Die Verordnung über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bauarbeiten, kurz Bauarbeitenverordnung (BauAV), wurde umfassend überarbeitet. In neuer Form gilt sie seit dem 1. Januar 2022. Im Folgenden werden die für die Branche des Gas-, Wasser- und Fernwärmefaches wichtigsten Änderungen, die im 2. und 5. Kapitel der Verordnung zu finden sind, vorgestellt und weiterführende Informationen gegeben.
Im Unfallversicherungsgesetz (UVG) wird der Arbeitgeber verpflichtet, zur Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den gegebenen Verhältnissen angemessen sind (UVG Art. 82). Gemäss der Verordnung über die Unfallverhütung (VUV) haben alle Arbeitgeber die Pflicht, die in ihrem Unternehmen auftretenden Gefahren zu ermitteln und die erforderlichen Schutzmassnahmen und Anordnungen nach den anerkannten Regeln der Technik zu treffen.
Die ASA-Richtlinie (EKAS 6508) konkretisiert die Pflichten der Arbeitgeber über den Beizug von Spezialisten der Arbeitssicherheit gemäss VUV sowie die Massnahmen zur Förderung der systemorientierten Prävention von Berufsunfällen und Berufskrankheiten. Dazu steht den Mitgliedern des SVGW die von der EKAS unter der Nr. 31 zertifizierte Branchenlösung im Regelwerk GW15001 (einschliesslich Leitfaden zur Umsetzung) sowie das Sicherheitshandbuch für das Gas-, Wasser- und Fernwärmefach im Regelwerk GW2 zur Verfügung. Neben den Aspekten, die in der BauAV beschrieben werden, sind in den SVGW-Regelwerken auch alle weiteren branchenspezifischen Regeln für die Sicherheit und die Gesundheit am Arbeitsplatz zusammengestellt.
Einen Ăśberblick ĂĽber die grundsätzlichen Pflichten auf dem ÂGebiet der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes gibt die Suva-Publikation SBA 140.d [1].
Wie bis anhin müssen Bauarbeiten so geplant werden, dass das Risiko von Berufsunfällen, Berufskrankheiten oder Gesundheitsbeeinträchtigungen möglichst klein ist und die notwendigen Sicherheitsmassnahmen, namentlich bei der Verwendung von Arbeitsmitteln, eingehalten werden (Art. 3 BauAV). Mithilfe eines schriftlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzkonzeptes hat der Arbeitgeber an erster Stelle dafür zu sorgen, dass vor Beginn der Bauarbeiten ein Konzept vorliegt, in dem die für seine Arbeiten auf der Baustelle erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzmassnahmen aufgezeigt werden (Art. 4). Die Suva stellt dafür das Planungsinstrument SiGe-Bau [2] zur Verfügung. Ausserdem hat die Beratungsstelle für Arbeitssicherheit (BfA) des Schweizerischen Baumeisterverbandes eine Vorlage für ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzkonzept [3] erstellt, das ab dem 1. Januar 2022 für alle Baustellen erforderlich ist.
An zweiter Stelle ist zu erwähnen, dass bei Arbeiten bei Sonne, Hitze oder Kälte die erforderlichen Massnahmen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu treffen sind (Art. 37). Die Suva stellt zu diesem Thema Informationsmaterial über die Hautkrebsprävention mit zahlreichen praktischen Tipps und Tricks zur Verfügung: www.suva.ch/sonne [4].
Schliesslich ist an dritter Stelle zu nennen, dass gemäss Artikel 38 der neuen Bauarbeitenverordnung Arbeitsplätze und Verkehrswege über eine ausreichende Beleuchtung verfügen müssen.
