Die Gasversorgung geriet kräftig durcheinander, seit die russischen Gaslieferungen nach Europa im Zuge des Ukraine-Krieges zwar nicht versiegt sind, aber deutlich abnahmen. Schnell mussten neue Lieferanten für die wichtige Energieressource gefunden werden, und die Preise schossen in schwindelerregende Höhen. Glücklich konnte sich schätzen, wer Biogas aus einheimischer Produktion beziehen konnte. Inländische Biogasanlagen decken zwar nur 6 Prozent des Schweizer Gasbedarfs, aber diese Produktion ist verlässlich und klimafreundlich, weil der bei der Verbrennung freigesetzte Kohlenstoff zuvor durch Pflanzen aus der Atmosphäre entzogen wurde. Bioenergie kann somit einen namhaften Beitrag zur Erreichung des Schweizer Netto-null-Ziels leisten, indem die Atmosphäre nicht durch zusätzliches Kohlenstoffdioxid belastet wird.
Wie aber lässt sich die Bedeutung von Biogas und anderen Formen von Bioenergie steigern? Dieser Frage ging in Bern Ende April die vom Bundesamt für Energie organisierte Tagung «Bioenergieforschung in der Schweiz» nach. Die versammelten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler präsentierten eine Reihe von Ideen, oder wie es die Tagungseinladung in einer Titelüberschrift auf den Punkt brachte: «Bühne frei für neue Ansätze bei der Vergärung von Biomasse». Organische Stoffe werden in Fermentern in einem mehrstufigen Prozess zu Biogas vergärt. Dieser Prozess lässt sich an verschiedenen Stellen beeinflussen und optimieren, wie die in Bern versammelten Experten und Expertinnen in ihren Referaten ausführten.
Ein Ansatzpunkt ist die mechanische, thermische oder chemische Vorbehandlung der Substrate vor der eigentlichen Vergärung – dies mit möglichst wenig Energie und kostengünstig. Darauf zielt ein Forschungsprojekt ab, das Elisa Nota (Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurwissenschaften des Kantons Waadt /HEIG-VD) an der Fachtagung vorstellte. Sie untersuchte, wie ein Gemisch aus Mist (aus Landwirtschaftsbetrieben) und Molke (aus Käsereien) für die Vergärung vorbehandelt werden kann, indem sie verschiedene Parameter (Dauer des Hydrolyseprozesses, Temperatur, Mahlgrad des Substrats, Milchsäurekonzentration) variierte. Dabei zeigte sich, dass die Produktion des Energieträgers Methan durch eine günstige Wahl dieser Parameter im besten Fall um 30% gesteigert werden kann. Es handelt sich dabei um ein vorläufiges Ergebnis, das nun in einem auf sechs Monate angelegten Test in einem 50-Liter-Fermenter bestätigt werden soll.
Die anaerobe (unter Luftabschluss stattfindende) Vergärung von organischen Substanzen, wie sie in Biogasanlagen stattfindet, ist ein vierstufiger Prozess. Die erste dieser vier Stufen ist die Hydrolyse. Hier knüpft ein Pilot- und Demonstrationsprojekt von Wolfgang Merkle (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) an. Im Zuge des Retrofits einer 1995 erbauten Biogasanlage in Süderen (Kanton BE) wurde die Anlage neu konzipiert. Dabei wurden für die Hydrolyse zwei eigene Behälter errichtet. Die geänderte Prozessführung hatte zur Folge, dass der Materialdurchsatz der Anlage um 66% gesteigert und die Stabilität des Vergärungsprozesses trotz der sehr heterogenen Substrate (Hofdünger und eine breite Palette von gewerblich-industriellen Co-Substraten) verbessert werden konnte. Zwar wird pro Substratmenge etwas weniger Biogas (Methan) erzeugt (- 7%), aber der erhöhte Durchsatz verbessert die Rentabilität der Anlage, die sich neben dem Verkauf von Biogas auch durch Abfallgebühren finanziert.
Eine Steigerung des Biogas-Ertrags lässt sich möglicherweise auch erreichen, indem die organischen Substrate während der Vergärung mit ausgewählten Stoffen versetzt werden. Roger König (Fachhochschule Südschweiz/SUPSI) nutzte dafür in seinen Versuchen leitfähige Materialien wie Aktivkohle und Graphen, während Juliette Saint (HEIG-VD) an einer Messmethodik arbeitet, um denselben Effekt mittelfristig mit Kohlendioxid (CO2) erreichen zu können. Mit leitfähigen Materialien konnte im Labor die Biogasproduktion zeitweilig um 30% gesteigert werden. Ob dieser Effekt auch unter realen Bedingungen erzielt werden kann, soll nun in einem 60-Liter-Bioreaktor auf der Kläranlage von Chiasso erforscht werden. Trotz des Mehrertrags ist der innovative Prozess wegen des hohen Preises der zugegebenen Materialien bisher nicht wirtschaftlich.
