Grundwasser ist ein unsichtbarer â und deshalb oft missachteter â Schatz, der aufgrund von Ăbernutzung und Verschmutzung weltweit bedroht ist. In der Schweiz stammen 80 Prozent des Trinkwassers aus den Wasserreserven im Untergrund. Dass diese Reserven eine einwandfreie QualitĂ€t aufweisen, liegt in unserem Interesse â und ist auch im GewĂ€sserschutzgesetz verankert. Aktuell wird die GrundwasserqualitĂ€t vor allem mit physikalisch-chemischen Parametern (wie etwa der Wassertemperatur oder der Konzentration von im Wasser gelösten Stoffen) bemessen, obwohl bekannt ist, dass unterirdische Lebensgemeinschaften bei der Reinigung des Grundwassers eine wichtige Rolle spielen.
«Mit einer biologischen Bewertung von Grundwasser betreten wir absolutes Neuland», sagt Florian Altermatt, Forschungsgruppenleiter am Wasserforschungsinstitut Eawag und Professor fĂŒr Aquatische Ăkologie an der UniversitĂ€t ZĂŒrich. Mit seinem Team hat er â mit so genannten Umwelt-DNA-Analysen (siehe Kasten) â hochverdĂŒnnte Erbgutspuren im Grundwasser untersucht. Und die ersten Resultate soeben in der Fachzeitschrift Molecular Ecology veröffentlicht.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass eine grosse Vielfalt an Lebewesen ihre DNA-Spuren im Grundwasser hinterlĂ€sst. «Dass verschiedenste Organismen im Grundwasser leben, ist ein gutes Zeichen», sagt Altermatt. Weil diese unterirdischen Lebensgemeinschaften Schadstoffe abbauen â und somit das Grundwasser reinigen â können, «unterstreicht unsere Studie, wie wichtig es ist, bei der Bewertung der WasserqualitĂ€t neben chemischen und physikalischen Parametern in Zukunft auch biologische Parameter zu berĂŒcksichtigen», schreiben die Forschenden. Und: «Wir sind der festen Ăberzeugung, dass die Umwelt-DNA-Analysen in Ăberwachungsprogramme aufgenommen werden sollten, um die Auswirkungen der Landnutzung oder des Klimawandels auf das Grundwasser zu untersuchen.»
Allerdings ist der grösste Teil dieser Vielfalt noch immer weitgehend unbekannt. «Wir haben fast 5â000 unterschiedliche Genvarianten gefunden, aber konnten nur etwa drei Prozent der genetischen Sequenzen bestimmten Lebewesen zuweisen», sagt Marjorie Couton, Postdoktorandin in Altermatts Forschungsgruppe und Erstautorin der neuen Studie.
Anhand der genetischen Sequenzen konnten die Forschenden 62 verschiedene Arten eindeutig identifizieren. Dazu gehören nicht nur verschiedene Flohkrebsarten, die ihr ganzes Leben in den unterirdischen WasserlĂ€ufen verbringen, sondern auch Bodenorganismen wie RegenwĂŒrmer oder oberirdische Lebewesen wie etwa Spinnen. «Wir vermuten, dass ihre Erbgutspuren mit dem Regen nach unten ins Grundwasser gespĂŒlt werden», erklĂ€rt Couton.
Die von den Forschenden untersuchten Grundwasserproben stammen aus 20 verschiedenen Trinkwasserfassungen im Einzugsgebiet der Töss. Diese Fassungen befinden sich entweder in bewaldeten oder in landwirtschaftlich genutzten FlÀchen. Entsprechend wies das Team um Couton und Altermatt auch zwei unterschiedliche Signaturen in der Zusammensetzung der genetischen Sequenzen nach. «Die in landwirtschaftlich genutztem Gebiet gelegenen Standorte haben eine deutlich andere und meist geringere genetische Vielfalt als die in Waldgebieten gelegenen Standorte», vermerken die Forschenden in ihrem Fachbeitrag. «Allerdings wissen wir im Moment noch zu wenig, was diese Unterschiede bedeuten», sagt Altermatt. «Aber schon jetzt zeigt sich, dass sich die Landnutzung offenbar auf die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften im Untergrund auswirkt.»
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Umwelt-DNA-Analysen
Bei der biologischen Bewertung von aquatischen OÌkosystemen hat sich im letzten Jahrzehnt eine regelrechte Revolution ereignet: Heute können Forschende mit molekularbiologischen Methoden (auch seltene) Organismen in BĂ€chen, FlĂŒssen oder Seen nachweisen, ohne die Lebewesen einzusammeln oder ihnen einen Schaden zuzufĂŒgen. In den Wasserproben fahnden die Forschenden nach den Erbgutspuren, die die Lebewesen etwa wegen ihrer Ausscheidungen hinterlassen. Oder die beim Zerfall von toten Zellen in die Umwelt gelangen. Nun hat das Team um Altermatt dieselbe Methodik erstmals auch fĂŒr Untersuchungen des Grundwassers verwendet â und dabei die Empfindlichkeit der Umwelt-DNA-Analysen auf die Spitze getrieben. Denn im Grundwasser sind die Erbgutspuren noch viel stĂ€rker verdĂŒnnt als in den OberflĂ€chengewĂ€ssern: In einer Probe von insgesamt 40 Litern stecken nur wenige Nanogramm DNA.
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Quelle
Wasserforschungsinstitut Eawag, erstellt von Ori Schipper
Kontakt
info@eawag.ch
Originalpublikation
Couton, M., HĂŒrlemann, S., Studer, A., Alther, R., & Altermatt, F. (2023). Groundwater environmental DNA metabarcoding reveals hidden diversity and reflects land-use and geology. Molecular Ecology,  https://doi.org/10.1111/mec.16955
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