In den folgenden Abschnitten sind die für die Gas-, Wasser- und Fernwärmebranche wichtigsten Änderungen im zweiten Kapitel «Bestimmungen für alle Bauarbeiten» der BauAV zusammengefasst:
Das Arbeiten von tragbaren Leitern aus wird eingeschränkt (Art. 21). Es dürfen nur Arbeiten ausgeführt werden, wenn kein anderes Arbeitsmittel in Bezug auf die Sicherheit besser geeignet ist. Ausserdem dürfen ab einer Absturzhöhe von mehr als 2 m Arbeiten von tragbaren Leitern aus nur von kurzer Dauer sein und es sind Absturzsicherungsmassnahmen zu treffen. Die Suva beschreibt den richtigen Umgang mit Anstell- und Bockleitern in der Publikation 44026 [5], die im Januar 2022 überarbeitet wurde. Dort werden auch sicherere Alternativen aufgezeigt, wie Hubarbeitsbühnen, Rollgerüste und Podestleitern, um nur einige zu nennen. Bei der Besprechung des Arbeitseinsatzes ist zu klären, welches das am besten geeignete Arbeitsmittel ist.
Zur Absturzsicherung sind im Artikel 22 Anforderungen an den Seitenschutz formuliert. Demnach muss bei Bauarbeiten der Geländerholm mindestens 100 cm ĂĽber der Standfläche liegen. Weitere Details finden sich u. a. im Suva-Factsheet 33017 [6], das im Januar 2022 ĂĽberarbeitet wurde.Â
Um den Zugang bei Niveauunterschieden von mehr als 50 cm zu ermöglichen, sind Treppen oder andere geeignete Arbeitsmittel zu verwenden (Art. 15).
Bei Fahrten von Transportfahrzeugen und Baumaschinen dürfen sich keine Personen im Gefahrenbereich aufhalten und Rückwärtsfahrten sind so kurz wie möglich zu halten (Art. 19). Müssen sich Personen im Gefahrenbereich aufhalten, so sind die erforderlichen technischen Massnahmen, wie der Einsatz von Kameras oder das Anbringen von Spiegeln, zu treffen oder der Gefahrenbereich ist durch eine Hilfsperson zu überwachen. Die Hilfsperson darf sich nicht im Gefahrenbereich aufhalten. Ein Hilfsmittel ist der Suva-Faltprospekt «Neun lebenswichtige Regeln für den Verkehrsweg- und Tiefbau» (Suva-Publikation 88820, [7]).
Bei Verdacht auf das Vorhandensein besonders gesundheitsgefährdender Stoffe müssen die betroffenen Mitarbeitenden über das Ergebnis von erstellten Schadstoffgutachten informiert werden (Art. 32). Da beispielsweise die Asbestgefahr weiterhin besteht, sei auf die entsprechende Seite der Suva hingewiesen: www.suva.ch/asbest [8]. Dort wird erklärt, wo Asbest vorkommen kann und wie richtig zu handeln ist.
Wie bisher sind Gräben, Schächte und Baugruben so auszugestalten, dass keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch herabfallende oder abrutschende Massen gefährdet werden. Gräben, Schächte und Baugruben von mehr als 1,5 m Tiefe, die nicht verspriesst werden, sind gemäss Artikel 75 abzuböschen oder durch andere geeignete Massnahmen zu sichern (Art. 68).
Bei Böschungen muss unter bestimmten Bedingungen, die in Artikel 76 aufgelistet sind, ein Sicherheitsnachweis vorliegen. Dies ist z. B. neu der Fall, wenn das Verhältnis zwischen der Senkrechten und Waagerechten bereits grösser als 2 : 1 ist. In diesem Zusammenhang ist auch die Standfestigkeit des Baugrunds sowie dessen Belastung durch äussere Einflüsse zu berücksichtigen. Die Suva stellt als Publikation 88317 «Nachweis der Standfestigkeit des Baugrundes» [9] ein Formular zur Verfügung, mit dem bei kritischen Böschungs- und Baugrubensituationen die erforderlichen Angaben von einer Fachingenieurin oder einem Fachingenieur bzw. einer Geotechnikerin oder einem Geotechniker eingefordert werden können. Neu muss die korrekte Umsetzung von Massnahmen gemäss Sicherheitsnachweis auch von dieser Personengruppe überprüft werden.
