Gemäss der Strategy&-Studie klafft eine riesige Lücke zwischen den weltweit angekündigten Plänen zur Herstellung von Wasserstoff und den konkreten Projekten, die bereits realisiert werden. So sind zwar Wasserstoffprojekte mit einer globalen Kapazität von 840 Gigawatt (GW) geplant, tatsächlich durchfinanziert oder in Bau befinden sich jedoch lediglich Projekte mit 15 GW, das entspricht 1,8%. Die Kapazität von Wasserstoffprojekten, die bereits in Betrieb sind, fällt noch geringer aus und liegt bei ca. 1 GW. Auch Deutschland hinkt seinen Plänen deutlich hinterher. Bis 2030 will die Bundesrepublik 10 GW Kapazität aufbauen, aktuell sind aber erst weniger als 100 MW in Betrieb. Um sein Ziel noch zu erreichen, müsste Deutschland pro Jahr 1 bis 2 GW Elektrolysekapazität zubauen, in den letzten beiden Jahren haben allerdings nur ca. 250 MW Zubau die finale Finanzierungsentscheidung bekommen.
Insgesamt befinden sich mehr als die Hälfte aller weltweit angekündigten Projekte für sauberen Wasserstoff in Europa. Ende 2023 ergaben sie zusammengenommen eine potenzielle Leistung von 200 GW. Von der Realisierung dieser Leistung ist die EU allerdings weit entfernt. So sind aktuell lediglich Elektrolyseanlagen mit 0,2 GW in Betrieb, zusätzlich befinden sich Anlagen mit 3 GW Leistung in Bau oder sind finanziert. In den Jahren 2022 und 2023 erhielten jeweils Projekte mit insgesamt 1 GW Leistung eine finale Finanzierung oder gingen in Bau. Mit Blick auf die eigenen Ziele müsste die EU jedoch bis 2030 Elektrolyseur-Anlagen mit insgesamt 120 GW Leistung aufbauen, was einem Plus von 20 GW pro Jahr und somit einem 20-mal so schnellen Ausbautempo wie bislang entspricht. Da für die Herstellung sauberen Wasserstoffs grosse Mengen erneuerbare Energie benötigt werden, müssen zudem auch hier erhebliche Kapazitäten entstehen. Für die anvisierten 120 GW Leistung würden zum Beispiel 24'000 neue Windräder benötigt.
«Der kapitalintensive Wasserstoffmarkt steckt weiterhin in den Kinderschuhen und hatte zuletzt auch noch mit hohen Zinsen und Inflation bei den Materialpreisen zu kämpfen. Wir beobachten dabei mehrere grundsätzliche Herausforderungen, die in Summe so schnell wie möglich angegangen werden müssen», sagt Dirk Niemeier, Director bei Strategy& Deutschland und Co-Autor der Studie. «Die grösste Barriere ist das Fehlen grossvolumiger Abnahmeverträge, was die Finanzierung und damit Fertigstellung der Produktionsprojekte verhindert. Voraussetzung für solche Abnahmeverträge ist wiederum eine Förderung, die ähnlich wie bei erneuerbarem Strom die anfänglichen Mehrkosten gegenüber fossilen Alternativen ausgleicht. Ein ähnliches Henne-Ei-Problem beobachten wir bei der Infrastruktur, die für Lagerung und Transport unerlässlich ist, aber erst gebaut wird, wenn genügend Wasserstoff produziert wird. Hinzu kommt die Knappheit Erneuerbarer Energien, die für sauberen Wasserstoff so dringend benötigt werden.»
Im globalen Vergleich zeigt sich, dass diese Herausforderungen zwar für alle Regionen gelten, allerdings unterschiedlich stark ausgeprägt sind – und auch unterschiedlich erfolgreich gelöst werden. Betrachtet man etwa die angekündigten Produktionskapazitäten, liegen Afrika und Lateinamerika nach Europa auf Platz 2 und 3. Beide Regionen kämpfen jedoch mit hohen Unsicherheiten bezüglich der Konkretisierung der Projekte. Ganz anders China, Südkorea und Japan: Das asiatische Trio zeigt sich als Umsetzungsspitzenreiter und hat bereits jetzt doppelt so viel Produktionskapazität in Betrieb, finanziert oder in Bau wie Europa. Allein China plant für 2024 ein Plus tatsächlich laufender Elektrolyseur-Kapazität, das dem 2023 in Europa im Bau oder finanzierten Volumen entspricht (3,3 GW). Die USA setzen vor allem auf günstigeren kohlenstoffarmen Wasserstoff, der etwa mithilfe von CCS (Carbon Capture and Storage-Technik) aus Gas hergestellt wird, um so ihre Gasindustrie in das künftige Wasserstoffökosystem zu integrieren.
«Wasserstoff ist einer der entscheidenden Schlüssel, um die globalen Klimaziele noch zu erreichen. Damit der Markt in Gang kommt, müssen alle Akteure einen gemeinsamen Kraftakt leisten, der sich für die heutigen Pioniere später allerdings gleich mehrfach auszahlen kann», sagt Daniel Haag, Director bei Strategy& Deutschland und Co-Autor der Studie. «Konkret sind etwa die Regierungen in der Pflicht, international einheitliche Standards zu definieren und Anreizsysteme zu schaffen. Die Produzenten müssen vor allem die Kosten in den Griff bekommen, etwa durch neue Technologien, Skaleneffekte oder optimierte Produktionsprozesse. Hilfreich können auch Konsortien aus Produzenten und Abnehmern sein, um für beide Seiten mehr Sicherheit zu schaffen. Zugleich müssen sich die Abnehmer in den verschiedenen Industrien zu Wasserstoff bekennen, während sich Verteiler, Händler und Intermediäre beim Ausbau der Infrastruktur eng mit Produzenten und Abnehmern abstimmen sollten. Zuletzt spielen Aggregatoren eine entscheidende Rolle, da sie Nachfrage strategisch bündeln und so die Lücke zwischen Produktionskosten und Marktpreisen überbrücken.»
Die vollständigen Ergebnisse der Studie «Navigating the Hydrogen Ecosystem - What's preventing Progress and how to gain Momentum» ist auf Anfrage erhältlich:
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