Die Grundprinzipien der Bewirtschaftungsmassnahmen im Falle einer Strommangellage sind bereits seit längerem bekannt. Die Massnahmen wurden in diesem Jahr konkretisiert und gemeinsam mit Wirtschaft, Kantone und anderen betroffenen Kreisen weiterentwickelt. Der Bundesrat hat nun die entsprechenden Verordnungsentwürfe in eine verkürzte Vernehmlassung geschickt. Diese dauert bis zum 12. Dezember 2022. Im Falle einer schweren Strommangellage würden die Massnahmen an die Schwere der Mangellage und die aktuelle Situation angepasst und die Verordnungen erst dann in Kraft gesetzt werden.
Der Bundesrat hat bisher folgende Massnahmen unternommen, um die Stromversorgungssicherheit zu stärken: Wasserkraftreserven, Reservekraftwerke oder die Spannungserhöhung des Übertragungsnetzes. Auch die laufende Energiesparkampagne sowie die Teilnahme der Wirtschaft an der Energiespar-Alliance und die damit verbundene Verpflichtung zum freiwilligen Sparen tragen ihren Teil dazu bei, um eine Strommangellage zu vermeiden.
Sollte es trotzdem zu einer Mangellage kommen, wird der Bundesrat mit zeitlich begrenzten Massnahmen die Stromversorgung regeln. Ziel der Interventionen ist es, die Netzstabilität und damit die Stromversorgung aufrechtzuerhalten. Jede Stufe an Massnahmen hat zum Ziel, schlimmere Folgen und härtere Massnahmen zu vermeiden.
Im Falle einer unmittelbar drohenden Mangellage richtet der Bund zuerst dringliche Sparappelle an alle Stromverbraucher. Parallel dazu kann der Bundesrat bereits erste Verwendungsbeschränkungen und Verbote erlassen. Sie erfolgen in Eskalationsschritten, angefangen bei Komforteinschränkungen wie dem Verbot von Objektbeleuchtungen bis hin zu einschneidenden Massnahmen wie Betriebsschliessungen. Ziel ist es, die auf die jeweilige Situation optimal angepassten Eingriffe umzusetzen, abhängig von der Versorgungssituation, von meteorologischen Bedingungen und den Folgen für Wirtschaft und Bevölkerung. Lebenswichtige Güter und Dienstleistungen dürfen nicht wesentlich tangiert werden. Die Eskalationsstufen wurden in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und den Kantonen erarbeitet, um den volkswirtschaftlichen Schaden möglichst gering zu halten und um Wettbewerbsverzerrungen zu minimieren.
Als weitergehende Massnahmenstufe können Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch von mindestens 100 MWh kontingentiert werden. Dies betrifft über 34'000 Grossverbraucher, die knapp die Hälfte des Stromverbrauchs der Schweiz ausmachen.
Die Fokussierung auf diese Verbrauchergruppe hat neben dem grossen Einsparpotenzial den Vorteil, dass die Massnahme verbindlich umgesetzt werden kann und deren Wirkung schnell messbar ist. Die Grossverbraucher haben in der Regel einen Stromzähler, der den Verbrauch im zeitlichen Verlauf misst und dem Verteilnetzbetreiber automatisiert übermitteln kann. Endverbraucher mit tieferem Jahresverbrauch verfügen heute meist noch nicht über diese Messmethode und können daher die Einsparung weder berechnen noch messen.
Die Kontingentierung ist auf einen Tag oder einen Monat angelegt. Bei der Monatskontingentierung können Grossverbraucher das Kontingent nach ihren Bedürfnissen auf den Monat verteilt einsetzen. Auf den Winter 2023/24 hin wird für Unternehmen mit Betriebsstätten in unterschiedlichen Verteilnetzen eine Lösung erarbeitet, damit sie schweizweit kontingentiert werden können.
Die Kontingentierung ist eine wesentliche Massnahme, um Netzabschaltungen zu verhindern. Deshalb sind keine Ausnahmen vorgesehen. Die Wirtschaft und insbesondere die Betreiber von Infrastrukturen für die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sind jedoch auf einen flexiblen Umgang mit Kontingenten angewiesen. Deshalb will der Bundesrat während diesem Winter versuchsweise in einem eingeschränkten Rahmen die Weitergabe von Kontingenten ermöglichen. Für den Winter 2023/24 strebt er eine umfassende Lösung an.
Für die konzessionierten Unternehmen des öffentlichen Verkehrs (öV) gelten bei einer Kontingentierung besondere Bestimmungen. Sie basieren auf dem Bewirtschaftungsmodell öV bei einer Strommangellage, das die SBB als Systemführerin und Betreiberin eines eigenen Stromnetzes mit dem Verband öffentlicher Verkehr (VöV) und dem Bundesamt für Verkehr (BAV) erarbeitet hat. Eine separate Verordnung regelt, wie der versorgungsrelevante öV noch aufrechterhalten werden kann.
Als letztmögliche Bewirtschaftungsmassnahme sind Netzabschaltungen vorgesehen. Sie sollen einen umfassenden Netzzusammenbruch und somit einen Blackout verhindern. Zu diesem Zweck werden im Stromnetz einzelne Teilnetzgebiete abwechselnd abgeschaltet.
Verbrauchergruppen mit lebenswichtigen Dienstleistungen wie zum Beispiel die Energie- und Wasserversorgung, Blaulichtorganisationen oder die medizinische Grundversorgung können von Netzabschaltungen ausgenommen werden, sofern dies technisch möglich ist, was aber nur vereinzelt der Fall sein dürfte. Die Folgen für Wirtschaft und Bevölkerung wären gravierend, mit folgenschweren Einschränkungen. Deshalb wird alles unternommen, um Netzabschaltungen zu verhindern.
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