Durch die steigende Zahl an Einwohnerinnen und Einwohnern in der Schweiz wird immer mehr Land bebaut. Dadurch sinkt die Fläche, die landwirtschaftlich bewirtschaftet wird. Um die wachsende Bevölkerung weiterhin zu ernähren, müssen mehr Nahrungsmittel auf den verbleibenden Anbauflächen produziert werden. Dies ist nur möglich, wenn die Kulturen vor Krankheiten und Schädlingen sowie der Konkurrenz von Unkräutern geschützt werden können. «Die Schweiz hat dazu in den letzten Jahrzehnten schrittweise den integrierten Pflanzenschutz eingeführt», erklärt der Bundesrat. Hier gelte der Grundsatz, dass chemische Mittel erst dann zum Einsatz kommen, wenn mit präventiven und nicht-chemischen Massnahmen kein ausreichender Schutz mehr gewährleistet werden kann.
Pflanzenschutzmittel leisten heute aber immer noch einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Erträge und zur Qualität der Erntegüter: Da ist man sich bei der Mehrheit der Bundesbehörden als auch in Industrie und Politik einig. Allerdings, so sind sich Wissenschaftsinstitute und Umweltorganisationen auch sicher, können die in Pflanzenschutzmitteln enthaltenen biologisch wirksamen Stoffe unerwünschte Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt haben. Klar ist deshalb auch, dass diese so gut wie möglich begrenzt werden müssen.
Aus diesem Grund hat der Bundesrat das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) in Zusammenarbeit mit anderen Departementen beauftragt, einen Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu erarbeiten. Im Aktionsplan sind acht Leitziele und ein Dutzend konkrete Zwischenziele definiert. Und um diese Ziele zu erreichen, wurden gut fünfzig Massnahmen in drei verschiedenen Bereichen ausgearbeitet, nämlich für die Anwendung, die spezifischen Risiken und für begleitende Instrumente.
Diese Massnahmen werden dabei laufend erweitert und den Bedürfnissen angepasst. Derzeit gibt es aber zum Beispiel Massnahmen für die mechanische Unkrautbekämpfung, die Spritztankreinigung oder die sogenannte Abschwemmung. Deshalb orientierten an der Tagung in Zollikofen nicht nur Fachleute rein theoretisch über die momentane Situation bei der Umsetzung des Aktionsplans oder über den aktuellen Stand der Gewässer, sondern es gab auch ganz praktische Feldbesichtigungen zur Ökologie der Gewässer, zur mechanischen Unkrautbekämpfung mittels Traktor und Egge oder zur Reduktion der Abdrift mittels verbesserter Düsen.
Im theoretischen Teil der Tagung hatten die verschiedensten Vertreterinnen und Vertreter nationaler und kantonaler Behörden zuvor «über die aktuelle Situation im Lande» orientiert: Einen ersten Überblick über den «Stand der Umsetzung des Aktionsplans» gab – nach einer Begrüssung durch Inforama-Direktor Markus Wildisen – Jan Waespe vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), während seine Kollegin Katja Knauer und Christian Leu vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) sich den «Massnahmen zum Schutz der Gewässer» annahmen.
Zwei Vertreter von Agroscope, Ignaz Bürge und Volker Prasuhn, orientierten ausserdem, wie zuvor schon Annette Aldrich über die «Risikobeurteilung im Rahmen der Zulassung» bzw. das «Forschungsprojekt Drainage». Und die Herausforderungen beim Monitoring und das «Forschungsprojekt Kurzschlüsse» erläuterte schliesslich Christian Stamm von der Eawag in Dübendorf. Ein «kantonales Flaggschiff» betreffend Aktionsplan präsentierte zudem Michel Gygax vom Amt für Landwirtschaft und Natur Bern (LANAT), in dem er auf Französisch und detailliert das «Pflanzenschutzprojekt Bern» vorstellte, das über einen Zeitraum von sechs Jahren rund 63 Millionen Franken kosten wird und an dem sich in den ersten zwei Jahren bisher etwa 5820 Betriebe mit rund 12’500 Massnahmen beteiligt haben. Start des Projektes war am 1. Januar 2017 und dauern wird es noch bis Ende 2022.
Und wie steht es in der Praxis um die Biologie und die Belastung der Gewässer mit Pestiziden? Darüber orientierten am «Chräbsbach» von Zollikofen weitere Fachleute, die vor allen auf die lokalen, regionalen und nationalen Aspekte solcher Bestandesaufnahmen eingingen: Die Grundlast des kleinen Baches, so war zu erfahren, bildeten anhand von Untersuchungen im Juni und Juli dieses Jahres vor allem Abbauprodukte von Pestiziden, allen voran der Herbizide Metolachlor und Chloridazon, wobei die Konzentrationen während der Messphase mit 0,5 Mikrogramm pro Liter praktisch unverändert hoch waren. Durch Regenüberläufe sei zudem auch Siedlungsabwasser in die Gewässer gelangt. Darin hätten vor allem künstliche Süssstoffe wie Aspartam oder Cyklamat dominiert. Zu finden gewesen seien aber auch Rückstände von Medikamenten, zum Beispiel gegen Bluthochdruck und Diabetes. «Diese», so ein Experte, «haben aber nur einen kleinen Effekt auf die ökotoxikologische Bewertung des Baches gehabt.» Insgesamt sei aber festzuhalten, dass die Gewässerqualität anhand von Langzeitindikatoren wie wirbellosen Tieren, Fischen und Pflanzen als «sehr defizitär» beurteilt werden müsse.
Und wie geht es den Schweizer Fliessgewässer ganz allgemein? Wie hoch ist ihre Belastung durch Pflanzenschutzmittel? Die wichtigste Quelle diffus eingetragener Mikroverunreinigungen, so wurde in Zollikofen festgehalten, sei schweizweit die Landwirtschaft. Und am stärksten davon betroffen seien kleine Bäche, die etwa drei Viertel des nationalen Fliessgewässernetzes ausmachten. «Es sind deshalb dringend Massnahmen nötig», so erklärte einer der Experten, «welche den Eintrag von Pflanzenschutzmitteln in die Gewässer verringerten, so wie dies im Aktionsplan vorgesehen ist».
Zudem müsse auch die nationale Beobachtung der Oberflächengewässerqualität, so ein Vertreter des BAFU, als Bestandteil einer effektiven Wirkungskontrolle ausgebaut werden. «Denn nur mit dem Aufbau neuer Messtellen zur gezielten Beurteilung von Spitzenkonzentrationen und der Beurteilung akuter Risiken», so der Experte, «lässt sich das Problem längerfristig gesehen auch in den Griff bekommen.»
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