Die Schweiz ist stolz auf ihre stark ausgebaute Wasserkraftnutzung. Diese deckt fast 60 Prozent des Strombedarfs. Die Produktion von rund 36 Terawattstunden (TWh) pro Jahr soll nun im Rahmen der Energiestrategie bis 2050 um weitere gut 3 TWh gesteigert werden. Das Wasserforschungsinstitut Eawag stellte deshalb Anfang am Vierwaldstättersee mit internen und externen Expertinnen und Experten vor, welche Herausforderungen für die Gewässer damit verbunden sind und mit welchen Ansätzen die Gesellschaft diese Herausforderungen möglicherweise bewältigen kann.
70 Prozent der Schweizer Wasserkraftwerke – rund 1500 Anlagen – gelten als klein. Sie haben Leistungen, die unter zehn Megawatt liegen und können zum Teil von der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) profitieren. Ihr Anteil an der gesamtschweizerischen Wasserkraftproduktion ist jedoch mit rund 10 Prozent relativ betrachtet gering. Noch deutlicher wird das bei ganz kleinen Anlagen: Sämtliche 300 KEV-geförderten Kleinstwerke mit Leistungen unter 100 kW produzieren zusammengenommen pro Jahr etwa 40 GWh. Das entspricht etwa einem Tausendstel der Schweizer Wasserkraftproduktion.
Forschende haben nun die Annahme untersucht, ob kleine Kraftwerke auch kleine Effekte haben. Sie kommen zum Schluss, dass bei Plänen zur Nutzung der Kleinwasserkraft die weiträumigen ökologischen Effekte und die kumulativen Effekte von mehreren Anlagen im gleichen Einzugsgebiet oft zu wenig berücksichtigt werden. Zum Beispiel werde auf Restwasserstrecken die Artenzahl wirbelloser Organismen etwa um die Hälfte reduziert. Das wiederum wirke sich auch auf Arten aus, die entlang des Gewässers lebten, wie zum Beispiel Spinnen, denen nun entlang des Ufer das Futter ausgeht.
Vermehrt werden heutzutage zudem natürliche Seen in Pumpspeichersysteme einbezogen. So wird Wasser aus dem Zürich-Obersee in den Sihlsee oder aus dem Genfersee in den Lac de l‘Hongrin hochgepumpt, um bei Bedarf damit Strom zu produzieren.
Ein Projekt hat nun untersucht, wie sich solche Verschiebungen ganzer «Wasserpakete» auf die physikalische, chemische und biologische Situation in den Seen auswirken: Starke Seespiegelschwankungen können zum Beispiel naturnahe Ufer gefährden. Trübes Gletscherwasser kann in klaren Seen das Wachstum von Pflanzen hemmen. Oder Wasserentnahmen und ‑rückgaben führen zu Temperaturunterschieden und Veränderung der saisonalen Schichtung im See.
Das Fazit der Forschenden hier: Mit passenden Massnahmen können negative Auswirkungen solcher Veränderungen meist aufgefangen werden. Wichtig sei aber, dass auch der Einfluss des Klimawandels berücksichtigt werde, denn Pumpspeicherwerke stünden über viele Jahrzehnte in Betrieb.
Ähnliches gilt auch für die Entnahme grosser Wassermengen aus Seen und Flüssen zum Wärmen oder Kühlen. Hier hat eine Studie der Eawag «enormes Potential» geortet. Mit einer geschickten Planung neuer Anlagen könne, so die Fachleute, die Wärme- oder Kältenutzung sogar zur Kompensation negativer Auswirkungen des Klimawandels genutzt werden: Kühlwasser aus grossen Seetiefen zum Beispiel könne auch nach seiner Nutzung noch helfen, dass Flüsse in heissen Sommern nicht zu warm würden.
Eine sozialwissenschaftliche Studie, die in Luzern präsentiert wurde, hat ausserdem die Akzeptanz der erneuerbaren Energien untersucht. Gemäss ihren Resultaten wird der Ausbau der Grosswasserkraft «stark befürwortet», und die Befragten sind auch bereit, dafür zu bezahlen – etwa mit höheren Strompreisen, wenn die Werke in ökologische Sanierungsmassnahmen investieren. Bei kleineren Anlagen, so die Expertinnen, sei «das Bild eher durchzogen»: Sobald die lokale Bevölkerung mitentscheiden könne, würden Projekte auch kritischer hinterfragt oder in einzelnen Fällen gar bekämpft.
Die Eawag-Forscherinnen und -Forscher zeigen an «ihrem» Infotag in Luzern also auf, dass es nicht bloss um technische Lösungen geht, sondern dass auch Fragen der sozialen Akzeptanz eine grosse Rolle spielen, zum Beispiel dann, wenn Massnahmen zugunsten der Gewässerökologie dazu führen, dass der Strompreis in Zukunft möglicherweise steigt.
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