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Fachartikel
30. Januar 2024

Klimabilanz

Wohin mit all dem CO2?

Kohlendioxid aus der Atmosphäre abzuscheiden und in recycliertem Beton oder in Gestein in Island zu speichern, ist machbar und weist eine positive Klimabilanz auf. Dies zeigen die Ergebnisse eines Pilotprojekts unter Leitung der ETH Zürich im Auftrag des Bundes.

Die Schweiz hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2050 will sie ihre Treibhausgasemissionen auf null reduzieren. Mit einem massiven Ausbau erneuerbarer Energien und Einsparungen allein ist es allerdings nicht getan. Der Bund geht davon aus, dass jĂ€hrlich 12 Millionen Tonnen CO2 anfallen, die schwierig zu vermeiden sind – so zum Beispiel Emissionen von Kehrichtverbrennungsanlagen. Ein Teil des ausgestossenen CO2 muss also wieder aus der AtmosphĂ€re entfernt werden. Nur wie? Und wohin damit?

Zwei unterschiedliche Speichermöglichkeiten erprobt

Diesen Fragen ist ein Konsortium aus Wissenschaft und Industrie unter der Leitung der ETH ZĂŒrich im Auftrag des Bundesamts fĂŒr Energie (BFE) und des Bundesamts fĂŒr Umwelt (BAFU) nachgegangen. Die Forschenden haben zwei Wege untersucht, wie CO2 dauerhaft gespeichert werden kann:

  • Mineralisierung in rezykliertem Abbruchbeton, der in der Schweiz hergestellt wird.
  • Mineralisierung in einem geologischen Reservoir in Island.


Durchgespielt wurde das Ganze mit Emissionen aus einer Biogasaufbereitungsanlage in Bern. Dabei untersuchten die Forschenden anhand einer Lebenszyklusanalyse die gesamte Kette – von der Abscheidung und VerflĂŒssigung des CO2 am Ort des Entstehens, ĂŒber den Transport bis hin zur Speicherung. Sie berechneten auch, wie viel neues CO2 entlang der Kette anfĂ€llt. FĂŒr eine Kehrichtverbrennungsanlage und eine Zementanlage wurden zudem unterschiedliche Lösungen fĂŒr Abscheidungsverfahren und -​anlagen geprĂŒft.

Schon heute eine positive Klimabilanz

Es zeigte sich: Beide Wege sind technisch umsetzbar und weisen eine positive Klimabilanz aus. So ĂŒberstieg in allen untersuchten Beispielen die Menge des CO2, das gespeichert werden konnte, die Menge an entlang der Transportkette ausgestossenem CO2. Beim Speichern in rezykliertem Abbruchbeton liegt der Wirkungsgrad und damit das VerhĂ€ltnis zwischen gespeicherten und dadurch neu anfallenden Emissionen bei 90 Prozent; beim Transport von Schweizer CO2 und der anschliessenden Speicherung in islĂ€ndischem Gestein bei etwa 80 Prozent. Diese Bilanz dĂŒrfte sich zukĂŒnftig weiter verbessern, entfĂ€llt der grösste Teil der neuangefallenen Emissionen auf den Transport der Container per Bahn und Schiff, die heute zum Teil noch mit Energie aus Kohlekraft und fossilen Brennstoffen betrieben werden. Wird zukĂŒnftig in grossem Massstab CO2 exportiert, wĂ€re auch der Transport von CO2 in einer Pipeline eine Möglichkeit.

Überrascht wurden die Forschenden hingegen von den regulatorischen Schwierigkeiten, die ihnen beim Transport von CO2 durch mehrere LĂ€nder bis nach Island begegneten. Es war das erste Mal, dass grenzĂŒberschreitend CO2 zur Speicherung transportiert wurde. «In der Nahrungsmittelindustrie wird viel CO2 benötigt und kann gelabelt als Chemikalie ohne Probleme transnational transportiert werden. Ist es aber ‘Abfall’ wie in unserem Fall, fehlt es an den entsprechenden Regulierungen», erlĂ€utert Marco Mazzotti, Projektkoordinator und ETH-​Professor. Das Projektteam kommt daher zum Schluss: Will die Schweiz CO2 im grösseren Massstab speichern und Anreize fĂŒr Unternehmen schaffen, mĂŒssen gemeinsam mit den europĂ€ischen Nachbarn klare Regulierungen geschaffen werden.

Zahlreiche Forschungsfragen noch offen

Auch wenn die im Projekt erprobten Technologien funktionieren, ist der Forschungsbedarf im Bereich CO2-​Management noch gross; zudem muss sichergestellt werden, dass die Technologien auch ihren Weg in die Wirtschaft finden. In der 2023 gemeinsam mit Partnern aus Politik, Wissenschaft und Industrie lancierten «Coalition for Green Energy and Storage», will die ETH ZĂŒrich unter anderem bestehende Technologien zur CO2-​Abscheidung, zur Produktion von kohlenstoffneutralen Gasen und Treibstoffen, und zur CO2-​Speicherung rasch implementieren und industriell einsetzbar machen.

Eine weitere Frage, die ETH-​Forschende umtreibt, ist, ob sich CO2 auch im hiesigen Boden speichern liesse. Ein allfĂ€lliger Injektionstest in einem von der nationalen Genossenschaft fĂŒr die Lagerung radioaktiver AbfĂ€lle (Nagra) nicht mehr benötigten Bohrloch in TrĂŒllikon könnte erste Antworten liefern.

Weitere Informationen zum Projekt

www.demoupcarma.ethz.ch/

 

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