Die Checkliste 67148 der Suva für Gräben und Baugruben [10] wurde per 1. Januar 2022 revidiert. Mit ihr kann überprüft werden, ob die Sicherheitsvorkehrungen, die beim Grabenbau und bei Aushubarbeiten gefordert sind, auf den Baustellen eingehalten werden. Damit lässt sich auch die Einhaltung der angepassten Anforderungen für die minimale lichte Breite von Gräben und Schächten überprüfen. Grundsätzlich ist ab einer Grabentiefe von 1 m eine lichte Breite von mindestens 60 cm einzuhalten. Neu wird die Grabenbreite abhängig vom Innenrohrdurchmesser der Leitung definiert (Art. 69). Daraus ergeben sich drei Konfigurationen:
Innendurchmesser (cm) | Erforderliche Grabenbreite (cm) |
bis 40 cm | min. 40 cm plus Aussenmass Leitung plus 2 × Spriessstärke |
40 cm bis 120 cm | min. 60 cm (auf einer Seite min. 40 cm) plus Aussenmass der Leitung plus 2 × Spriessstärke |
ab 120 cm | min. 80 cm (auf einer Seite min. 60 cm) plus Aussenmass der Leitung plus 2 × Spriessstärke |
Für den Zugang zu Baugruben, in Gräben und in Schächten müssen sichere Arbeitsmittel, namentlich Treppen eingesetzt werden (Art. 73). Wenn dies aus technischen Gründen nicht möglich ist, dürfen Leitern bis zu einer Tiefe von 5 m für den Zugang zu Baugruben eingesetzt werden. Auch in Gräben und Schächten dürfen anstelle von Treppen Leitern bis zu einer Tiefe von 5 m eingesetzt werden.
[1] Suva (2018): Welches sind Ihre Pflichten auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes? Publikation SBA 140, www.suva.ch/sba140.d
[2] Suva: Planungsinstrument SiGe-Bau, Version 2.1. https://www.suva.ch/de-CH/material/tools-tests/planungsinstrument-sige-bau-version-20, besucht am 5. Januar 2022
[3] Schweizerischer Baumeisterverband: Vorlage Sicherheits- und Gesundheitsschutzkonzept fĂĽr Baustellen. https://baumeister.swiss/das-sicherheits-und-gesundheitsschutzkonzept-gemaess-art-4-bauav, besucht am 5. Januar 2022
[4] Suva: Sonne, Hitze, UV-Strahlen und Ozon. www.suva.ch/sonne, besucht am 5. Januar 2022
[5] Suva (2022): Tragbare Leitern – Richtig umgehen mit Anstell- und Bockleitern. Publikation 44026, www.suva.ch/44026.d
[6] Suva (2022): Seitenschutz – Anforderungen an die Baustelle. Publikation 33017, www.suva.ch/33017.d
[7] Suva (2022): Neun lebenswichtige Regeln fĂĽr den Verkehrsweg- und Tiefbau. Publikation 88820, www.suva.ch/88820.d
[8] Suva: Asbest. www.suva.ch/asbest, besucht am 5. Januar 2022
[9] Suva (2022): Nachweis der Standfestigkeit des Baugrundes. Publikation 88317, www.suva.ch/88317.d
[10] Suva (2022): Gräben und Baugruben – Checkliste. Publikation 67148, www.suva.ch/67148.d
[11] Suva (2021): Bauarbeitenverordnung 2022: Das ist neu – Die wichtigsten Änderungen in Kürze. Publikation 88320, www.suva.ch/bauav2022
Aktuelle Informationen über die revidierte Bauarbeitenverordnung können auf der Fokus-Seite der Suva bezogen werden: Dort ist auch ein Link zum aktuell gültigen Gesetzestext der BauAV zu finden. Alle Neuerungen sind zudem in der Suva-Publikation 88320 [11] zusammengestellt.
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