetzlich vorgegebenen Höchstwerte gibt, haben wir eigene Zielwerte festgelegt. Ausgangspunkt dafür war das «Europäische Fliessgewässermemorandum zur qualitativen Sicherung der Trinkwassergewinnung» und die darin enthaltenen Mindestqualitätsziele. Vor ca. fünf Jahren haben wir zudem ein Projekt gestartet, bei dem es um eine umfassende Betrachtung der Trinkwasserqualität und der Einflüsse darauf geht. Im Rahmen dessen erarbeiten wir eine Roadmap für Trinkwasser. Dafür haben wir drei Ebenen definiert: erstens Qualitätsaspekte, sprich eine Definition der anzustrebenden Qualität des verteilten Wassers, zweitens Technologieaspekte, wobei der Frage nachgegangen wird, ob die Aufbereitung ausreicht, um die angestrebte Qualität zu erreichen, und drittens die Kommunikation. Quintessenz der Roadmap ist, dass wir eine Anpassung der Aufbereitung ins Auge fassen, zum Beispiel mit der Dosierung von Pulveraktivkohle und anschliessender Ultrafiltration als zentralem Aufbereitungsschritt. Momentan führen wir in den Langen Erlen entsprechende Pilotierungsversuche durch.

Welche Spurenstoffe haben in Ihrer Zeit im IWB-Wasserlabor besonders für Aufregung gesorgt?

Als Erstes sorgten im Jahr 2007 im Zusammenhang mit der Altlastenerkundung im Raum Basel die chlorierten Butadiene für Aufregung. Im Jahr 2019 stand dann die Industriechemikalie Dimethylurethan im Zentrum von politischen und medialen Diskussionen.

Was waren die Massnahmen, die ergriffen wurden, um die Belastung des Basler Trinkwassers mit diesen zu reduzieren?

Aufgrund der Chlorbutadienproblematik nahmen wir bei IWB die bereits vorhandenen Aktivkohlefilter in Vollbetrieb und bei der Hardwasser AG bauten wir damals eine neue Aktivkohlefilteranlage. Über die Zeit haben wir festgestellt, dass wir die Aktivkohle häufiger wechseln müssen, um möglichst viele Spurenstoffe effizient zu entfernen. Aktuell liegt die Filterlaufzeit bei rund eineinhalb Jahren im Vergleich zu drei Jahren früher. Zudem betreiben wir unsere drei parallel geschalteten Filter gestaffelt, das heisst, ein Filter enthält frische Aktivkohle, ein weiterer Filter mittelalte Aktivkohle und der dritte Filter schliesslich über einjährige Aktivkohle. Somit können wir nicht nur die Chlorbutadiene, sondern auch Dimethylurethan und Chlorothalonilmetaboliten gut eliminieren.

Momentan sind Ewigkeitschemikalien wie PFAS im Gespräch; immer wieder tauchen sie in den Medien auf. Wie sieht die Situation bezüglich solcher Substanzen in den Wasserressourcen respektive im Trinkwasser in Basel aus?

Insgesamt sind in unserem Analyseprogramm 22 PFAS enthalten. Im Rheinwasser sind die PFAS-Konzentrationen wegen des grossen Abflusses sehr niedrig. Im Grundwasser finden wir wenige Nanogramm pro Liter von einzelnen PFAS-Vertretern, die meisten liegen unter der Nachweisgrenze. Nach Aktivkohlefiltration messen wir in der Summe rund zwei bis vier Nanogramm pro Liter. In unserem Rohwasser stellen also PFAS kein Problem dar und durch die Aufbereitung wird die Konzentration der vorhandenen PFAS noch weiter reduziert.

Und nun aus dem Labor hinaus zur Online-Überwachung bei Entnahme, Aufbereitung oder Verteilung: Welche Entwicklungen gab es hier in den letzten 37 Jahren bei IWB?