Aus der Vergärung im Fermenter resultiert Rohbiogas, das zu rund 60% aus dem Energieträger Methan (CH4) und zu rund 40% Kohlendioxid (CO2) besteht. Da nur das Methan energetisch nutzbar ist, muss das CO2 entweder abgeschieden oder mit geeigneten Verfahren unter Zuführung von Wasserstoff in Methan umgewandelt werden. Für letzteres – die sogenannte Methanisierung – stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Eines davon basiert auf Nickelkatalysatoren. Stefanie Mizuno (Ostschweizer Fachhochschule) untersucht, ob sich die Methanisierung auch mit umweltfreundlicheren Eisen-basierten Katalysatoren erreichen liesse. Das wäre vorteilhaft, unter anderem weil Eisen günstig und breit verfügbar ist und vorteilhafte Materialeigenschaften hat. Das bisher entwickelte Verfahren ist nach Aussage von Chemieingenieurin Mizuno leicht skalierbar. Die Wirtschaftlichkeit soll nun in einer halbindustriellen Pilot- und Demonstrationsanlage getestet werden.
Weitere Referate der Bioenergieforschungs-Tagung behandelten unter anderem die Umwandlung von organischen Abfällen unter Druck und Temperatur in Pflanzenkohle (hydrothermale Karbonisierung) und von feuchter Biomasse ohne vorgängige Trocknung in Gas (hydrothermale Vergasung). Thema war überdies der Einsatz von Biogas als Treibstoff. Dafür eignet sich vor allem verflüssigtes Biogas, da es über eine hohe Energiedichte verfügt. Das Interesse an Flüssigbiogas hat in jüngster Zeit stark zugenommen. Alan Pérez (Fachhochschule Nordwestschweiz) berichtete in Bern über eine Zukunftsvision: So könnten in der Schweiz Mikroalgen kultiviert werden, aus denen sich hochwertige Inhaltsstoffe wie z.B. Omega-3-Fettsäuren gewinnen lassen. Dabei entsteht als Nebenprodukt ein Öl-Ethanol-Gemisch, das für die Produktion von Biodiesel und Glycerin genutzt werden kann. Mikroalgen werden in der Schweiz bisher nicht hergestellt, aber die Möglichkeit für diese biologische Nutzung der Sonnenenergie wäre durchaus vorhanden, wie Pérez am Rande der Tagung sagte: «Diese Energiepflanze gedeiht überall, wo es Wasser, Sonne und CO2 gibt, also auch in der Schweiz.»
Die Bioenergieforschung vermittelt viele Impulse zur verstärkten Nutzung von Hofdünger, Grünschnitt, Lebensmittelabfällen, Holz und anderen organischen Substraten. Neben den Ergebnissen der Forschung braucht es geeignete Regulierungen, um die Produktion von Bioenergie voranzubringen. Nathalie Bachmann (BFE) informierte in Bern über die aktuellen gesetzgeberischen Arbeiten zur Reform der staatlichen Förderinstrumente. Für stromproduzierende Biomasseanlagen wird in der aktuellen Revision des Energiegesetzes ein neues Fördermodell erarbeitet. Dieses wird frühestens 2025 in Kraft treten. Falls die Neuauflage des CO2-Gesetzes gutgeheissen wird, könnte es neu auch eine Förderung für die Produktion von Biogas geben, das nicht verstromt, sondern aufbereitet und ins Netz eingespeist wird. Dies könnte mehr kleine und mittelgrosse Biogasanlagen motivieren, Gas ins Netz einzuspeisen, was heute noch kaum wirtschaftlich ist.
Information
Die Tagungsdokumentation ist verfĂĽgbar unter:Â www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/forschung-und-cleantech/forschungsprogramme/bioenergie.htm
Kontakt
Sandra Hermle, Leiterin des BFE-Forschungsprogramms Bioenergie
sandra.hermle@bfe.admin.ch
Weitere Fachbeiträge
Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Bioenergie finden Sie unter: www.bfe.admin.ch/ec-bioenergie
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