Bei der Überwachung des Rheinwassers, das wir zur Grundwasseranreicherung einsetzen, spielt das Online-Monitoring eine zentrale Rolle. Früher haben wir hierfür ein Daphnientoximeter verwendet. Nach zehnjährigem Betrieb haben wir allerdings vor einem Jahr entschieden, das Toximeter ausser Betrieb zu nehmen. Die eingesetzten Daphnien erwiesen sich als zu wenig sensitiv für eine Online-Überwachung. Gleichzeitig messen wir im Rohwasser eine ganze Palette weiterer Parameter: UV-Vis-Spektroskopie, gelösten Sauerstoff, Redox-Potenzial, Leitfähigkeit, pH-Wert, Trübung und Temperatur. Mit unserer Alarmsoftware werden die erhobenen Daten verarbeitet und mit hinterlegten Interventionswerten verglichen. Bis anhin gab es sehr selten Ereignisse, die dazu führten, dass wir die Rheinwasserentnahme abstellen mussten. In den letzten Jahren haben wir neuartige Analysesysteme zur Erfassung von organischen Spurenstoffen und auch Biomonitore, wie zum Beispiel ein Algentoximeter, getestet. Das Ziel ist hier, das Online-Monitoring mit möglichst empfindlichen Verfahren weiterzuentwickeln.

Welche Themen auf dem Gebiet der Qualitätssicherung und Trinkwasserqualität werden Ihres Erachtens die Schweizer Wasserversorger in den nächsten Jahren besonders beschäf­tigen? Welche Themen sollte der SVGW verstärkt angehen?

Sicher sollte der Themenkomplex der Spurenstoffe aus Indus­triebetrieben und des Umgangs mit Industrieeinleitern in Oberflächengewässer, die für die Trinkwassergewinnung genutzt werden, mit hoher Priorität weiterverfolgt werden. Im Frühjahr wurde dazu im Rahmen eines Workshops der W-UK 2 mit Vertreterinnen und Vertretern des VSA und der Behörden ein umfangreicher Anforderungskatalog zusammengestellt. Zentral dabei ist vor allem, dass die Analytik – inklusive wirkungsbasierter Ansätze – entsprechend ausgebaut wird, dass der Austausch mit der Industrie gesucht wird und schliesslich dass der Impuls gegeben wird für gesetzliche Anpassungen, die darauf abzielen, den Stand der Technik bei der Behandlung von Industrieabwässern zwingend zu fordern.

«Bei der Überwachung des Rheinwassers, das wir zur Grundwasseranreicherung einsetzen, spielt das Online-Monitoring eine zentrale Rolle.»

Nicht ganz einfach, aber dennoch von grosser Bedeutung: die Kommunikation und Information der Konsumentinnen und Konsumenten über die Trinkwasserqualität. Welche Strategie verfolgt IWB hierbei?

Ganz zuoberst steht bei IWB auf jeden Fall der Grundsatz, transparent und offen zu kommunizieren. Ausserdem versuchen wir, all unsere Anstrengungen aufzuzeigen, um ein qualitativ nicht nur einwandfreies, sondern so gut wie mögliches Trinkwasser zu verteilen. Dazu veröffentlichen wir regelmässig Artikel zum Thema Trinkwasser, insbesondere zu den Qualitätsaspekten, in unserem Kundenmagazin. Wie in der TBDV gefordert, publizieren wir jährlich sämtliche Trinkwasser-analysedaten auf der IWB-Website. In den letzten Jahren durften wir mit grossem Erfolg an der Industrienacht Basel teilnehmen. Das Thema Trinkwasser interessiert, mobilisiert und begeistert sehr viele Menschen. Diese persönlichen Kontakte schaffen Vertrauen.

Sie haben sich beim SVGW stark engagiert: Mitarbeit in verschiedenen Kommissionen und Arbeitsgruppen sowie Ausbildungstätigkeit, beispielsweise im Brunnenmeisterlehrgang, beim Wasserwartkurs oder beim Kurs zur Branchenleitlinie W12. Was war Ihre Motivation für dieses grosse Engagement? Was konnten Sie dabei einbringen und was haben Sie zurückbekommen?

Ich finde es grossartig, wenn die Branche und der Verband als Vertretung der Branche stark sind. Stark kann der Verband nur sein, wenn die Mitglieder ihr Fachwissen einbringen. Gerade wir von den grossen Versorgungsunternehmen sind privilegiert, über grosses Fachwissen und mit einem Labor, wie wir es haben, über viele Möglichkeiten zu verfügen. Es handelt sich dabei aber keinesfalls nur um ein Geben, sondern ich habe viel zurückerhalten: Das Netzwerk, was ich so aufbauen konnte, und die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen waren sehr fruchtbar. Die Arbeit in der Ausbildung hat meinen Blick realistischer gemacht. Und ich habe gesehen, wo vielfach der Schuh drückt, was dann wiederum in die Regelwerksarbeit einfliessen konnte. Insgesamt habe ich die Erwachsenenausbildung als grosse Befriedigung erlebt.

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